
Wie ein Tischler aus Bonn Grundschüler fürs Handwerk begeistern will
Stand: 16.04.2025, 12:28 Uhr
In einer Tischlerei in Bonn dürfen regelmäßig Grundschulkinder selbst mit Säge und Hobelmaschine arbeiten. Tischler Tobias Gregor will damit früh Interesse am Handwerk wecken. Denn vielen Betrieben fehlt der Nachwuchs.
Von Marc-Andre Schröter
Ein kerniger Geruch liegt in der Luft. In der großen Werkshalle liegt überall Holz. Große Kreissägen, Hobel- und Schleifmaschinen stehen auf zwei Etagen verteilt. Tischlermeister Tobias Gregor und sein Azubi Justus Kötter beugen sich um die Geräte, um sie vom Strom zu trennen. Gleich kommen rund 25 Grundschüler. "Die Startknöpfe der Maschinen sind genau auf Kinderhöhe, wir gehen lieber auf Nummer sicher", sagt Gregor. Seine kleinen Gäste dürfen sich hier gleich frei bewegen und sollen dabei ein Spiel mit Holzwürfeln bauen.
Warum Grundschüler Tobias Gregors Betrieb übernehmen dürfen
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Die Begeisterung, die Gregor für das Handwerk wecken will, hat die Branche dringend nötig. Stichwort: Fachkräftemangel. Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus dem vergangenen Jahr zeigen, dass im Handwerk in Deutschland rund 113.000 Fachkräfte fehlen. Dazu kommt, dass in den nächsten Jahren viele Handwerker aus den geburtenstarken 60er-Jahrgängen in den Ruhestand gehen.
Tischler und Schreiner beliebtestes Handwerk
Laut IW fehlen besonders viele Bauelektriker, Kfz-Mechaniker und Heizungs-, Sanitär- und Kilmatechniker. Der Tischler- oder Schreinerberuf zählt heute zu den beliebtesten Handwerksberufen. Gregor hat es deswegen einfacher, Nachwuchs zu finden. Damit das auch in Zukunft so bleibt, übernimmt jetzt eine dritte Klasse aus Alfter den Betrieb.

Tobias Gregor will den Kindern das Arbeiten mit den eigenen Händen näherbringen
In der Werkstatt erzählen die acht- bis zehnjährigen Schüler zunächst, was ihre Eltern beruflich machen. "Die meisten Eltern arbeiten in Büros", gibt Gregor seine Erfahrungen der letzten Jahre wieder. Das sei ein Grund, warum die Kinder nicht mit dem Handwerk in Berührung kommen. Gute Erfahrungen aus der Kindheit könnten da helfen, hofft er.
Säge statt Handy: Grundschüler in der Tischlerei in Bonn
Dann geht es an die Arbeit: Als Erstes dürfen die Schüler jeweils eine lange Holzleiste durch die große Hobelmaschine schieben. Dadurch wird das Holz geglättet. Danach hilft Azubi Justus Kötter den Kindern, die Holzleisten in die Schneidlade einzuklemmen. Dadurch können sie die Leisten in kleine Würfel zersägen und rutschen nicht ab. Die Arbeit mit den Kindern erinnert Kötter an seine eigene Kindheit. Seine Eltern sind Juristen. Doch für ihn war schon früh klar, dass er lieber etwas mit seinen Händen schaffen will, als sich ins Büro zu setzen.
Was hat Justus Kötters Begeisterung für das Handwerk geweckt?
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Dann dürfen die Kinder endlich die Säge in die Hand nehmen. Während der achtjährige Aron in einer unglaublichen Geschwindigkeit fast schon den Werktisch unter seiner Leiste mit durchsägt, tun sich viele andere Kinder schwer. So wie Anna-Maria. Sie hat das erste Mal in ihrem Leben eine Säge in der Hand. Mit viel zu viel Druck versucht sie, die kleine Säge durch das Holz zu drücken. Schnell tut der Arm weh, aber sie wird angefeuert und macht weiter.
Aller Anfang ist schwer - aber der Ehrgeiz bei den Schülern ist geweckt
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Nach ein paar Minuten klappt es immer besser. Ein Erlebnis, das Anna-Maria ohne die Aktion im Bonner Tischler-Betrieb erstmal nicht gehabt hätte. "Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Kinder noch nie eine Säge in der Hand hatten. Eltern wollen damit ihre Kinder schützen, doch eine begleitete Erfahrung in diese Richtung wäre für die Entwicklung des Kindes oft viel wichtiger, glaube ich", so der 45-Jährige. Er zeigt Schüler Ben gerade, wie er den Schwung des ganzen Armes fürs Sägen nutzt, statt fest zu drücken.
Am Ende haben alle Kinder 27 kleine Würfel ausgesägt, die sie in der Schule zu einem Geduldspiel zusammenleimen werden. Die Kinderaugen leuchten vor Begeisterung. Sie treibt Gregor an, auch nächste Woche wieder seine Werkstatt für eine neue Klasse zu öffnen.
Über dieses Thema haben wir am 20.03.2025 auch im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.