Es raucht und zischt aus Klaras Schornstein. Temperatur und Druck im Kessel steigen. So langsam kommt Leben in die kleine Dampflok. Uli Bettenworth hat sein blau lackiertes Schätzchen aus dem Schuppen geholt und heizt es an - mit Anthrazitkohle und Wasser. Auch Freunde aus anderen Städten sind mit ihren Modelleisenbahnen nach Oberhausen gereist, um mit ihm gemeinsam zu schrauben und ein paar Runden zu drehen.
300 Meter Gleise im Garten verlegt
Wer durch das Tor des Mehrfamilienhauses in Oberhausen-Lirich kommt, ist überrascht. Hinter der Hofeinfahrt verbirgt sich ein Garten, der auf einer Fläche von 600 Quadratmetern alles zu bieten hat, was sich Bahnfreunde wünschen können: Stellwerkhaus, Signale, Kreuzungen, Schilder und einen Bahnhof.
300 Meter Gleise hat Bettenworth verlegt, die sich in zwei Achterrunden durch den Garten schlängeln. Sogar einen Tunnel und eine Brücke über einem Teich hat der 74-Jährige angelegt. "Schon als Kind habe ich von einer Dampfmaschine und so einer Anlage geträumt, hatte aber früher kein Geld dafür. Heute kann ich mir das Hobby leisten und als Rentner habe ich die Zeit dafür", sagt Bettenworth.
Als Rentner wird man wieder zum Kind
Bettenworth ist schon lange Rentner. Früher hat er als Rechtspfleger bei der Justiz gearbeitet, ein trockener Job. Dafür lebt er heute seinen Traum.
Mehr als 20.000 Euro hat Bettenworth für seine Klara bezahlt. 150 Kilogramm ist sie schwer, sieht man ihr aber nicht an. Sein teures Hobby teilt er gerne mit anderen, hauptsächlich mit seiner Männergruppe. Dazu gehört sein Freund Paul Gehrmann, den er seit mehr als 50 Jahren kennt. Der 74-Jährige ist mit seiner Lokomotive Pauline aus Mülheim angereist.
In einem schwarzen Einteiler putzt er die Rohre seiner kleinen Dampflok, Hände und Fingernägel sind schwarz von Kohle und Öl. "50 Jahre lang habe ich als Schornsteinfeger auf den Dächern gestanden. Wenn ich dreckig bin bis auf die Knochen, dann bin ich am glücklichsten", sagt er. Seitdem Gehrmann seine Minilok hat, sei sein Leben herrlich verrückt. "Als Rentner brauchst du nichts mehr, was vernünftig ist, es muss nur Spaß machen."
Viele Freunde und Nachbarn kommen zum Bahnfahren vorbei
Wenn Bettenworth und seine Freunde ihre Gartenbahnen einheizen, spricht sich das schnell herum in der Nachbarschaft. Vor allem die Kinder von nebenan und seine Enkelkinder, Neffen und Nichten kommen mit ihren Familien vorbei, um ein paar Runden mitzufahren. Ein reines Privatvergnügen.
Bis zu 25 Kinder zieht seine Dampflok manchmal durch den Garten und bringt locker 6 bis 7 km/h auf die Schiene. Damit nichts passiert, müssen sie immer in der Mitte der Waggons sitzen und ihre Füße auf die Kufen stellen. Auch Lokführer Bettenworth muss aufpassen. "Ich sage immer, ich hab die komplizierteste Privatbahn in Nordrhein-Westfalen. Hier hat man keine fünf Minuten Zeit zum Träumen. Ich fahre durch drei Kreuzungsbereiche, Tunnel und hier stehen fünf Signale, die die Lokführer steuern und das ist auch für mich manchmal schwer."
Und wenn Klara mal in einer engen Kurve entgleist, ist das auch kein Drama. Schnell ist sie wieder auf Spur gebracht und dreht ihre Runden, bis Lokführer Bettenworth mal eine Pause braucht. Dann kehrt er in seine selbst gebaute Gartenkneipe ein.
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 05.06.2023: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.