
"Second Class Citizen" von Buchi Emechta
Stand: 30.03.2023, 12:00 Uhr
Ein Klassiker der schwarzen feministischen Literatur: Buchi Emecheta erzählt von Adah, ihrem Alter Ego. Sie erstreitet sich in den 1960er-Jahren ihre Schulbildung in Nigeria, lebt mit Mann und drei Kindern in London, und erkämpft sich ihren Weg als schwarze Frau gegen viele Widerstände. Eine Rezension von Christian Kosfeld.
Buchi Emecheta: Second Class Citizen (Hörbuch)
Übersetzt von Marion Kraft.
Ungekürzte Lesung von Alina Vimbai Strähler.
Der Audio Verlag, 2023.
1 CD, 581 min Laufzeit, 23 Euro.
"Adah". So heißt das Mädchen in Buchi Emecheta autofiktionalem Roman, in dem die Autorin ihre Lebensgeschichte verarbeitet. Irgendwann in den 1940er-Jahren wird sie geboren, sie wächst in armen Verhältnissen in Lagos auf, nur ihr Bruder darf zur Schule gehen. Adah träumt davon, auch Lesen und Schreiben zu lernen, denn irgendwann will sie nach England, das wie das Gelobte Land erscheint.
"Ein kleines Mädchen wie sie, dessen Vater nur ein Eisenbahner war und dessen Mutter nichts außer der Ibo-Bibel und den anglikanischen Hymnen darin kannte, von der Einleitung bis zum Inhaltsverzeichnis, und immer noch glaubte, Jerusalem läge an der rechten Hand Gottes. Dass sie eines Tages in das Vereinigte Königreich gehen würde, war ein Traum, den sie für sich behielt. Doch Träume nehmen bald Gestalt an. Dieser lebte mit ihr und war ständig präsent."
Mit acht schult sich Adah selbst ein, erkämpft sich ihre Bildung gegen große Widerstände. Denn Mädchen sollen heiraten, arbeiten, Kinder kriegen. Ihr Vater stirbt, Adah wächst bei einem Onkel auf. Doch sie besucht eine Methodisten-Schule, arbeitet dann in einem Buchladen, und heiratet den angehenden Buchhalter Francis. Der geht zur Ausbildung nach Großbritannien, allerdings ohne sie und die inzwischen zwei Kinder. Doch Adah erstreitet sich die Erlaubnis der Schwiegereltern, ihm zu folgen. Francis hat sich jedoch verändert, und alle Ambitionen aufgegeben.
"Der böse Blick, den er ihr zuwarf, sprach Bände. Dann stieß er verärgert hervor: 'Du musst eins wissen, meine liebe junge Lady. In Lagos könntest du eine Million Mal eine Beamtin bei den Amerikanern sein. Du konntest eine Million Pfund am Tag verdienen, 100 Dienstboten haben und wie die Elite leben. Aber an dem Tag, an dem du in England landest, bist du Second-Class Citizen! Du kannst also nicht deine eigenen Leute diskriminieren. Wir alle sind zweitklassig.'"
Sie muss sich in der für sie fremden Kultur und Gesellschaft zurecht finden. Die Familie lebt in einem schäbigen Wohnblock, in nur einem Zimmer. Adah verdient den Lebensunterhalt als Bibliotheksangestellte. Dann wird sie wieder schwanger. Die Ehe zerrüttet, sie verlieren die Wohnung. Es ist ein prekäres Leben, von dem Buchi Emecheta erzählt. Adah erlebt alltägliche Ungerechtigkeit, Diskriminierung, doch sie kämpft sich durch, mutig, eigensinnig.
"Adah fragte sich, wer denen in Großbritannien gesagt hatte, dass die Menschen in Lagos keine hochwertigen Dinge benötigten. Sie erinnerte sich an einige der Kekse, die Mrs Noble ihrem schwarzen Hund Kimmy verfütterte. Waren das nicht die gleichen Kekse, die man Leuten in Afrika verkaufte, genau die, welche Pa und die Onkel ihr und ihrem Bruder Boy nach dem Krieg aus der Kaserne mitgebracht hatten? Wie auch immer, sie waren nicht daran gestorben. Sie mochten diese harten, trockenen, zuckerlosen Kekse sogar sehr."
Sprecherin Alina Vimbai Strähler setzt den schnörkellosen, geradlinigen Erzählstil von Buchi Emecheta hervorragend um, ohne Sentimentalität, auch in dramatischen Episoden. Das wirkt geradezu dokumentarisch. Doch Strähler gestaltet auch Momente, in denen Adahs Hoffnung und Stärke hörbar wird. Mit diesem Hörbuch lässt sich dieser Buchi Emechetas Klassiker der Schwarzen Literatur auf eindrückliche Weise wieder entdecken.
"Sie war anders. Ihre Kinder würden anders sein. Sie würden Schwarz sein, sie würden gerne Schwarz sein, sie würden stolz darauf sein, Schwarz zu sein, Schwarze von einer anderen Art. Sie hatte doch gerade gelernt, dem Singen der Vögel zuzuhören. War das nicht eine Ausdrucksform der Natur, die ihren Lieblingsdichter Wordsworth inspiriert hatte? Sie würde als Dichterin niemals so berühmt werden wie er, doch Adah würde sich darin üben, den Gesang der Vögel zu bewundern."