Perfektion auf Papier: Schönschreiberin des Goldenen Buchs in Düsseldorf

Düsseldorf | Heimatliebe

Stand: 08.01.2025, 17:22 Uhr

Promi-Unterschriften hat Irene Gerresheim haufenweise eingeheimst. Autogramme jagen ist allerdings nicht ihr Ding. Gerresheim bereitet jahrzehntelang die Einträge der Gäste ins Goldene Buch der Stadt Düsseldorf vor. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich.

Von Daniela Partenzi

"Die Augen machen nicht mehr so mit, das Händchen war schon mal ruhiger." Deshalb hat Irene Gerresheim beschlossen, dass es reicht. Ein letztes Mal holt sie tief Luft und schiebt die Kissen auf dem Lederstuhl zurecht. Zwei davon hat sich die zierliche Düsseldorferin auf einem der Designer-Sessel zurechtgestapelt. "Ich bin ja so klein." Die 63-Jährige öffnet die rote Tusche, tröpfelt ein wenig auf ihre Feder und macht zwei, drei flotte Teststriche auf einer Unterlage. In Position setzen, volle Konzentration und ganz vorsichtig los.

Düsseldorf: Die Wegbegleiterin des Goldenen Buches

30 Jahre lang hat Gerresheim die Einträge für das Goldene Buch der Stadt Düsseldorf vorbereitet. Sieben Exemplare gibt es. Die vollgeschriebenen werden gut klimatisiert und gesichert im Stadtarchiv gelagert. Jedes von ihnen ist ein Stück Stadtgeschichte. Daran mitgewirkt zu haben, war Gerresheim immer eine Ehre. Mit roter Tinte hat sie vor jeder Unterschrift Namen, Anlass des Besuchs und Datum auf der Seite eingetragen.

Welche Bedeutung hat das Goldene Buch für Irene Gerresheim? 00:27 Min. Verfügbar bis 08.01.2027

Wer in den vergangenen Jahren hier unterschrieben hat, hat das über ihren wie gedruckt aussehenden Buchstaben getan. Royals wie Victoria von Schweden und Fürst Rainier von Monaco haben ihre Signatur eingetragen, Schauspieler wie Sophia Loren oder Ulrich Tukur, und auch ganze Sportmannschaften wie Fortuna Düsseldorf oder die Nationalmannschaft.

Das Goldene Buch: Für Irene Gerresheim ein Album voller Erinnerungen 00:40 Min. Verfügbar bis 08.01.2027

Die Mannschaften seien immer besonders viel Arbeit gewesen, erinnert sich Gerresheim. Für die vielen Namen hätte sie auch mal eine Spätschicht einlegen müssen. "Einmal waren im Haus schon alle Lichter aus, da hatte ich Sorge, ob ich überhaupt noch rauskomme. Hat aber geklappt."

Durch Zufall zur Kalligrafin

Oft saß sie ganz allein bei den Vorbereitungen für das Goldene Buch am großen runden Konferenztisch der alten Kanzlei im Rathaus. Ein holzvertäfelter Saal, hohe Decken, tiefe Lederstühle. Dass ausgerechnet sie zu dieser Aufgabe gekommen ist, ist dabei reiner Zufall.

Nach dem Abitur macht sie ein Praktikum im Vermessungsamt. Ihre Berufsvorstellungen vage bis bunt: "Ich dachte vielleicht Grafik-Design, Goldschmiedin oder Krankengymnastin." Landkarten zu erstellen gefiel ihr so gut, dass sie später als Diplom-Ingenieurin der Kartografie in das Vermessungsamt der Stadt Düsseldorf zurückkehrte. Schon damals schreibt sie wie gedruckt.

Im November 1994 kündigt dann der Bundespräsident Roman Herzog seinen Besuch in der Landeshauptstadt an. Da die eigentliche Rathaus-Kalligrafin verhindert ist, beginnt die Suche nach einem Ersatz. Gerresheim, die nie einen Kalligrafie-Kurs besucht hat, springt ein. Sie macht die Aufgabe so gut, dass sie für die kommenden 30 Jahre den Job behält - neben ihrer Arbeit im Vermessungsamt.

Der letzte Einsatz

Wenn sie heute durch die Goldenen Bücher der Stadt blättert, bleibt sie immer wieder kurz an Eintragungen hängen. Wie die der japanischen Kaiserin und ihrer Tochter. "Deren Unterschriften in japanischen Schriftzeichen sind schon toll", schwärmt Gerresheim und streicht vorsichtig über die Papierseite. Auf einer anderen hat der Papst der Ostkirche Tawadros II. eine Friedenstaube gemalt und geschrieben "Love Never Fails".

Manche Unterschriften findet Irene Gerresheim besonders schön, wie die von Sophia Loren | Bildquelle: WDR

Gerresheim beginnt mit ihrem letzten Eintrag für das Goldene Buch. Buchstabe für Buchstabe schreibt sie fein säuberlich auf das Papier, fast tupfend.

Das exakte Schreiben erfordert volle Konzentration 00:39 Min. Verfügbar bis 08.01.2027

Bei diesem letzten Eintrag ist Gerresheim die Ruhe selbst. Von zittriger Hand keine Spur, die Schrift absolut akkurat. Am Ende steht in schönster Form für den israelischen Schriftsteller und Friedensaktivisten:

David Grossman
Verleihung des Heine Preises 2024
der Landeshauptstadt Düsseldorf

Die Tinte ist getrocknet. Fertig. Und jetzt? Irene Gerresheim schmunzelt: "Vielleicht mache ich mal einen Kalligrafie-Kurs."

Über dieses Thema haben wir auch am 30.12.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Düsseldorf, 19.30 Uhr.