Prediger, Popstar, Aktivist: Bono wird 63

Von Ingo Neumayer

Mit U2 schrieb er Musikgeschichte und gilt seit Jahrzehnten als Prototyp des sozial und politisch engagierten Rockstars. Am 10. Mai 2023 wird Bono 63 Jahre alt.

Aus einem Arbeiterviertel im Norden Dublins auf die größten Bühnen der Welt: Der Weg, den Paul David Hewson, genannt Bono, zurückgelegt hat, war lang und steinig. Und wer weiß, wie die Geschichte ausgegangen wäre, wenn er seinen ursprünglichen Spitznamen "Steinhegvanhuysenolegbangbangbang" behalten hatte? Aber seine Freunde nannten ihn zum Glück irgendwann "Bono Vox" (lateinisch für "gute Stimme"), in Anlehnung an einen örtlichen Hörgeräteladen.

Bono wächst in einem religiösen Haushalt auf und geht sowohl in katholische als auch in anglikanische Gottesdienste. Glaube, Liebe, Verlust und Zusammenhalt sind dann auch die bestimmenden Themen für ihn, als er mit 16 auf eine Anzeige am Schwarzen Brett seiner Schule antwortet. Ein gewisser Larry Mullen Jr. will eine Rockband gründen und sucht Mitstreiter. Es melden sich Bono, Adam Clayton sowie die Brüder Dik und David Evans. Dik steigt später wieder aus, David bekommt den Spitznamen "The Edge": U2 ist geboren.

Da Dublin weit weg vom musikalischen Puls der Zeit liegt, kratzt Bono Ende der 70er immer mal wieder sein Geld zusammen und fährt nach London. Er will seine Band bekannt machen bei Plattenfirmen, Radiosendern und Magazinen. Die Taktik funktioniert: 1980 erscheint "Boy", das erste U2-Album. Es wird ein Achtungserfolg, genau wie der Nachfolger "October". Mit dem dritten Album "War", das 1983 erscheint, nimmt die Bandkarriere dann Fahrt auf.

Es spricht sich herum, dass U2 eine tolle Liveband ist. Vor allem Sänger Bono zieht die Zuschauer in seinen Bann: Er trägt die Songs mit großen Gesten und viel Pathos vor und bleibt gleichzeitig sehr nahbar, indem er sich ins Publikum mischt oder Fans auf die Bühne holt. Mit "Sunday Bloody Sunday" gelingt der Band ein erster größerer Hit, der ihr Image für viele Jahre festlegen wird. Denn der Song ist hochpolitisch und behandelt die Schüsse von britischen Soldaten auf unbewaffnete Demonstranten im nordirischen Derry im Jahr 1972.

Politisch und poetisch, engagiert und emotional: Diese Mischung sorgt Mitte der 80er für den weltweiten Durchbruch von U2. Songs wie "Pride", "With Or Without You" oder "Where The Streets Have No Name" werden Megahits. Millionenfache Plattenverkäufe, ausverkaufte Hallen und Stadien – an U2 kommt man als Rockfan damals kaum vorbei.

Und einer steht natürlich besonders im Zentrum: Sänger Bono. Der will die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, auch auf Bereiche jenseits der Band lenken. Bono engagiert sich in diversen Projekten gegen Hunger, Ausbeutung und für die Dritte Welt.

Ende der 80er kommt dann der erste Karriereknick: Das Album "Rattle And Hum" verkauft sich schlechter als der Vorgänger, obwohl darauf unter anderem Legenden wie B.B. King oder Bob Dylan mitspielen. Die Musikkritiker fangen an zu mäkeln, und auch der Kinofilm zum Album floppt. Hat die Predigerband mit ihrem fast schon sakralen Rocksound ausgedient?

Nein! 1991 straft U2 mit dem Album "Achtung Baby" alle Zweifler Lügen. Aufgenommen kurz nach der Wiedervereinigung in Berlin, zeigen sie, dass sie auch im neuen Jahrzehnt innovativ und künstlerisch relevant sein können. Die Sounds sind frisch, die Songs modern, und auch optisch unterzieht sich die Band einer Frischzellenkur.

U2 kommt in der Jetztzeit an – und bleiben auch dort. Die Belohnung sind diverse Auszeichnungen und ein enthusiastisches Publikum, das zu Zehntausenden in die Konzerte strömt.

Der Aufwand, den U2 bei der folgenden "Zoo TV"-Tournee auf der Bühne treibt, ist gigantisch: Es gibt riesige Aufbauten und Projektionsflächen für Hintergrundbilder und Videos. Und im Zentrum dieses Feuerwerks steht natürlich Bono. Der veranstaltet auf der Bühne Telefonstreiche, ruft live beim Pizzadienst an oder im Büro von Bundeskanzler Kohl.

Mit den Alben "Zooropa" und "Pop" behält U2 den neuen künstlerischen Weg bei und zementieren ihren Status als eine der größten Bands des Planeten.

Parallel zum Erfolg der Band wächst auch Bonos Engagement. Der Schuldenerlass für die Länder der Dritten Welt wird zu seinem zentralen Thema, dem er stellenweise mehr Aufmerksamkeit widmet als seiner Band.

Die Grenzen zwischen Rockstar, Aktivist und Politiker verschwinden bei Bono zusehends. Er trifft sich mit Angela Merkel ...

... Barack Obama ...

... und dem Papst. Die Reaktionen darauf sind zwiespältig: "Endlich mal ein Star, der seinen Einfluss für eine gute Sache nutzt", sagen die einen. Andere hingegen werfen ihm Geltungssucht vor und kritisieren die Tatsache, dass er über eine Beteiligungsfirma Facebook-Aktien im Wert von Millionen kauft und den U2-Geschäftssitz in die Niederlande verlegt, um Steuern zu sparen.

Immer agil, immer unter Strom, immer mit neuen Ideen und Projekten, die es umzusetzen gilt: Eigentlich kaum zu glauben, dass Bono inzwischen schon über 60 Jahre alt ist.

Im November 2022 veröffentlicht Bono seine Autobiografie mit dem Titel "Surrender. 40 Songs, eine Geschichte".

Stand: 04.05.2023, 15:36 Uhr