Heiner Jürgens steht hinter der Theke und zapft Bier.

Von der Urgroßmutter gerettet: Die älteste Brauerei in Westfalen

Warendorf | Heimatliebe

Stand: 23.04.2025, 06:42 Uhr

Die Brauerei "Stiefel Jürgens" in Beckum ist die älteste Brauerei Westfalens. Einen großen Anteil daran hat die resolute Urgroßmutter Maria Anna Elisabeth, die Bierhandwerk wichtiger als den Krieg fand.

Von Verena Köplin (Text) und Markus Schröder (Multimedia)

Der würzig-schwere Geruch von kochendem Malzsud hängt in der Luft. Warmer Dampf schlägt Braumeister Heiner Jürgens entgegen. Er bahnt sich mit einer weißen Kiste voller Hopfenblätter seinen Weg zwischen den großen, brodelnden Kesseln hindurch. Er strahlt Ruhe aus, als er mit festem Schritt zur Braupfanne hochsteigt. Dieses Handwerk braucht Geduld: Vier Wochen wird es dauern, bis das an diesem Tag gebraute Bier ausgeschenkt werden kann.

Stiefel Jürgens: Die letzte von einst 15 Brauereien in Beckum

Jürgens‘ in neunter Generation geführter Familienbetrieb Stiefel Jürgens in Beckum ist die älteste noch aktive Bierbrauerei Westfalens. Die einzige, die der Stadt noch geblieben ist. Dabei gab es früher einmal rund 15 Stück davon. Doch das Biergewerbe hat sich verändert: Heute bestimmen nur wenige Großbrauereien das Geschäft. Nicht nur in Beckum, sondern in ganz NRW schlossen unzählige kleine Brauereien. Umso stolzer ist der 57-Jährige auf die lange Geschichte seiner Brauküche. Bereits im 15. Jahrhundert wurde hier Bier hergestellt - nur im 30-jährigen Krieg legte die Brauerei eine Pause ein.

Heiner Jürgens über die bewegte Geschichte seiner Brauerei

00:26 Min. Verfügbar bis 23.04.2027

Es plätschert, dann strömt ein kräftiger Schwall goldig-brauner Flüssigkeit aus einem Rohr. Heiner Jürgens hat den Bierhahn aufgedreht. Auch bei der Ausrüstung der Hinterhofbrauerei mit ihren Kesseln und Rührlöffeln ist die Tradition spürbar. An der Wand des Gastraums hängt ein Stammbaum der vorherigen Brau-Generationen. Ohne den Ehrgeiz seiner Vorfahren - und einer im besonderen - gäbe es die Brauerei heute nicht mehr, ist sich Heiner Jürgens sicher.

Heiner Jürgens steht neben einem großen Kessel, in den Bier hineinfließt.

Heiner Jürgens in seiner Brauküche

Für den Ersten Weltkrieg wurden die Brauereien in Beckum aufgefordert, ihre kupfernen Braukessel für die Rüstungsindustrie abzugeben, berichtet er. Das hätte das Ende des Betriebs bedeuten können - wäre da nicht Jürgens‘ resolute Urgroßmutter Maria Anna Elisabeth gewesen.

Erster Weltkrieg nimmt Brauereien die Produktionsgrundlage

"Wie genau sie es geschafft hat, weiß keiner von uns", erzählt der Braumeister. "Aber meine Urgroßmutter hat sich standhaft geweigert, die Kessel herauszugeben. Und damit konnte hier später der Brauereibetrieb wieder aufgenommen werden, während die anderen Brauereien ihre Produktionsgrundlage verloren hatten."

Frauenpower, die, wenn es nach Heiner Jürgens geht, auch in der Zukunft weiter walten darf: Aktuell besucht Jürgens' Tochter eine Bierbrauermeisterschule. Er hofft, dass sie irgendwann den Betrieb übernimmt. Zwingen würde er sie aber nie, sagt er.

Wird Heiner Jürgens' Tochter die Brauerei übernehmen?

00:15 Min. Verfügbar bis 23.04.2027

Aktuell laufe das Geschäft gut, sagt Jürgens. Die ersten Stammkunden haben sich schon am Nachmittag mitsamt Kartenspiel am Tisch neben der Tür gesetzt. Über ihnen an der Wand hängt der eingerahmte Stammbaum. Vor ihnen auf dem Tisch stehen bereits die zylindrischen Gläser mit frisch gezapftem Bier.

Wie schmeckt das Bier im Vergleich?

Neben dem klassischen Stiefel-Bier, einem obergärigen Hellem, gibt es mittlerweile vier weitere Sorten: ein Pils, ein Ur-Alt und zwei saisonale Varianten. 400 bis 500 Hektoliter davon werden insgesamt jährlich produziert. Ausgeschenkt wird fast ausschließlich im eigenen Gasthaus. Nur einen kleinen Außer-Haus-Verkauf von Partyfässern gibt es.

Vier Stammgäste sitzen im Gastraum der Brauerei "Stiefel Jürgens" und trinken Bier, während sie Karten spielen. Zwischen ihnen steht ein liebevoll verzierter Tisch.

Die Stammkunden sind zufrieden mit dem Stiefel-Bier

Die Stammgäste sind sich jedenfalls einig: Das Bier der Brauerei ist schon etwas Besonderes. Denn: "Das Bier, so wie es heute industriell gebraut wird, schmeckt natürlich anders. Hier nimmt man sich ja wochenlang Zeit dafür", sagt einer der Karten-Kumpel und wirft ein Ass ab. "Das hier ist eben Handarbeit. Das ist etwas ganz Anderes."  

Über dieses Thema berichten wir auch am 23.04.2025 im WDR Fernsehen: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.