Hindu-Fest in Hamm: Ein heiliger Fluss unter der Autobahnbrücke
Stand: 10.08.2023, 11:41 Uhr
Einmal im Jahr feiern Hinduisten mitten in Hamm-Uentrop ein großes Fest. Hier steht nicht nur eine der größten Tempelanlagen Europas. Einmal im Jahr fließt hier der indische Fluss Ganges direkt unter der Autobahnbrücke der A2.
Von Daniel Dammann (Text) und Olaf Tack (Multimedia)
Für Malikarchuna Alagesan ist heute ein ganz besonderer, ein heiliger Tag. Die junge Frau trägt einen Sari, einen Wickelrock mit einseitigem Schulterüberwurf, in leuchtendem Orange. Ein traditionelles indisches Kleidungsstück. Darunter hat sich Alagesan ein blaues Oberteil mit langen Ärmel angezogen. Alles ist an diesem Tag recht farbenfroh.
Malikarchuna Alagesan in ihrem traditionellen Gewand
Mit vielen anderen gläubigen Hinduisten hat sie sich am hinduistischen Tempel versammelt. Manche kommen, wie Alagesan, direkt von nebenan. Andere haben halb Europa durchquert, um im Juni hier im Ruhrgebiet dabei zu sein. Mitte Juni fand der Höhepunkt des Hindufestes in Hamm statt: die rituelle Waschung im Datteln-Hamm-Kanal.
Die rituelle Waschung im Kanal
00:29 Min.. Verfügbar bis 07.07.2025.
Hindu-Fest in Hamm: Mit den Augen der Liebe
Das ganze Fest im und am Tempel läuft auf das Großereignis zu. Rund 15 Tage dauert das Hindu-Fest am Tempel in Hamm bis dahin bereits. Der Tempel liegt in in einem Industriegebiet von der Stadt, im Stadtteil Uentrop und ist eine der größten hinduistischen Tempelanlagen Europas. Mit seinen rot-weißen Streifen und dem hohen knallbunten Aufbau sticht er sofort ins Auge. Allein das gewaltige Eingangsportal misst 17 Meter.
Im Inneren hat bereits eine Andacht, die sogenannte Puja, begonnen. Der Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel ist wie auch das begangene Fest einer einzigen Göttin geweiht: Kamadchi. Die Göttin verkörpert für die Gläubigen Ruhe, Schönheit und Frieden, und soll Liebe und Güte aussenden. "Die Göttin Sri-Kamadchi-Ampal hat die Augen der Liebe und ist wie eine Mutter für uns alle", sagt Alagesan. Die Statue der Göttin wird beim Fest in einer feierlichen Prozession zum Datteln-Hamm-Kanal gebracht.
Zwischen Akkuschraubern und Trommelriten
Während sanfte Gongschläge aus dem Tempelinneren dringen, herrscht auf dem Vorplatz des Tempels geschäftiges Treiben. Mit Akkuschraubern wird ein riesiges Podest zusammengebaut, auf dem die Statue der Göttin zum Kanal gefahren werden soll. In Hektik scheint hier aber niemand zu geraten, obwohl die Zeremonie ja noch an diesem Tag stattfinden soll. Alles völlig normal, sagt Alagesan: "Die ganzen Gewänder, der ganze Schmuck drum herum, das ändert sich auch tagtäglich, und wird daher immer auch erst kurz zuvor fertiggestellt."
Gläubige bauen ein fahrbares Podest für die Göttin Sri-Kamadchi-Ampal
Alagesans Vater ist der Tempel-Priester in Hamm. Die stundenlangen Zeremonien sind für ihn wie ein Marathonlauf. "Es ist sehr anstrengend für meinen Vater, da er fastet. Das gehört eben dazu. Er hat gestern beispielsweise gar nichts gegessen. Aber er macht es gerne, er macht es mit Leidenschaft. Das ist sein Leben", sagt Alagesan,
Plötzlich wird es laut im Inneren des Tempels. Trommelschläge und helle Töne kleinerer Glocken schallen nach draußen. "Jetzt ist es soweit. Die Göttin wird jetzt herausgetragen", sagt Alagesan. Die Klänge sind Teil der Verehrung der Hindu-Gottheit. "Wir verehren die Göttin mit Blumen, mit Musik und Früchten."
Der heilige Ganges unter der Autobahnbrücke
Die Göttin wird herausgetragen und auf das kurz zuvor fertiggestellte fahrbare Podest gesetzt. Die Prozession kann beginnen. Gemeinsam mit hundert anderen Gläubigen geht Alagesan zum Datteln-Hamm-Kanal.
Hier am Kanal, direkt unter der Autobahnbrücke der A2, spannt der Priester einen goldenen Bindfaden von der Statue der Göttin Sri-Kamadchi-Ampal bis hinunter zum Fluss. Mit diesem Ritual wird der Datteln-Hamm-Kanal für einen Augenblick zum heiligen Fluss Ganges. Die Gläubigen können mit der rituellen Waschung im smaragdgrünen Wasser des Kanals ihre Seelen von ihren Sünden befreien.
Dabei spielt es keine Rolle, ob sie ganz eintauchen oder, so wie Alagesan, nur ein wenig die Füße ins Wasser halten. Auch wenn der Datteln-Hamm-Kanal für die Zeremonie heilig wie der Ganges ist, ist das Wasser zu dieser Jahreszeit noch lange nicht so warm.
Der rituelle Höhepunkt des Festes bereitet Alagesan allerdings auch ein wenig auf bevorstehende Abschiede vor. Denn unter den vielen Gästen des Festes waren einige von weither angereiste Familienmitglieder. "Wir hatten viel Verwandtschaft zu Hause und sie reisen heute leider alle wieder ab." Aber eines ist sicher: Im nächsten Jahr wollen sie alle wiederkommen und den Datteln-Hamm-Kanal erneut zu ihrem heiligen Fluss machen.
Über dieses Thema berichteten wir auch am 19.06.2023 in der Lokalzeit aus Dortmund im WDR Fernsehen.