Golnaz Jabbar Zadegan steht lächelnd hinter dem Tresen ihres Cafés.

Alles für Lida: Warum Golnaz Zadegan ein inklusives Café eröffnet hat

Rhein-Sieg-Kreis | Füreinander

Stand: 11.02.2025, 07:53 Uhr

Mit einem inklusiven Café in Hennef hat Golnaz Jabbar Zadegan einen Ort geschaffen, an dem sich alle akzeptiert fühlen sollen. Doch der Weg dahin war schwer. Sie hat ihn auf sich genommen, um vor allem eine Person glücklich zu machen: ihre Schwester Lida.

Von Alina Eckelmann

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Das inklusive Café

"Das Café ist mein Herz und mein Blut", sagt Golnaz Jabbar Zadegan. Dabei hätte sie noch vor nicht allzu langer Zeit niemals gedacht, dass sie jemals Cafébetreiberin sein würde.

Vor anderthalb Jahren hat Jabbar Zadegan "Goldis Stadt Café" eröffnet, direkt im Herzen von Hennef. Ein inklusives Café, in dem nicht nur alle Menschen als Besucher willkommen sind, sondern auch als Mitarbeitende. Mittlerweile besteht das Team aus insgesamt 19 Menschen. Einige von ihnen haben eine Behinderung, andere lernen noch Deutsch, auf wieder andere trifft nichts davon zu. Hier arbeiten sie Seite an Seite, um Kaffee, Frühstücksplatten oder Sandwiches zu servieren.

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Ein inklusives Konzept wie dieses ist in NRW noch selten. Die aktuellsten Zahlen dazu stammen vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales aus dem Jahr 2022. Damals gab es im gesamten Bundesland rund 300 Unternehmen, die schwerbehinderte Menschen eingestellt haben. Darunter das Flussbett Hotel in Gütersloh. Laut Statistischem Landesamt NRW waren im selben Jahr insgesamt rund 660.000 Unternehmen in NRW aktiv.

Heute gehört Jabbar Zadegan eines dieser wenigen Unternehmen. Aber wieso stellt sie sich dieser Aufgabe?

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Unzertrennliche Schwestern

Das liegt an ihrer Schwester Lida. Jabbar Zadegan hat sieben Geschwister. Doch die 18 Jahre ältere Lida steht ihr von Anfang an besonders nah. Gemeinsam wachsen sie im Iran auf. Als Jabbar Zadegan auf die Welt kommt, ist ihre Schwester bereits schwer an einer Hirnhautentzündung erkrankt.

Lida wird wieder gesund, jedenfalls fast. Die linke Hand bleibt gelähmt, Treppensteigen fällt ihr schwer, weil sie das Geländer nicht greifen kann. Lida muss starke Tabletten nehmen. Tut sie das nicht, ist sie durcheinander, merkt nicht, wo sie hingeht. "Sie war zum Beispiel einmal in einem Reisebüro, aber wusste nicht, warum. Eine Frau hat sie dort nach ihrem Pass gefragt, und sie hat auf einmal gemerkt: Was mache ich hier?", sagt Jabbar Zadegan.

v l. Lida und Golnaz Jabbar Zadegan. Die Schwestern sitzen nebeneinander Arm in Arm.

Golnaz Jabbar Zadegan zusammen mit ihrer Schwester Lida

Aber das sind längst nicht alle Erinnerungen, die sie an ihre Schwester hat. Jabbar Zadegan erinnert sich auch daran, wie ihre ältere Schwester mit ihr mit Puppen gespielt hat. Oder daran, wie sie gemeinsam heimlich eine Party geschmissen haben, als sie für eine Weile allein in ihrem Elternhaus in Teheran waren.

In dieser Zeit merkt Jabbar Zadegan, dass sie und Lida nicht gleich behandelt werden. Sie wird beachtet, wird zu Treffen eingeladen. Ihre Schwester nicht. Und wenn, nehmen sie die Leute kaum wahr. "Das hat mich gestört", sagt sie. Aus diesem Gefühl entsteht ein festes Ziel: Sie möchte einen Ort der Akzeptanz schaffen für Menschen mit Behinderung, einen Ort, an dem sich Lida wohlfühlen würde.

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Von der Vision zur Realität

Es wird mehr als 30 Jahre dauern, bis sie dieses Ziel erreicht. Mit 16 verlässt Jabbar Zadegan ihr Zuhause, um nach Deutschland zu gehen. Ihre Eltern machen sich Sorgen um sie, weil im Iran zu diesem Zeitpunkt Krieg herrscht. Lida kann nicht mitkommen, weil sie auf Hilfe angewiesen ist. Jabbar Zadegan zieht zu ihrer Tante nach Köln. In ihrer Tasche sind nur 200 D-Mark. Sie fühlt sich einsam in dem fremden Land, dessen Sprache sie kaum spricht. Doch sie hält durch, macht einen Job nach dem anderen. Am Anfang montiert sie Schiebedächer für Autos, dann ist sie Verkäuferin, selbstständige Kaufhaus-Detektivin und später Personenschützerin. Immer begleitet von Lida, mit der sie fast täglich telefoniert.

Mit 51 Jahren beschließt Jabbar Zadegan, alles auf eine Karte zu setzen. Wenn sie es jetzt nicht macht, macht sie es gar nicht mehr, denkt sie. Mittlerweile arbeitet sie beim Ordnungsamt der Stadt Hennef. Und mittlerweile weiß sie, wie sie ihren Wunsch umsetzen will: ein inklusives Café. Zuerst eröffnet sie "Goldis Garten Café" in Siegburg, ein kleines Café, um sich auszuprobieren. Dann folgt wenige Monate später "Goldis Stadt Café" in Hennef auf zwei Stockwerken samt großem Umbau.

In Hennef kostet sie ihre Idee rund 100.000 Euro mehr als erwartet - das liegt an den vielen kleinen Dingen, die neu gemacht werden müssen, aber auch an der barrierefreien Toilette und dem Architekten, der auf Barrierefreiheit spezialisiert ist. Dafür muss sie zweimal einen Kredit aufnehmen.

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Das Café hat sich mittlerweile in Hennef etabliert, die Tische sind meist gut gefüllt. Stammgäste berichten, wie herzlich sie die Stimmung hier finden, manche von ihnen werden mit Umarmung begrüßt. Ihren Job bei der Stadt hat Jabbar Zadegan trotzdem noch, ihr Leben könnte sie nicht mit den Cafés finanzieren.

Gelohnt haben sich die Mühen spätestens, als Lida vor einigen Wochen aus dem Iran zu Besuch ist und "Goldis Stadt Café" besucht. "Das habe ich als kleine Schwester gemacht", sagt Jabbar Zadegan. "Sie weiß, dass dieses Café nur wegen ihr existiert."