Ednas Tag Freunde

Das Interview als filmisches Mittel

In Dokumentarfilmen werden oft auch Interviews gezeigt: Protagonisten erzählen etwas aus ihrer Perspektive und der Zuschauer erfährt alles aus erster Hand – wie in dem Film "Ednas Tag".

Interviews und "sprechende Köpfe"

Jeder, der gerne Fußball im Fernsehen schaut, kennt sie: die Interviews mit dem Trainer oder mit den Spielern am Ende des Spiels. Aber auch in vielen anderen Sendungen werden Interviews geführt. Ein Interview ist, ganz einfach gesagt, eine Befragung. Die Person, der die Fragen gestellt werden, ist dabei natürlich am Wichtigsten. Oft ist der Fragende zu sehen – zum Beispiel der Sportreporter. In Dokumentarfilmen wird auch häufig mit Interviews gearbeitet. Personen, um die es im Film geht, sollen häufig etwas über sich erzählen: Wie es ihnen geht. Was sie so in ihrem Leben machen. Was sie beschäftigt. Welche Wünsche und Träume sie haben. Der Zuschauer erfährt so alles aus erster Hand.

In vielen Dokumentarfilmen ist der Fragesteller dabei nicht im Bild zu sehen, manchmal auch nicht zu hören. Die Fragen sind aus dem Interview herausgeschnitten. Durch diesen Kniff konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die Interviewten. Wenn in einem Film mehrere Menschen zu Wort kommen, die alle zu einem bestimmten Thema sprechen, dann nennt man das auch "Talking Heads" – also "Sprechende Köpfe". Das kommt daher, dass oft nur die Köpfe und ein wenig vom Oberkörper zu sehen ist.

Guck' mal wer da spricht

Viele Szenen in "Ednas Tag" zeigen den ganz normalen Schulalltag. Dazwischen gibt es aber auch Interviews, in denen Schüler und Schülerinnen sprechen. Sie antworten auf die Fragen von Filmemacher Bernd Sahling, die im Film oft noch nicht einmal zu hören sind. Wer genau interviewt wird, also die Namen oder das Alter, erfährt der Zuschauer nicht. Aber einige der Schülerinnen und Schüler tauchen an anderen Stellen im Film wieder auf und so ist für jeden Zuschauer klar: Das sind Ednas Mitschüler.

Im folgenden Beispiel...

siehst du eine Szene, in der die Klasse an einem gewöhnlichen Schultag gezeigt wird. Danach beginnt das erste Interview. Der Junge aus dem Interview hat sich in der vorherigen Szene mit Edna gestritten. Im Interview erzählt er, dass sie aus Bosnien ist. Durch ihn erfährt der Zuschauer etwas über Ednas Leben.

Ednas Tag - Ednas Herkunft

Planet Schule 12.04.2021 00:30 Min. Verfügbar bis 26.02.2026 WDR

Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, den Zuschauer über Edna zu informieren. Zum Beispiel über eine Schrifteinblendung: "Edna, 12 Jahre, aus Bosnien". Viele Reportagen nutzen solche Einblendungen. Bernd Sahling hat in seinem Film darauf verzichtet. Hast du vielleicht Ideen, warum er sich so entschieden hat?

Ein Grund könnte zum Beispiel sein,

...dass es viel persönlicher ist, wenn die Mitschüler etwas über Edna erzählen als eine Info über eine Einblendung zu bekommen. Der Zuschauer erfährt so, was die Schüler über Edna wissen und auch – ganz nebenbei –, was sie über Edna denken. Vanessa zum Beispiel berichtet in ihrem Interview, wie Ednas Schulalltag aussieht. Sie sagt aber auch, wie sie es findet, dass Edna "immer nur Deutsch machen muss".

Interviews im Film ...

können sehr viele Informationen enthalten – nicht nur über das, was gesagt wird, sondern auch wie es gesagt wird. Die Art und Weise, wie jemand etwas sagt, ist manchmal mindestens genauso interessant, wie das, was jemand sagt. Wer darauf achtet, erfährt oft mehr über die Person und ihre besondere Situation.

Hier sind noch zwei Interviews. Schau selbst und sammle deine Eindrücke, die du über Edna und ihre Mitschülerinnen bekommst.

Nicht jeder aus der Klasse kommt zu Wort, denn Bernd Sahling hat eine Auswahl getroffen. Es ging ihm also nicht darum, dass alle gleichermaßen zu Wort kommen. Aber die Meinungen der Schüler waren dem Filmemacher wichtig. Erwachsene wurden gar nicht interviewt. Wie findest du das? Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn es im Film zum Beispiel auch Interviews mit den Lehrern gegeben hätte?

Edna spricht nicht

Für den Zuschauer ist es natürlich auch interessant zu erfahren, was Edna so über ihr Schulleben und die Klasse zu erzählen hat. Am Ende des Films ist sie dann auch in einer Interview-Situation zu sehen. Hier ist Ednas Interview. Es sagt viel über Edna und ihre Situation aus.

Du fragst dich, was das soll? Edna sagt ja gar nichts! Vielleicht ist es genau das: Edna kann noch nicht so gut Deutsch sprechen, daher sagt sie lieber gar nichts. Und wahrscheinlich will sie auch einfach gar nichts über sich erzählen. Aber sie schaut in die Kamera und an der Kamera vorbei und wieder in die Kamera und dann streckt sie auch noch die Zunge raus und lächelt. Vielleicht ist das ihre Art etwas zu sagen.

Der Zuschauer bekommt jedenfalls keine Erklärung vom Filmemacher geliefert, was Edna gerade denkt oder fühlt. In vielen Filmen und Sendungen ist das anders: Da werden Erklärungen durch einen Kommentar gegeben. In "Ednas Tag" muss sich jeder Zuschauer selbst überlegen, wie er Ednas Blicke deuten soll. Und das ist es wohl, was der Filmemacher erreichen will: Jeder soll sich sein eigenes Bild machen. Im Film hat Bernd Sahling Edna das letzte Wort gelassen und ihr Interview ganz an den Schluss gesetzt.

Ganz alleine vor der Kamera?

Alle Interviews haben etwas gemeinsam: Die Schüler sitzen im Klassenzimmer und sind in der gleichen Einstellungsgröße aufgenommen: in Großaufnahme. So ist der Zuschauer ganz nah dran an den Gesichtern. Natürlich sind die Schüler nicht alleine im Raum. Jemand hält die Kamera und die Fragen müssen ja auch von einer Person gestellt werden. Aber wie viele Menschen wirklich im Raum sind, weiß der Zuschauer nicht.

Bernd Sahling, der den Schülern die Fragen stellt, ist nicht zu sehen, aber dennoch ist er an einigen Stellen zu hören. Hast du eine Idee, wieso man manchmal die Fragen hört und wieso manchmal nicht? 

Eine Sache ist ganz typisch für Interviews. Jeder Fragesteller möchte den Interviewten zum Sprechen bringen. Am besten noch in einfachen, schönen, klaren und interessanten Sätzen und Antworten. Manchmal sagen die Menschen nur einsilbig: "ja", "nein" oder "vielleicht". Manchmal wissen die Befragten auch einfach nicht, was sie sagen sollen. Dann muss der Filmemacher natürlich nachfragen und neue Fragen stellen. Oder auch versuchen, neue Ideen zu geben. Sind dir solche Stellen in den Interviews aufgefallen?