
Rampen statt Regale: Wie Mädchen in Aachen vom Leerstand profitieren
Städteregion Aachen | Heimatliebe
Stand: 22.02.2025, 15:17 Uhr
Wo früher Kassen piepten, rollen heute Skateboards: In einem seit 2016 leerstehenden Kaufhaus in Aachen lernen Mädchen das Skaten. Ohne Druck, aber mit viel Spaß. Warum das Projekt einzigartig ist, aber bald trotzdem ein Ende findet.
Von Charlotte Rothe
Das Betongebäude in der Aachener Innenstadt hat ein wenig etwas von einem Lost Place. Einige Fenster sind eingeschlagen, Wände und Türen vollgesprüht. Aber für die, die gerade drinnen sind, ist es ein kleines Paradies. Wo früher auf 1500 Quadratmetern Kleiderstangen und Verkaufsregale standen, befinden sich heute Rampen, Hindernisse und verschiebbare Geländer.
Immer wieder knallt es laut, wenn eines der Skateboards auf den Boden aufsetzt. "Ich versuche heute über dieses Hindernis zu fahren", sagt die elfjährige Ella und zeigt auf eine kleine Metallrampe. Angst vor den Reaktionen der anderen Skater hat sie keine. Denn dies ist ein geschützter Raum für sie.
Welches Ziel sich Ella dieses Mal beim Skaten gesetzt hat
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Wie Ella sollen Mädchen und Frauen bei Girls*Skate ganz ohne Druck oder kritische Blicke Lust am Skaten bekommen. Für das Skate-Projekt ist das leere Kaufhaus in der Aachener Innenstadt ein Glücksgriff. Ursprünglich sollten hier einmal Hotels, Essensstände und Büros einziehen. Daraus wurde nichts. Stattdessen nutzen Bürgerinitiativen und das Skate-Projekt die Räumlichkeiten.
Girls*Skate in Aachen: Herausforderungen suchen und meistern
Vor jedem Treffen setzen sich die Mädchen ein Ziel für das Training. Viele Kinder wollen sich einfach ein bisschen aufs Board stellen. Ella fährt inzwischen zum dritten Mal die Metallrampe an. Noch wird sie dabei von einer der beiden Skate-Trainerinnen an die Hand genommen. Später will sie es auch alleine schaffen.

Das ehemalige Kaufhaus ist für die Mädchen der perfekte Skateplatz
Ellas Mutter, Kira Rentmeister, guckt ihr von der Seite aus zu und sieht, wie ihre Tochter beim Skaten immer selbstbewusster wird. Der große Raum im Kaufhaus ist für Mutter und Tochter trotz der nackten Wände und dem kalten Linoleumboden ein besonderer Ort geworden: "Es ist schön zu wissen, dass es den Ort hier gibt. Das ist eine prima Location", sagt Rentmeister. Ein Vorbildprojekt auch für andere Städte also?

Von außen sieht das ehemalige Kaufhaus wenig einladend aus
Schließlich gibt es in NRW mehr als genug Ladenleerstand. Je nach Stadt schätzt eine Handelsstudie im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums die leerstehenden Einzelhandelsflächen auch bei vielen größeren Städten auf mehr als 10 Prozent. Zwischen 2010 und 2020 gaben alleine in NRW zudem mehr als 10.000 Einzelhandelsgeschäfte auf. Das war noch vor der Corona-Pandemie.
Nur eine Übergangslösung
Georg Helmes kennt das Problem. Er hat das Skate-Projekt in Aachen ins Leben gerufen. Der Kulturaktivist ärgert sich schon lange über die vielen leerstehenden Ladenlokale. Die Idee kam ihm, als er vor einigen Jahren mit Skatern ins Gespräch kam, die wegen des schlechten Wetters nirgendwo fahren konnten.
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Also fragte Helmes kurzerhand beim Eigentümer des alten Kaufhauses nach. "Er fand die Idee gut, das Gebäude zu nutzen und nicht länger leer stehen zu lassen", erzählt er. Also beginnt er ehrenamtlich mit der Organisation und bekommt seit den ersten Treffen viele positive Rückmeldungen. "Das reicht mir völlig als Motivation", sagt er.
"Haus der Neugier" statt des Skatens
Allerdings hat Girls*Skate auch ein Ablaufdatum. Die Skaterinnen können das ehemalige Kaufhaus nur noch bis Ende Juli nutzen. Denn Anfang Februar entschied der Aachener Stadtrat, dass hier ein "Haus der Neugier" entstehen soll. Die Volkshochschule und die Stadtbibliothek sollen dann dort einziehen. Nach den Umbauarbeiten bleibt die Fläche zwar weiter ein öffentlicher Raum, skaten wird aber nicht mehr möglich sein.

Die Teilnehmerinnen können sich vor Ort kostenlos Boards ausleihen
Bis dahin wollen die Organisatoren noch möglichst viele Mädchen und Frauen für das Hobby begeistern. Deshalb können die Teilnehmerinnen Skateboards und Schutzausrüstung direkt umsonst vor Ort ausleihen und müssen sich auch nicht anmelden. Sie sollen sich ausprobieren können und Erfolgserlebnisse sammeln. Dafür nehmen sich die Trainerinnen für jedes Kind Zeit.
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Bei Ella hat das an diesem Nachmittag schon geklappt. Sie schafft den Sprung über die Rampe am Ende ganz alleine. "Ich hatte davor viel mehr Angst als notwendig war", sagt sie und steigt erneut auf das Brett.
Über dieses Thema haben wir auch am 03.02.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Aachen, 19.30 Uhr.