Hörbuchcover: "Der Trinker" von Hans Fallada

"Der Trinker" von Hans Fallada

Stand: 16.03.2023, 12:00 Uhr

Der Roman vom "Trinker" zählt zu den letzten Büchern im Leben des Hans Fallada. Schauspieler Wolfgang Bahro hat nun eine ebenso prägnante wie leidenschaftliche Lesung als Hörbuch veröffentlicht. Eine Rezension von Christoph Vratz.

Hans Fallada: Der Trinker
Gelesen von Wolfgang Bahro
Audiobuch, 2023.
2 CDs, ca. 12 Euro.

"Der Trinker" von Hans Fallada

Lesestoff – neue Bücher 16.03.2023 06:30 Min. Verfügbar bis 15.03.2024 WDR Online Von Christoph Vratz


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Schon der Beginn von Hans Falladas Roman "Der Trinker" ist schonungslos ehrlich:

"Ich habe natürlich nicht immer getrunken, es ist sogar nicht sehr lange her, dass ich mit Trinken angefangen habe. Früher ekelte ich mich vor Alkohol, allenfalls trank ich mal ein Glas Bier, Wein schmeckte mir sauer, und der Geruch von Schnaps machte mich krank."

Erwin Sommer ist einundvierzig Jahre alt und seit knapp fünfzehnten Jahren mit Magda verheiratet. Sein Geld verdient er als Lebensmittelgroßhändler.

"Aber dann kam eine Zeit, da es mir schlecht zu gehen anfing. Meine Geschäfte liefen nicht so, wie sie sollten, und mit den Menschen hatte ich auch mancherlei Missgeschick. Ich bin immer ein weicher Mensch gewesen."

Eine Reihe von Nachlässigkeiten bringt Sommer nicht nur in Schwierigkeiten, sondern dem eigenen Abgrund immer näher. Beruflich reist er nach Hamburg:

"Doch hatte ich dort die Gewohnheit der kleinen Gläschen zu jeder Tagesstunde, auch schon am frühen Vormittag, angenommen, eine Angewohnheit, die vielleicht noch verhängnisvoller ist als ein gelegentlicher schwerer Rausch."

Naturalistisch detailversessen schildet Hans Fallada das vergebliche Streben eines einfachen Geschäftsmannes und den schleichenden Verlust von Halt und Heimat – ähnlich wie es Fallada (oder Rudolf Ditzen, wie er mit bürgerlichem Namen hieß) selbst im Leben ergangen ist. Er war über Jahrzehnte alkoholabhängig, morphiumsüchtig und mehrfach in Entziehungsanstalten. 1944, als er den Roman vom „Trinker“ schreibt, sitzt er wegen versuchten Totschlags im Gefängnis. Auch seine Figur Erwin Sommer ist in einer Abwärts-Spirale gefangen und gerät in eine Zange von Alkoholabhängigkeit und Kriminalität. Seine Frau Magda versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist – geschäftlich und privat. Die ehelichen Dialoge fängt Schauspieler Wolfgang Bahro in seinem neuen Hörbuch plastisch und direkt ein, zunächst die beängstigend hilflose Magda:

"'Erwin! Wie siehst du aus!? Wo kommst du her in diesem Zustand? Wo bist du so lange gewesen? Ach, Erwin, Erwin, wie ich mich geängstigt habe um dich! Dass wir uns so wiedersehen müssen!'"

Wie anders dagegen Sommer, der Ich-Erzähler:

"Mit Zorn, mit Hass, mit Abneigung sah ich auf diese gepflegte, vom Schlaf gerötete Frau in ihrem seidenen blauen Schlafrock, ich, der aussah, als hätte ich mich in der Gosse gewälzt, ich, der stank wie ein Wiedehopf."

Wolfgang Bahro lädt die betont einfache Sprache Falladas dramatisch auf. Er lässt uns, die Hörerinnen und Hörer, immer gut nachvollziehen, wie mal die Wut in Sommer aufsteigt oder wie er matt und elendig leidet. Sogar die Monotonie seiner Bewegungen zeichnet Bahro stimmlich nach.

"Ich gehe und gehe. Ich marschiere und singe mir ein Lied dazu, eines jener Wanderlieder, die ich früher bei Ausflügen mit Magda sang. Dann humpele ich wieder lange Strecken auf schmerzenden Füßen."

Ja, es gibt die Momente, in denen Bahro im Eifer des Gefechts einzelne Silben schleift und die Verständlichkeit minimal leidet. Oder wenn sich die spitz-zischelnden „s“-Laute, sein Markenzeichen, in allzu schneller Folge wiederholen. Doch das nur kleinere Einwände, angesichts der Überzeugungskraft, mit der Wolfgang Bahro sich in die Rolle des Erwin Sommer hineinversetzt, fast könnte man sagen: sich regelrecht hineinkniet, bis zu den Wahnvorstellungen im Gefängnis:

"Ein steter Racheengel, ein ewiges Mahnmal begangener Schuld! Mir würde das schon nicht überwerden, war ich ein schlechter Partner in der Liebe, wie Magda plötzlich entdeckt hatte, so war ich ein um so besserer im Hassen!"

Hans Falladas Roman "Der Trinker", bereits mehrfach als Hörbuch aufgenommen, hat mit Wolfgang Bahro eine leidenschaftliche, glaubwürdige und in der emotionalen Achterbahnfahrt des Titelhelden sehr variable Stimme gefunden.