Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert
Wallstein Verlag, 2023.
198 Seiten, 22 Euro.
Ein Abendessen zu fünf
Zur Begrüßung gibt’s ein Glas Crémant, danach Rotwein sowie eine herrlich duftende Quiche mit sommerlichem Salat. So in etwa sieht das Menü aus, das die Gastgeberin serviert, weshalb man den neuen Roman von Teresa Präauer nicht mit leerem Magen lesen sollte. "Kochen im falschen Jahrhundert" erzählt von einem Abendessen zu fünft, aber bevor das losgeht, wirft der Text erst einmal eine Art Erinnerungsmaschine an:
"Erinnerst du dich daran, wie du das erste Mal in deiner eigenen Wohnung, es war nicht mehr als ein Zimmer, etwas kochen wolltest und dir erst mittendrin aufgefallen ist, dass du noch Salz würdest kaufen müssen? Du besaßest nicht einmal einen Salzstreuer. Woran man nicht alles denken musste in einem Erwachsenenleben! Dein erstes Salz, wie würde es schmecken?"
Später erinnert sich die Erzählerin ans gemeinsame Kochen in der Wohngemeinschaft oder an exotische Speisen auf Reisen und es dämmert einem, dass sich womöglich ein ganzes Leben allein übers Essen und die sich wandelnden kulinarischen Vorlieben erzählen ließe.
Während diese Erzählstimme überaus witzig über Starköche, Kochbücher und den zeitgeistigen Kult ums Essen, reflektiert, streut Teresa Präauer zwischendurch einzelne Zutaten (wie in einem Kochbuch) ein und lässt die Haupthandlung – eine Abendeinladung – langsam voranschreiten. Fünf Figuren treten wie in einem Bühnenstück auf, gut situierte, kultivierte Mittvierziger, mit erlesenem Geist und Geschmack. Anfangs ist die Gastgeberin noch eher unsicher in ihrer Rolle, denn:
"Gastgeberin sein zu können, heißt letztlich: erwachsen geworden zu sein."
Selbstsuche und Selbstdarstellung
Und wer ist das schon wirklich in diesen Zeiten? Die Herausforderung, die darin besteht, andere zu bewirten, ist nur eine Facette dieses so verspielten wie vielschichtigen Romans. Es geht vor allem um Selbstsuche, Selbstdarstellung und damit zwangsläufig auch um Social Media.
Schließlich ist Essen in unserer Überflussgesellschaft längst ein Distinktionsmerkmal, um das geradezu ideologisch aufgeladene Grabenkämpfe geführt werden und dessen Inszenierung zuweilen als Spiegelbild der ganzen Gesellschaft gelesen werden kann:
"Das Bild des laufenden Abends erschien auf den üblichen Social-Media-Kanälen mitsamt der namentlichen Markierung der fünf anwesenden Personen, versehen mit Hashtagswie #dinnerparty, #homecooking und #friends. Durch einen digitalen Filter war das Foto rosa gefärbt, alle Gäste trugen, anders als an jenem Abend, einen üppigen Haarkranz aus Blumen. Die Rotweinflasche, die das Ehepaar mitgebracht hatte, stand ungeöffnet auf dem Tisch und war durch sogenanntes Taggen mit dem Namen eines lokalen Weinhändlers verlinkt."
Der Abend schreitet voran
Nach ein paar Gläschen Crémant und nachdem die erste selbstgebackene Quiche gelungen und am neuen dänischen Holztisch unter viel Lob verspeist worden ist, wird die Gastgeberin lockerer. Es wird über Food-Porn im Internet, über Wohnformen oder über Begriffe diskutiert:
"Als sie saßen, sagte der Partner der Gastgeberin betont ruhig: Alles gut. Wieso sagten die Menschen in letzter Zeit so gern: alles gut? Wieso fragten sie: Alles gut? Wieso lautete die Reaktion auf Fragen, Wünsche und Aggression stets: Alles gut. Wo doch eigentlich sehr wenig einfach gut war, fast gar nichts. Was ist alles nicht gut? – das wäre die Frage, die man stellen könnte."
Was in zeitgenössischen Küchen so alles hochkocht
Drei Mal lässt Teresa Präauer den Abend von vorne beginnen, so dass drei Mal darüber nachgedacht wird, ob die Schuhe beim Betreten der Wohnung ausgezogen werden müssen, genau wie die Verspätung drei Mal neu auf die Gäste verteilt wird: Vom geladenen Ehepaar auf den "Schweizer" beziehungsweise umgekehrt.
Ob es die Pointiertheit der Gespräche oder die Komposition der Szenerie ist: Teresa Präauer porträtiert mit feinem Strich, was in zeitgenössischen Küchen so alles hochkocht. Und sie versteht es meisterlich, aus einer im Eisfach zerplatzten Crémant-Flasche ein kleines Beschreibungskunstwerk zu machen:
"Wie sich der Korken gelöst hatte und das Etikett zerfetzt war, war das nicht ein Anblick, nachgerade elegant, gemessen an den visuellen Möglichkeiten eines Missgeschicks?"
Ein Kammerspiel mit viel Sprachwitz
Detailverliebt, experimentierfreudig und mit viel Sprachwitz setzt Teresa Präauer ein Kammerspiel in Szene, das man sich tatsächlich wunderbar auf einer Bühne vorstellen könnte und das so nah am Zeitgeist wie zeitlos schön ist.