
Zeit schenken: Rentner unterstützt Familie mit schwerkrankem Kind
Stand: 19.04.2025, 09:04 Uhr
Hubert Fenke engagiert sich seit zwei Jahren für den Kinder- und Jugendhospizdienst im Kreis Warendorf. Einmal in der Woche besucht er Familie Brassler und kümmert sich um den schwerstkranken Emil. Was das Ehrenamt dem 66-Jährigen gibt und was seine Hilfe für die Familie bedeutet.
Von Nicole Albers
"Nein, nicht die Brille, heute habe ich die gute auf", sagt Hubert Fenke und hebt Emil Brassler aus seinem Rollstuhl. Dabei hält der 66-Jährige die Hand des Jungen fest, denn Emil liebt Brillen und greift gerne mal beherzt zu. Fenke legt ihn auf eine Matratze im Wohnzimmer und setzt sich neben ihn. Verschiedene bunte Spielsachen liegen auf dem Boden verteilt. "Schau mal hier, Emil." Fenke reicht dem Jungen ein kleines Auto, das laut tutet und blinkt, denn Emil reagiert besonders auf Geräusche und Lichter.
Der 8-Jährige leidet an dem 1p36-Deletionssyndrom - ein sehr seltener Gendefekt. Er ist körperlich und geistig behindert, kann weder sprechen noch laufen und ist rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. "Emil hat autistische Züge, man weiß nie so genau, was gerade in ihm vorgeht. Manchmal ist er in einem Moment sehr zufrieden und lacht, und im nächsten Moment fängt er an zu weinen, ohne, dass sich irgendwas an der Situation geändert hat. Man muss schon die ganze Zeit sehr aufmerksam sein", sagt Fenke. Seit zwei Jahren besucht der Rentner ehrenamtlich für ein paar Stunden pro Woche Emils Familie in Everswinkel.
Hubert Fenke über seine Motivation
00:23 Min.. Verfügbar bis 19.04.2027.
In diesen Stunden gehen Emils Eltern arbeiten oder kümmern sich um die vielen Termine, die so anfallen. Zu tun gibt es genug, denn Emil hat noch drei weitere Geschwister. "Die Familie ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich bekomme so viel Dankbarkeit zurück", sagt Fenke. "Zu wissen, dass ich wirklich helfen kann, das gibt mir ganz viel."
Kinder- und Jugendhospizdienst sucht Ehrenamtliche
Fenke ist einer von insgesamt 17 Ehrenamtlichen, die für den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst im Kreis Warendorf im Einsatz sind. Sie unterstützen zurzeit etwa 30 Familien mit Kindern, die an einer schweren und häufig lebensverkürzenden Krankheit leiden. Über Monate werden sie intensiv darauf vorbereitet. Doch der Verein stellt fest, dass es immer schwieriger wird, Leute zu finden.
Über die Gründe kann Vereinskoordinatorin Martina Abel nur mutmaßen. "Vielleicht schreckt viele die Verbindlichkeit ab, denn natürlich brauchen die Familien Unterstützung von Menschen, auf die Verlass ist." Wem das zu zeitintensiv ist, könne aber auch in anderen Bereichen helfen, "etwa bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei Elterngruppen und bei Vorträgen." Das gehe auch andernorts, betont Abel. Der Kinderhospizverein hat bundesweit mittlerweile 30 Standorte. Zurzeit begleiten etwa 1500 Ehrenamtliche rund 800 Familien.
Kostbare Zeit zum Auftanken
Wie wertvoll diese Arbeit ist, zeigt sich bei Familie Brassler. Während der Besuche von Fenke können sich Emils Eltern um die vielen anderen Aufgaben kümmern, die im Alltag anfallen. Heute aber nutzen die beiden die Zeit für Emils Geschwister. Annika Brassler sitzt zusammen mit Tochter Inez in der Küche und plaudert entspannt bei einer Tasse Kaffee, während ihr Mann Oliver Brassler mit Emils Brüdern Levi und Jona Lego spielt.
Annika Brassler über die wertvolle Unterstützung durch Hubert Fenke
00:41 Min.. Verfügbar bis 19.04.2027.
"Das sind so kostbare Stunden, wenn Hubert da ist", erzählt der Familienvater. "Da tanken wir richtig auf, und das ist wichtig, damit wir auch psychisch gesund bleiben. Davon hat auch Emil viel, dass er Eltern hat, denen es nicht bis hier oben steht." Seine Frau sieht das genauso: "Ehrlich gesagt, ist Hubert bei uns gar nicht mehr wegzudenken. Er ist so ein toller Mensch und irgendwie gehört er schon zur Familie."
Über dieses Thema haben wir auch am 12.03.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.