Seniorinnen auf Mission Dialekt-Rettung: "Alle küert wi Platt"

Borken | Ehrenamt

Stand: 23.07.2024, 08:37 Uhr

Immer weniger Menschen können Plattdeutsch. Dabei sind ältere Generationen noch damit aufgewachsen. In Eggerode wollen vier Frauen mit einem Kurs für Kita-Kinder verhindern, dass ‘Platt’ in ihrem Ort ausstirbt.

Von Brigitte Lieb

"Ick küer Platt, du küers Platt, alle küert wi Platt", singen Monika Roters und ihre drei ehrenamtlichen Kolleginnen zusammen mit den Kindern aus dem St. Marien-Kindergarten. Alle sitzen in einem Stuhlkreis. Die Melodie kommt vom Kinderlied "Hänschen klein", den Text haben sich die vier Frauen ausgedacht. "Küren" bedeutet auf Hochdeutsch "sprechen".

Beim gemeinsamen Singen sollen die Kinder spielerisch "Platt" lernen 00:08 Min. Verfügbar bis 23.07.2026

In NRW gibt es laut Landschaftsverband Rheinland etwa elf bis zwölf regionale Dialekte. Ostbergisch, Kleverländisch oder die westfälische Mundart Münsterländer Platt zum Beispiel. Genau diesen Dialekt lernen auch die Kinder in der Kita in Eggerode. Er ist vor allem rund um Münster bis zur nordrhein-westfälischen Landesgrenze im Norden und der Lippe im Süden verbreitet. Aber es gibt ein Problem.

Kinder lernen schnell

"Hier wird nur noch sehr wenig Plattdeutsch gesprochen, obwohl die Eltern und Großeltern das alle können", sagt Roters. Deshalb kommen sie und drei weitere Rentnerinnen fast jede Woche in die Kita, um mit den Kindern Plattdeutsch zu lernen. Im Oktober vergangenen Jahres haben sie mit dem einstündigen Kurs angefangen. Zehn Mädchen und Jungen machen regelmäßig mit. Roters freut sich über die schnellen Lernfortschritte.

Monika Roters über Lernfortschritte 00:12 Min. Verfügbar bis 23.07.2026

Diesmal wiederholen sie Tiernamen. Ein Jutebeutel gefüllt mit Spielfiguren geht herum. Jedes Kind soll eine herausnehmen. Wer weiß, wie das Tier auf Plattdeutsch heißt, ruft es in die Runde. Die fünfjährige Edda greift in den Beutel und holt eine Schafsfigur heraus. Ziemlich schnell sagt sie dann selbstsicher "Schoap".

"Kinder haben immer seltener Kontakt"

Ehrenamtlerin Roters strahlt bei der richtigen Antwort. Plattdeutsch ist die Muttersprache der 74-Jährigen. Hochdeutsch hat sie erst in der Schule gelernt. Umso wichtiger ist es ihr, ihre Sprachkenntnisse an die nachkommenden Generationen weiterzugeben.

Wie verbreitet ist "Platt"?

Das Institut für Niederdeutsche Sprache hat 2016 eine repräsentative Umfrage durchgeführt, in der es um die Verbreitung von Plattdeutsch in Westfalen und weiteren Teilen Norddeutschlands geht. Demnach haben rund 16 Prozent der Menschen gute bis sehr gute Plattdeutsch-Kenntnisse, 42 Prozent sprechen die Sprache gar nicht.

Dass ehrenamtliche Projekte wie das der vier Frauen aus Eggerode helfen können, die Sprache am Leben zu erhalten, bestätigt Heiko Block vom Institut für Niederdeutsche Sprache: "Kinder haben in der Familie immer seltener Kontakt zum Plattdeutsch. Deshalb werden Kindergärten und Schulen für den ersten Kontakt immer wichtiger."

Neben den Übungen im Stuhlkreis tanzt die Gruppe gemeinsam zu einem plattdeutschen Kinderlied, malt Bilder oder wiederholt die Zahlen von eins bis zehn. Die Abwechslung während des Kurses sei wichtig, um die Konzentration aufrecht zuhalten, meint Roters. Lernerfolge kämen dann fast von allein.

Lernen mit Bewegung: Durch die Abwechslung soll das Lernen Spaß machen | Bildquelle: WDR / Brigitte Lieb

Für das kommende Kita-Jahr planen die Frauen erneut einen Plattdeutsch-Kurs für Kinder. "Wir hoffen, dass wir nach den Sommerferien noch mehr Kinder dazu inspirieren können, mitzumachen", so Roters. Erste Anfragen von Eltern gibt es laut Kitaleitung schon.

Über das Thema haben wir am 01.07.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.