Drei Jahre nach der verheerenden Flutnacht spazieren Bärbel Mentis (Name von der Redaktion geändert) und Roy Mondry durch einen Park in Euskirchen. Ganz in der Nähe probt Mentis später mit ihrem Chor. Das Singen gibt ihr Halt, seit der - wie sie sagt - Nahtoderfahrung der Flutnacht. Mondry möchte heute bei einer Generalprobe dabei sein. Sie lachen viel und wirken vertraut. Bei einer kleinen Brücke halten sie kurz und schauen runter auf den schmalen Fluss, der so harmlos daher plätschert, als hätte es die Flut nie gegeben. 135 Menschen kommen dabei ums Leben. Mentis hätte eine davon sein können, wäre nicht Mondry gewesen.
Mondry hilft in der Flutnacht
Es ist der 14. Juli 2021, als in Euskirchen aus kleinsten Flüssen reißende Wassermassen werden. Mondry, Hauptbootsmann bei der Bundeswehr, verlässt nach Dienstende die Kaserne in Rheinbach und merkt: Draußen geht die Welt unter. Der damals 40-Jährige zögert keinen Moment. "Poncho drüber gezogen, und dann bin ich losgefahren und wollte schauen, wo ich unterstützen kann", sagt Mondry.
Die Polizei schickt ihn an eine einsame Landstraße, die gefährlich geflutet ist. Zwei Männer stehen dort völlig geschockt und gucken in Richtung Feld. Sie sehen ein Auto, das dabei ist, unterzugehen. Im Auto kämpft Bärbel Mentis ums Überleben. Das Wasser der überschwappenden Steinbachtalsperre hat sie erfasst. Schnell steht das Wasser bis zum Lenkrad, die Autotüren lassen sich nicht mehr öffnen.
Mondry zieht sie aus den Fluten
Bärbel Mentis befreit sich durch das Beifahrerfenster und versucht gegen die starke Strömung das Ufer zu erreichen. Sie muss einen hunderte Meter breiten Fluss überwinden, der vorher nicht da war. Sie ist kraftlos und ruft um Hilfe. "Dann habe ich ihn gesehen", erinnert sie sich heute. Mondry ist für Krisensituationen ausgebildet. "Ich hab einfach angefangen zu funktionieren", sagt er.
Mondry zieht Bärbel Mentis aus den Fluten und bringt sie zu seinem Wagen. Er fragt Mentis, ob sie vorne oder hinten sitzen möchte. Und sie sagt, ohne lange nachzudenken: "Ich möchte vorne bei Ihnen sitzen."
Mondry besteht darauf, dass Mentis mit in die Kaserne kommt und dort einen Arzt sieht. Der erkennt einen stressbedingten Herzinfarkt. Damit hat Mondry Bärbel Mentis zum zweiten Mal an einem Tag das Leben gerettet. Heute lachen sie darüber, dass Mentis dann noch Tage in seinem Bundeswehrjogginganzug auf der Intensivstation lag. Für seinen Mut erhält Mondry das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. Bärbel Mentis ist natürlich dabei, als es ihm feierlich angesteckt wird.
Dass sie sich wiedersehen wollen, machen sie schon am ersten Abend aus. Aber wie es sich entwickeln würde, das war nicht absehbar. "Es passte einfach", sagt Mondry.
Schnell sind die beiden per Du. Bei den ersten Treffen reden sie viel von der Flut. Dass Bärbel Mentis einige Jahre älter ist, als Roy Mondry spielt keine Rolle, denn vom ersten Moment an spüren beide großes Vertrauen.
Bärbel und Mondry werden Freunde
Heute ist Mondry viel mehr als ihr Lebensretter, er ist ein Freund. Mondry bezeichnet Bärbel Mentis als "seinen Schicksalsmensch". Wenn sie sich treffen, gehen sie gerne gemeinsam essen. So machen sie es auch an ihrem Jahrestag: dem 14. Juli.
An diesem Tag begleitet Mondry Bärbel Mentis zur Generalprobe ihres Chors. Er wollte schon immer einmal zuhören. "You Raise Me Up" singen sie. "Ich bin stark, wenn ich auf deiner Schulter stehe". Ein schönes Lied, um ihre Freundschaft zu feiern. Mentis schaut zu Mondry und er zeigt grinsend auf seinen Arm und gibt ihr zu verstehen, dass er Gänsehaut hat.
Über dieses Thema haben wir auch am 07.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.