Buchcover: "Play it as it lays" von Joan Didion

"Play it as it lays" von Joan Didion

Stand: 25.09.2023, 12:00 Uhr

Maria Wyeth ist Anfang 30, gescheiterte Schauspielerin, frisch geschieden und fertig mit der arroganten, oberflächlichen Hollywood-Welt. Eine Abtreibung bringt sie noch tiefer in die Krise. Drogen, Beruhigungsmittel und unbedeutende Affären bestimmen ihr Leben. Joan Didions Klassiker von 1970 neu aufgelegt- und noch immer hochmodern. Eine Rezension von Theresa Hübner.

Joan Didion: Play it as it lays
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Antje Rávik Strubel.
Ullstein, 2023.
240 Seiten, 23 Euro.

"Play it as it lays" von Joan Didion

Lesestoff – neue Bücher 25.09.2023 05:36 Min. Verfügbar bis 24.09.2024 WDR Online Von Theresa Hübner


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Nicht mehr optimistisch

"Sie haben also vorgeschlagen, ich solle die Fakten aufschreiben, und die Fakten sind folgende: Mein Name ist Maria Wyeth. (…) Alter einunddreißig. Verheiratet. Geschieden. Eine Tochter, vier Jahre alt. Von meiner Mutter habe ich mein Aussehen geerbt und eine Neigung zu Migräne. Von meinem Vater habe ich einen Optimismus geerbt, den ich nie verloren habe, bis vor Kurzem."

Nein, optimistisch ist sie nicht mehr, diese Maria, zentrale Figur in Joan Didions "Play it as it lays". Sie ist in einer psychiatrischen Klinik und dort kommen die Erinnerungen.

Eine Abwärtsspirale

Es sind die späten 60er: Maria ist aus einem winzigen Städtchen in Nevada erst nach New York, dann nach Hollywood gezogen. Sie hat Carter Lang, einen gefragten Regisseur geheiratet, doch die Ehe geht in die Brüche. Die gemeinsame Tochter lebt in einer Einrichtung.

Maria hat Affären, unter anderem mit Les Goodwin, einem Freund ihres Mannes. Und als Maria erneut schwanger wird, nicht sicher ob von ihrem Liebhaber oder ihrem Noch-Ehemann, drängt dieser sie zu einer, damals noch illegalen, Abtreibung. Der Eingriff traumatisiert die bereits instabile Maria noch weiter, sie driftet ab.

"Als eine Woche verstrichen war, dachte sie ständig darüber nach, wo ihr Körper aufhörte und die Luft anfing, wo genau der Punkt in Raum und Zeit lag, der den Unterschied bezeichnete zwischen Maria und Welt."

Auf der Suche nach Entspannung

Maria verliert jeden Halt, trinkt zu viel, nimmt Beruhigungsmittel, schläft mit Männern, die ihr nicht guttun. Eine Nacht verbringt sie wegen Drogenbesitzes im Gefängnis. So etwas wie Entspannung findet Maria nur, wenn sie in hohem Tempo über die Freeways rund um Los Angeles brettert.

"Sie konnte bei hundertzehn Stundenkilometern ein hart gekochtes Ei pellen und essen und sie trank Coca-Cola an Bushaltestellen, Tankstellen oder Flugplätzen. In der Nacht überfiel sie manchmal die Angst, badete sie in Schweiß, flutete sie mit grell aufblitzenden Bildern von Les Goodwin in New York und Carter draußen in der Wüste mit BZ und Helene und der Unwiderruflichkeit dessen, was offenbar schon geschehen war, auf dem Freeway aber dachte sie nie daran."

Das Spiel des Lebens

Das Motiv der ziellos dahinrasenden Maria, die auf der Autobahn ihren Problemen, davonrast, zieht sich durch diesen Roman. Ein weiteres ist die titelgebende Spielmetapher – "Play it as it lays" ist eine englische Redewendung, die bedeutet, dass jemand keine andere Wahl hat als mit den Karten zu spielen, die ihm oder ihr zugeteilt worden sind.

Maria entscheidet sich, dieses Spiel des Lebens mitzuspielen, auch wenn sie nicht glaubt, dass irgendein größerer Sinn dahinter liegt.

"Ich weiß etwas, das Carter nie gewusst hat oder Helene und dass Sie vielleicht auch nicht wissen. Ich weiß, was 'nichts' bedeutet und spiele weiter mit."

Perspektivenwechsel

Dieser Hollywood-Kalifornien-Roman hat mit "California Dreaming" nichts zu tun, da ist kein magisches Film-Glamour-Traumfabrik-Setting, stattdessen: leeres Party-Gelaber, bedeutungsloser Sex, Alkohol, Drogen und manchmal bringt sich jemand um. Im ersten Kapitel berichtet Maria noch selbst in der Ich-Form, gefolgt von ihrer Freundin Helene und ihrem Ex-Mann, doch dann wechselt die Perspektive zu einem allwissenden Erzähler.

Dieser Wechsel passt zum einen sehr gut zu Marias Abdriften, aber er führt auch dazu, dass man sich beim Lesen konstant fragt, wem man hier eigentlich noch glauben kann. Stimmt Marias Geschichte oder hat sie längst jeden Realitätsbezug verloren?

"Was trifft zu, fragen sie später, als wäre das Wort 'nichts' uneindeutig, offen für Interpretationen, ein strittiges Fragment einer isländischen Rune. Es gibt nur bestimmte Fakten, sag ich, in einem erneuten Versuch mitzuspielen."

Ein moderner Klassiker

Joan Didions Stil reduziert zu nennen, wäre eine Untertreibung, so sparsam beschreibt sie Stimmungen, und trotzdem ist die Welt, die da vor dem geistigen Auge entsteht, üppig und dicht - Und, obwohl über 50 Jahre alt, ist dieser Roman kein bisschen gestrig. Leere, Depression, Angst – all das sind zeitlose Themen, die auch heutige Generationen umtreiben.

"Play it as it lays" ist keine "schöne Geschichte" und weit weg von jeder literarischen Komfortzone. Dieser Roman wird sicher nicht alle begeistern, aber niemanden kalt lassen – völlig zu Recht ein moderner Klassiker!