Rita Stoll, eine Frau mit kurzen Haaren und Brille, im Portrait

Dortmund: Wie gemeinsames Essen gegen Einsamkeit im Alter hilft

Dortmund | Füreinander

Stand: 12.04.2025, 15:12 Uhr

Einsamkeit betrifft viele, besonders im Alter. In Dortmund setzt ein Bürgerhaus auf warme Mahlzeiten und Gespräche. Das Projekt "Gemeinsam isst man weniger allein" bringt Menschen an einen Tisch - und aus der Isolation.

Von Yunus Gündüz, (Text) und Olaf Tack (Multimedia)

Plötzlich war Rentnerin Rita Stoll ganz allein. Nach der Trennung von ihrem Mann nach dreißig Jahren Ehe musste sie umziehen, dann zog ihre Tochter vor zwei Jahren aus der gemeinsamen Wohnung aus. "Ich bin in ein soziales Loch gefallen und gar nicht mehr vor die Tür gegangen", erzählt die Rentnerin. Aus diesem Loch hat sie sich herausgekämpft. Geholfen hat ihr dabei ein ungewöhnliches Angebot in Dortmund: Im Bürgerhaus Pulsschlag kommen regelmäßig einsame Menschen zusammen, um gemeinsam zu essen. Vor Rita Stoll steht bereits ein Teller Grünkohl mit Kartoffeln.

Wie empfinden die Besucher das Angebot im Bürgerhaus in Dortmund?

00:24 Min. Verfügbar bis 12.04.2027

Dortmund: Gemeinsam essen und quatschen gegen die Einsamkeit

Seit Jahresanfang kochen Ehrenamtliche einmal im Monat bei der Veranstaltung "Gemeinsam isst man weniger allein" für einsame Menschen in Dortmund-Dorstfeld und Umgebung. Zwei Euro kostet das Mittagessen inklusive Dessert. Die Besucher kommen währenddessen ins Gespräch und knüpfen neue Kontakte. Einsamkeit ist dabei längst keine Randerscheinung mehr. Laut dem Einsamkeitsreport der Techniker Krankenkasse von 2024 fühlen sich sechs von zehn Menschen in NRW mindestens gelegentlich bis ständig einsam. Seit der Corona-Pandemie betrifft dieses Gefühl auch vermehrt junge Menschen.

Einige Zeit bevor Rita Stoll ihren Grünkohl isst, stellt Ehrenamtlerin Sandra Giebel bereits ein paar Blumen auf die Tische im Bürgerhaus. Anschließend zieht sie die rote Schürze über und schält Kartoffeln. Weil sich niemand anmelden muss, ist es für die Ehrenamtlichen nicht immer einfach abzuschätzen, wie viel Essen sie vorbereiten müssen. An diesem Tag kommen mehr als 60 Besucher. Die meisten von ihnen sind ältere Menschen und Rentner. Ehrenamtlerin Giebel freut sich, dass das Angebot so gut wahrgenommen wird. Doch sie sorgt sich auch um diejenigen, die noch einsam zu Hause sitzen.

Ehrenamtlerin Sandra Giebel sorgt sich um einsame Menschen

00:54 Min. Verfügbar bis 12.04.2027

Vor allem ältere Alleinlebende sind laut Einsamkeitsreport besonders gefährdet. Ihnen fehlt häufig das soziale Netz, um in schwierigen Phasen aufgefangen zu werden. Auch Armut kann zu einem höheren Risiko führen.

Aufnahme von der Veranstaltung "Gemeinsam isst man weniger allein". Zahlreiche Menschen sitzen an Tischen im Bürgerhaus Pulsschlag, essen gemeinsam und unterhalten sich.

Die Veranstaltung ist gut besucht

Rita Stoll kennt das nur zu gut, sie ist gleich mehrfach betroffen: "Die Rente reicht vorne und hinten nicht." Während ihr Mann arbeitete, blieb sie zu Hause und kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt. "Wir wurden ja früher nicht gefragt, sondern waren abhängig von unseren Ehemännern", sagt sie. Fast zwei Stunden schon unterhält sich Stoll mit den anderen Senioren am Tisch. Menschen, die im Alltag Fremde waren, werden jetzt zu bekannten Gesichtern. Stoll hat wieder Anschluss in ihrer Nachbarschaft gefunden.

"Es haben sich schon richtige Freundschaften gebildet"

Während ein konstantes Murmeln den Raum erfüllt, bringt Ehrenamtlerin Sandra Giebel gegen Ende der Veranstaltung noch den Nachtisch aus der Küche zu den Tischen. "Es könnte nicht besser laufen. Die Leute quatschen, so wie wir es gern hätten", sagt sie und guckt zufrieden durch den Raum.

Sandra Giebel über neue Freundschaften

00:28 Min. Verfügbar bis 12.04.2027

Auch Sabrina Janz freut sich über den Erfolg. Sie ist Einsamkeitsbeauftragte der Stadt Dortmund und damit die erste Beauftragte einer Kommune deutschlandweit. Ihr ist es wichtig, solche niedrigschwelligen Angebote zu schaffen und Lücken in der Versorgung zu füllen: "Es kann uns allen passieren. Wir müssen die Leute wieder abholen, bevor die Einsamkeit chronisch wird."

Über dieses Thema haben wir auch am 11.03.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.