Die rund 30 Männer und Frauen in ihren blau-weiß gestreiften Kapuzenpullis könnten mit ihrem Outfit auf dem Weg zu einer Spelunke im Hamburger Hafen oder einem Wirtshaus an der Ostsee sein. Doch der Kontrast könnte kaum größer sein. Denn statt weitem Ozean plätschert neben ihnen das Flüsschen Lutter, statt steifer Brise weht ein laues Lüftchen und statt Sand raschelt Laub unter ihren Füßen.
Seit 33 Jahren gibt es den Shanty-Chor Luttermöwen in Gütersloh bereits. Rund 200 Kilometer sind es von hier bis zur Nordsee. Einmal in der Woche probt der Chor, dann kommen 30 bis 40 Sängerinnen und Sänger zusammen. Ihre Faszination für die alten Seemannslieder schweißt sie zusammen, erzählt Chor-Sängerin Annegret Imkamp: "Wir haben eine ganz tolle Gemeinschaft."
Shanty-Chöre: lange Tradition, wenig Nachwuchs
Die Luttermöwen sind eine von etwa 40 Gruppen, die beim Fachverband Shanty-Chöre in NRW angemeldet sind. Hans Rodax ist Präsident des Verbandes. Der 81-Jährige aus Hiddenhausen im Kreis Herford war früher selbst bei der Marine.
Einen nicht unbedeutenden Teil seines Lebens hat er der Shanty-Kultur in Deutschland verschrieben. Der 81-Jährige hat sich dabei viel mit dem Thema Nachwuchsgewinnung auseinandergesetzt. Denn daran mangele es. "Die Chöre werden alle älter", sagt Rodax. Inzwischen gibt er anderen Chören Tipps, wie sie an neue Mitglieder kommen.
Er empfiehlt zum Beispiel, ohne offizielle Uniformen aufzutreten, auch bekannte Stücke zum Mitsingen ins Programm zu nehmen oder mit Orchestern zusammen aufzutreten. Nach einem Konzert mit einem Dudelsack-Spieler habe es bei ihm im Chor direkt zwei neue Anmeldungen gegeben.
Auch die Luttermöwen in Isselhorst kennen das Problem mit dem fehlenden Nachwuchs. "Wir suchen noch ein paar Seebären, die wir gerne noch in unseren Chor mit aufnehmen möchten", sagt Luttermöwen-Sänger Udo Plaßmann. Er hofft, dass Aktionen wie gemeinsame Reisen ans Meer auch jüngere Sänger aus dem Ort begeistern.
Inzwischen sind die Luttermöwen an ihrem Zielpunkt angekommen. Im Wald von Isselhorst reihen sie sich auf einer hölzernen Brücke auf. Unter ihnen plätschert leise der Fluss. "Frag doch das Meer, ob es Liebe kann scheiden", singen die 30 Stimmen gemeinsam das ostfriesische Volkslied. Füße und Köpfe wippen im Takt des Akkordeons. Sängerin Annegret Imkamp sagt lächelnd: "Es ist schön, wenn wir die richtigen Töne treffen, aber es ist nicht immer so. Live ist live."
Über dieses Thema haben wir auch am 24.11.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.