
Wenn das Kind suchtkrank ist: So helfen betroffene Eltern einander
Stand: 11.03.2025, 16:14 Uhr
Die Sucht ihrer 17-jährigen Tochter brachte Ramona Müller an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Hilfe fand sie bei anderen Eltern. Wie eine Initiative ihr den Weg aus der Verzweiflung zeigte.
Von Daniela Bamberger
"Ich habe mich so alleingelassen gefühlt", sagt Ramona Müller. Die 47-Jährige hat fünf Kinder in einer Patchworkfamilie. Wegen der Suchterkrankung ihrer 17-jährigen Tochter Mia Marie hat sie in den vergangenen zwei Jahren viele psychische Tiefs durchgemacht. "Gerettet" hat sie schließlich der Kontakt zur Selbsthilfeinitiative "Eltern suchtkranker Kinder".
Müller kommen immer noch die Tränen, wenn sie davon erzählt: Wie es war, das erste Mal zu einem Treffen der Selbsthilfeinitiative zu gehen und von sich und all den Gefühlen zu sprechen. "Da waren plötzlich Menschen, die mich verstehen", sagt sie. Menschen, die ihre Verzweiflung, ihre Ängste, ihre Scham kannten und nachvollziehen konnten - und auch ihre Schuldgefühle wegen der Suchterkrankung ihres Kindes.
Ramona Müller über ihren ersten Besuch bei der Selbsthilfegruppe
00:28 Min.. Verfügbar bis 11.03.2027.
Dort, erzählt sie, sprach sie dann auch diesen einen schlimmen Satz aus: "Ich fühle gerade keine Liebe mehr für meine Tochter." Ein Satz, der sie selbst erschreckte und doch wahr war.
Mit 15 Jahren in die Sucht
In NRW gibt es laut Gesundheitsministerium mehr als vier Millionen suchtkranke Menschen. Die meisten konsumieren legale Drogen wie Alkohol und Tabak. Weniger als ein Prozent der suchtkranken Menschen ist von illegalen Drogen abhängig. Mia Marie gehört zu der zweiten Gruppe. Mit fünfzehn Jahren offenbarte sie ihrer Mutter, dass sie suchtkrank ist. Mia Marie hatte zuvor auf eigene Faust eine Therapeutin aufgesucht und ihr erzählt, wie es ihr geht, dass sie regelmäßig unterschiedliche Drogen konsumiere. Daraufhin machte die Therapeutin ihr klar, dass ihre Eltern die Lage dringend kennen sollten. Denn Mia Maries Leben sei durch die Drogen in Gefahr.
Verständnis statt Druck
Als Müller von den Drogenproblemen ihrer Tochter erfuhr, reagierte sie zunächst fast gelassen. Doch die Stimmung schlug schnell um und Müller wollte einfach nur, dass "es weggeht, dass es aufhört". Das Mittel der Wahl hieß jetzt: Druck machen. Zusammen mit Mia Maries Vater wollte sie ihre Tochter "wegsperren" und in eine Entzugsklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie bringen. Oder in ein Heim.
Mia Marie Müller erzählt, wie sie die Bemühungen ihrer Mutter empfunden hat
00:33 Min.. Verfügbar bis 11.03.2027.
Gleichzeitig suchte Müller aber weiter im Netz nach Hilfe und stieß dann auf die Elterninitiative. Dort erfuhr sie, dass es in ihrer Lage hilfreich ist, mit Verständnis und Nachfragen anstatt mit Druck zu reagieren. Miteinander ins Gespräch zu kommen, sei wesentlich für eine Verbesserung der Lage.
Gesellschaftliche Anforderungen belasten
Laut NRW-Gesundheitsministerium ist Sucht kein Randgruppen-Problem, sondern betrifft alle Schichten und Altersgruppen. Gesundheitsministerin Barbara Steffens sagte auf einer Fachtagung in Mülheim an der Ruhr: "Die suchtfreie Gesellschaft bleibt eine Illusion, aber wir müssen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kritisch hinterfragen, die Suchterkrankungen fördern." Damit meinte sie etwa die Tendenz zu "Höher-Schneller-Weiter". Aber auch familiäre Hintergründe spielen häufig bei Suchterkrankungen eine Rolle.
Neues Lebensgefühl
Auch wenn Mia Marie ihre Suchterkrankung noch nicht überwunden hat, geht es ihr inzwischen viel besser. So wie der ganzen Familie.
Ramona Müller erzählt, was der Besuch der Selbsthilfegruppe verändert hat
00:19 Min.. Verfügbar bis 11.03.2027.
Mia Marie fühlt sich wieder gesehen und auch geliebt von ihrer Mutter. Sie empfindet den Einfluss der Elterninitiative fast als lebensrettend für sich. Und sie hat wieder eine Perspektive, sagt sie: "Ich weiß, es lohnt sich zu leben, weil meine Mama mir das Gefühl gibt, dass es sich lohnt zu leben."
Über dieses Thema haben wir auch am 24.01.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.