Freddie Mercury: Schillernder Paradiesvogel

Schrille Bühnenoutfits, Exzesse und eine Ausnahmestimme über vier Oktaven: Queen-Frontmann Freddie Mercury war einer der größten Popstars der 70er und 80er Jahre. Am 5. September 2023 wäre die Rocklegende 77 Jahre alt geworden.

Als Donald Trump amerikanischer Präsidentschaftskandidat war, betrat er gerne die Bühne in Schwaden von Nebel und dramatischem Licht, untermalt von Queens 1977er Hit "We Are The Champions". Das Publikum raste – und vergaß, dass der bisexuelle Schöpfer des Songs für all das stand, was es ablehnt. Freddie Mercury war bekannt für seine erotischen Eskapaden und legendären Exzesse.

Wie jene Aftershow-Party zum Launch des Albums "Jazz" in New Orleans 1978, auf der er angeblich nackte Hintern signierte und in eine vielfältige Welt aus Drag Queens, Schlangenbeschwörern und Legionen von Strippern eintauchte. "Die meisten Geschichten über diese Nacht sind nicht besonders übertrieben ...", sagte Schlagzeuger Roger Taylor (Foto) 2008 dem Queen-Biographen Mark Blake.

Geboren wurde Mercury am 5. September 1946 als Farrokh Bulsara im damaligen britischen Hoheitsgebiet Sansibar, heute Teil von Tansania. Die parsische Familie schickte ihren achtjährigen Sohn für eine bessere Schulbildung nach Indien ins Internat. Die Strecke war so weit, dass er nur einmal pro Jahr mit dem Schiff seine Familie besuchte. Kommuniziert wurde in Briefen und aus Farrokh wurde Freddie.

Anfang der 1960er Jahre flüchtete die Familie vor der Revolution in Sansibar in einen Londoner Vorort. An dem bescheidenen Haus in Feltham, im Westen Londons, hängt seit September 2016 die Blaue Plakette der staatlichen Denkmalschutzorganisation English Heritage, um an Freddie Mercury zu erinnern.

Der Vater arbeitete als Buchhalter, die Mutter im Kaufhaus Marks and Spencer. Das Foto zeigt seine Eltern 1996 zusammen mit der Opernsängerin Montserrat Caballé in Montreux, wo eine Bronzestatue zum Gedenken an Freddie Mercury enthüllt wurde. "Swinging London" war ein Kulturschock für den eher braven aber ehrgeizigen Freddie. Er entdeckte Jimi Hendrix, lebte seine Vorliebe für extravagante Kleidung, Leder und Federboas auf der Portobello Road aus und eröffnete einen Stand im legendären Kaufhaus Kensington Market.

1970 gründete er die Band Queen mit dem Astrophysik-Doktoranden Brian May (Gitarre) und dem Zahnmedizinstudenten Roger Taylor (Schlagzeug). Der Elektronik-Student John Deacon (Bass) stieß etwas später dazu.

Ihre bombastische Kombination aus überzogener Theatralik und Heavy Rock sprengte alle Genre-Grenzen. Die Musikzeitschrift "Melody Maker" schrieb damals: "Queen ist entweder die Zukunft des Rock'n'Roll oder ein Bündel von Tunten im Delirium, die versuchen, auf den Bowie-Zug auszuspringen, während sie Black Sabbath richtig schlecht verarschen."

Vier Jahre später etablierte die Band schließlich ihren Stil mit dem Hit "Killer Queen" und schaffte den internationalen Durchbruch. Ihr Kometenflug als schwerreiche Superstars begann, mit Rockhymnen wie "We Will Rock You", "Don't Stop Me Now", "Radio Ga Ga" und "A Kind of Magic".

"Bohemian Rhapsody" wurde zum besten Song aller Zeiten gewählt, doch die Bedeutung des Songs bleibt ein Geheimnis – Mercury selbst äußerte sich nie dazu. Sein langjähriger persönlicher Assistent Peter Freestone ist überzeugt, dass der Song ein heimliches "Coming Out" ist. Die Band selbst schweigt.

Unvergesslich sind die Mega-Stadiontouren der Band vor Hunderttausenden von Fans. Der eher schüchterne und schmächtige Mercury mit Riesen-Schnäuzer und Überbiss verwandelte sich auf der Bühne in einen tanzenden Derwisch mit nacktem Oberkörper, gen Himmel geballter Faust und anzüglich wirbelndem Mikrofonständer. Er hatte sein Publikum völlig in der Hand, beobachtete seine Biografin Lesley-Ann Jones: "Das war, was er brauchte, eine gewaltiges Publikum, das völlig mit ihm im Einklang war. Die Musik befreite Freddie".

München wurde zur zweiten Heimat und zum Rückzugsgebiet, um produktiv zu arbeiten und ungestört von der Medienöffentlichkeit in der Schwulenszene des Glockenbachviertels unterwegs zu sein. Anfang der 1980er Jahre lernte er dort Barbara Valentin kennen, eine österreichische Fassbinder-Schauspielerin. Sie lebten zusammen, während er gleichzeitig weiterhin Affären mit Männern hatte. "For big tits and misconduct" ("für große Titten und schlechtes Benehmen") – mit dieser Widmung verewigte er die üppige Blondine auf seinem Soloalbum "Mr. Bad Guy".

1985 zog Mercury in sein neu eingerichtetes Haus "Garden Lodge" am Logan Place 1 im Londoner Stadtteil Kensington.

Von 1985 bis 1991 war Jim Hutton sein Lebenspartner. Dieser hielt ihm bis zum letzten Tag die Treue und zog nach Mercurys Tod zurück in seine Heimat Irland.

Wann genau in den 1980er Jahren Freddie Mercury von seiner HIV-Infektion erfuhr, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Trotz seiner Erkrankung arbeitete Mercury fieberhaft an Studioalben weiter, 1986 war Queen in Originalbesetzung letztmals live zu sehen. 1987 nahm er mit der spanischen Opernsängerin Montserrat Caballé den Song "Barcelona" auf (Foto).

Im Februar 1990 wurde Queen mit dem BritAward für ihre herausragenden Leistungen für die Musik ("outstandig contribution") geehrt, Mercurys kränkliches Aussehen bei der Preisverleihung gab zu weiteren Gerüchten über seinen Gesundheitszustand Anlass. Auf seine Aids-Erkrankung spielte das letzte "Queen"-Album "Innuendo" (1991) an. Mit Titeln wie "These Are The Days Of Our Lives" und vor allem "The Show Must Go On" lieferte Mercury sein musikalisches Testament. "Auch wenn mein Make Up abblättert, bleibt mein Lächeln", heißt es dort.

Obwohl die Boulevardmedien schon lange darüber spekulierten, gab der 45-Jährige seine Erkrankung öffentlich erst im November 1991 zu. "Die Zeit ist jetzt für meine Freunde und Fans in aller Welt gekommen, um die Wahrheit zu wissen", ließ der Musiker mitteilen und entschuldigte sich für die Geheimhaltung. Am nächsten Tag, es war der 24. November, war Freddie Mercury tot, gestorben an einer Lungenentzündung infolge der HIV-Infektion.

Seit seinem Tod verkauft die Band mehr Platten als jemals zuvor und Mercury wurde ein größerer Star, als er jemals zu Lebzeiten war. Im Jahr nach seinem Tod gaben Weltstars ihm zu Ehren ein Abschiedskonzert im Wembley-Stadium (im Bild: Lisa Stansfield und George Michael), vor 72.000 Fans und schätzungsweise einer Millarde Fernsehzuschauern weltweit. Die Einnahmen wurden für den Kampf gegen Aids verwendet. Die Queen-Musiker, die bis heute mit wechselnden Sängern aktiv sind, gründeten den "Mercury Phoenix Trust". Der Spendenfonds sammelte in den vergangenen 25 Jahren knapp 14,5 Millionen Euro für mehr als 700 Projekte im globalen Kampf gegen Aids.

Und Donald Trump? Die Band twitterte: "Eine nicht autorisierte Verwendung beim republikanischen Parteitag gegen unsere Wünsche - Queen" und stellte sicher, dass Trump ihre Musik nicht mehr verwenden durfte.

27 Jahre nach Mercurys Tod, am 31. Oktober 2018, kam der Queen-Band-Film "Bohemian Rhapsody" in die deutschen Kinos. Freddie wurde von dem Schauspieler Rami Malek verkörpert, der als "Bester Hauptdarsteller" dafür auch mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Der Hype rund um Queen und Freddie Mercury scheint ungebrochen. Mit "Queen - The Greatest" gibt es auf YouTube eine Queen-Doku-Serie mit 50 Folgen, die jedes Jahr der Band genauer unter die Lupe nimmt und unveröffentliches Interview-Material zeigt.

Stand: 05.09.2023, 00:00 Uhr