Eine Frau läuft einer anderen freudig die Treppe entgegen

Euro? Überbewertet! Wie in Engelskirchen Hilfe zur Währung wird

Oberbergischer Kreis | Füreinander

Stand: 21.02.2025, 12:32 Uhr

Währungskrise? Nicht in Engelskirchen! Hier zahlt man mit Freundlichkeit und verdient virtuelle Engeltaler. Und die sind quasi inflationssicher. Warum das Tauschsystem immer mehr Anhänger findet und wie es genau funktioniert.

Von Daniel Gowitzke

Tanja Langhein greift zur Hunde-Leine. Sie holt Hund Lucky bei ihrer Nachbarin Stefanie Gräfe ab. Die beiden wirken eingespielt, dabei kennen sie sich erst seit wenigen Wochen. "Ich bin froh, dass Tanja mir heute den Hund abnehmen kann", sagt Gräfe. Sie selbst hat heute für einen ausgedehnten Spaziergang mit ihrem Hund keine Zeit. Langhein wird für das Hundesitting sogar bezahlt. Allerdings bargeldlos und nicht in Euro. Denn einige Engelskirchener haben ein eigenes Geldsystem für nachbarschaftliche Hilfe geschaffen: den Engeltaler.

Engelskirchen: Ein Tauschring für mehr Miteinander

Erfunden hat den Engeltaler Initiatorin Claudia Benner. Er funktioniert wie ein Tauschsystem. Wer jemand anderem hilft, bekommt dafür virtuelle Engeltaler. Die kann derjenige wiederum anderen für ihre Hilfe anbieten. Egal ob für Autofahrten, handwerkliche Arbeiten, Babysitting oder Hilfe am Computer. Eine Stunde Arbeit entspricht dabei etwa 20 Engeltalern. Wer neu einsteigt, bekommt einen Startbonus von 10 Talern. Das Prinzip ist nicht neu, doch in Engelskirchen erlebt es gerade einen besonderen Aufschwung. "Mit unserem Tauschring kann sich jede und jeder einbringen, unabhängig von Einkommen oder Beruf", erklärt Benner.

Claudia Benner erzählt, wie sie auf die Idee mit dem Tauschring gekommen ist

00:37 Min. Verfügbar bis 21.02.2027

Die Idee der Tauschsysteme gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Bundesweit gibt es über 300 solcher Initiativen. Auch in NRW existieren bereits dutzende Tauschkreise, zum Beispiel bei den Öcher Frönnden in Aachen. Doch Engeltaler gibt es nur in Engelskirchen. Möglich gemacht hat das Projekt eine finanzielle Förderung des Landes für Projekte gegen Einsamkeit. Inzwischen tauschen rund 20 Mitglieder regelmäßig ihre Dienstleistungen untereinander aus.

Wie du mir, so ich dir

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder im Café Siebzehn61. Lautes Stimmengewirr erfüllt den Raum. Neben Claudia Benner, ist unter anderem auch Hunde-Besitzerin Stefanie Gräfe gekommen. Gräfe schraubt gerade eine Flasche Massage-Öl auf. Um ein paar Engeltaler für ihr Konto zu verdienen, bietet sie hier Handmassagen an. "Ich helfe mit Massagen, backe Torten und Kuchen oder gestalte Pralinen für andere. Meine verdienten Engeltaler nutze ich dann für Gartenarbeit oder für Hundesitting. Das ist eine echte Win-win-Situation", sagt die gelernte Konditorin.

Stefanie Gräfe ist gelernte Konditorin, ihre Kuchen sind im Tauschring gefragt

00:16 Min. Verfügbar bis 21.02.2027

Auf der Internetseite des Tauschrings Engelskirchen werden inzwischen mehr als 50 verschiedene Tätigkeiten angeboten oder nachgefragt. Im Tauschringbüro wird dabei genau festgehalten, wie viele Taler auf jedem Konto sind. Wer nachschauen will, prüft einfach seinen Kontoauszug. Für viele Teilnehmer geht es aber nicht nur um Hilfe im Alltag, sondern vor allem um das Miteinander. "Ich fühle mich gebraucht", erzählt eine Teilnehmerin im Café Siebzehn61. Sie bietet gerne Autofahrten für Menschen an, die selbst keinen Führerschein besitzen.

Auch außerhalb von Engelskirchen stößt das Projekt auf Interesse. "Wir haben bereits Anfragen aus Nachbarorten erhalten", sagt Benner. Langfristig könnte das Modell auf andere Gemeinden in NRW ausgeweitet werden. "Warum sollte so etwas nicht überall funktionieren?"

Über dieses Thema haben wir am 04.02.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.