Buchcover: "Weihnachten mit Theodor Fontane"

"Weihnachten mit Theodor Fontane"

Stand: 15.12.2022, 12:00 Uhr

Das Weihnachtsfest wird in den Gedichten und Romanen von Theodor Fontane immer sehr eindringlich geschildert und spiegelt so einen unverwechselbaren Zauber. Christian Berkel fängt diese besondere Atmosphäre in seinem Hörbuch ein.
Eine Rezension von Christoph Vratz.

Weihnachten mit Theodor Fontane
Gelesen von Christian Berkel
Der Audio-Verlag, 2022
1 CD, Laufzeit: 1h 18 Min., 14 Euro.

"Weihnachten mit Fontane" gelesen von Christian Berkel

Lesestoff – neue Bücher 15.12.2022 05:35 Min. Verfügbar bis 15.12.2023 WDR Online Von Christoph Vratz


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Die Zeit vor Weihnachten

Noch ist der Herbst nicht ganz gewichen. Aber der Winter mit großen Schritten im Anmarsch. Es geht auf Weihnachten zu:

"Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern."

Mit diesem Gedicht eröffnet Schauspieler Christian Berkel sein Album mit Weihnachts-Texten von Theodor Fontane. 12 Geschichten und Gedichte hat er ausgewählt, darunter auch eine Episode aus Fontanes autobiographisch geprägtem 'Roman' "Meine Kinderjahre". Die Wochen und Tage unmittelbar vor dem eigentlichen Fest sind, wie Fontane es nennt, die "Schlacht- und Backzeit".

"Mit dem Gänseschlachten fing es an. Eine reguläre Wirtschaftsführung ohne Gänseschlachten konnte nicht wohl gedacht werden. Es handelte sich dabei um mancherlei, zunächst wohl um die Federn zur Herstellung immer neuer Fremdenbetten, vor allem aber auch um die geräucherten Gänsebrüste, die fast so wichtig waren wie die Schinken und Speckseiten im Rauchfang."

Kommentare mit subtiler Ironie

Von Idylle keine Spur. Fontane schildert das traditionelle Treiben, die Hektik vor Weihnachten und manche Unappetitlichkeiten mit subtiler Ironie. Das Erlebte wird nicht nur beschrieben, sondern zugleich vorsichtig kommentiert. Sprecher Christian Berkel bringt beides auf dezente Weise zusammen.

"Jedenfalls konnte von gutem Appetit um eben diese Zeit (trotzdem sich's da gerade verlohnt hätte) nie recht die Rede sein, besonders dann nicht, wenn um Anfang Dezember, wie fast regelmäßig geschah, auch noch ein Hirsch von der Oberförsterei her eingeliefert war, der nun […] an die Giebelwand des Gesindehauses gehängt wurde. […] Unter einem glücklicheren Stern stand die Backwoche, wo mit Pfeffer- und Zuckernüssen begonnen und mit Brezeln, Kranz- und Blechkuchen aufgehört wurde."

An Heiligabend

Die Dramaturgie dieses Hörbuches sieht vor, dass die ausgewählten Texte immer näher an das eigentliche Fest heranführen. Schließlich ist sie da, die "Christnacht":

"Auf dem weißgedeckten Tische
Prangt der grüne Weihnachtsbaum,
Trägt im buntesten Gemische
Kerzen, Gold- und Silberschaum."

Auf dieses Gedicht folgt ein Roman-Ausschnitt: Theodor Fontanes "Vor dem Sturm", erstmals erschienen 1878, beginnt mit einer stimmungsvollen Szene an Heiligabend:

"Es war Weihnachten 1812, Heiliger Abend. Einzelne Schneeflocken fielen und legten sich auf die weiße Decke, die schon seit Tagen in den Straßen der Hauptstadt lag. Die Laternen, die an langausgespannten Ketten hingen, gaben nur spärliches Licht; in den Häusern aber wurde es von Minute zu Minute heller, und der 'Heilige Christ', der hier und dort schon einzuziehen begann, warf seinen Glanz auch in das draußen liegende Dunkel."

Eine Lesung ohne Kitsch

Christian Berkel liest die klug ausgewählten und umsichtig angeordneten Texte erfreulich unpathetisch: ohne jede Haltung von Weihrauch oder Kitsch.

Dafür auf gewisse Weise festlich, konzentriert, würdevoll, wie auch seine moderat gewählten Sprech-Tempi zeigen. Am Ende dieser rund 80-minütigen Weihnachtsreise erreichen wir das Jahresende: "Sylvester-Nacht".

"Das Dorf ist still, still ist die Nacht,
Die Mutter schläft, die Tochter wacht,
Sie deckt den Tisch, sie deckt für zwei,
Und sehnt die Mitternacht herbei.
Wem gilt die Unruh? wem die Hast?
Wer ist der mitternächt'ge Gast?
Ob ihr sie fragt, sie kennt ihn nicht,
Sie weiß nur, was die Sage spricht."

Realistisch und poetisch zugleich

Unheilvoll endet diese Silvester-Ballade und macht klar: Bei Fontane ist die Weihnachtszeit immer beides: verlockend, aber auch aufwühlend, gemütlich, aber zugleich geheimnisvoll, realistisch und poetisch. Christian Berkel hat ein in jeder Hinsicht stimmiges Hörbuch vorgelegt.

Das gilt nicht nur für die hier versammelten Texte, sondern auch für die Art seines Vortrags. Einerseits spiegelt sich darin der Zauber der Weihnachtszeit, andererseits bleibt sie frei von jeder Verklärung. Auf diesem Hintergrund verrät Berkels Lesung auch viel über Fontane selbst.