
"Sieben Tage im Sommer" von Thommie Bayer
Stand: 15.07.2022, 07:00 Uhr
Ein tolles Haus in der Provence, fünf Gäste und eine junge Frau, die sie im Auftrag des abwesenden Besitzers beobachten soll – mit unerwarteten Ergebnissen. "Sieben Tage im Sommer" – federleicht, sonnengetränkt und doch mit dunklem Unterton. Eine Rezension von Jutta Duhm-Heitzmann.
Thommie Bayer: Sieben Tage im Sommer
Piper, 2022.
156 Seiten, 22 Euro.
Geschenk oder eine Schnapsidee?
Eine Art Geschenk oder eine Schnapsidee? Anja weiß nicht so recht, was sie von dem Angebot ihres alten Freundes Max halten soll: er hat sie gebeten, in seiner provençalischen Sommerresidenz fünf ihr unbekannte Menschen zu bewirten und zu bewerten. Er selbst will als Gastgeber erst später dazukommen.
"Ich habe mir etwas dabei gedacht, diese fünf Menschen dorthin einzuladen. Ich will sie nämlich durch deine Augen besser kennenlernen. Ich habe sie seit dreißig Jahren nicht gesehen, mich ihnen aber immer verbunden gefühlt, sogar ein bisschen verantwortlich."
Verhaltensstudien
Vor dreißig Jahren haben die fünf ihm einmal das Leben gerettet, spontan, ohne Rücksicht auf die Folgen, die das für sie selber haben könnte. Der wohlhabende Max lebt seitdem zurückgezogen und unter einem anderen Namen in der Schweiz, hat ihren Werdegang aber aus der Ferne verfolgt, ihnen auch manchmal heimlich geholfen. Ansonsten bestand der Kontakt nur aus spärlichen Briefen. Und nun soll Anja ihm von ihren Eindrücken schreiben:
"Es ist etwas anderes, wie sich jemand mir gegenüber verhält, zumal nur schriftlich, als gegenüber einem ganz normalen Menschen, für den sie dich hoffentlich halten werden, der eine ganz normale Arbeit macht, nämlich das Haus des abwesenden Besitzers zu versorgen."
Ein degoutantes Unterfangen
Anja, Anfang dreißig und im normalen Leben Architektin in der norddeutschen Provinz, kennt Max seit ihren Kinderjahren, eine Art Wahlnichte, fast eine Tochter. Nun entspinnt sich durch seinen eigenwilligen Vorschlag zwischen ihnen ein Briefwechsel, dessen Offenheit auf alter Vertrautheit beruht und ihnen erkennbar mehr und mehr Spaß macht.
Als Max’ Spionin beobachtet sie die Gäste, die ins Haus einfallen: ein arroganter Journalist, ein erfolgreicher Schauspieler, ein sympathischer Aussteiger, eine alternde Businessfrau und eine patente Gärtnerin. Nicht ganz fair, diese heimliche Schnüffelei, gibt Max zu,
"ein leicht degoutantes Unterfangen. Es hat was von einem altmodischen Theaterstück, bei dem man nur drauf wartet, dass alle aufeinander losgehen. Oder von einem Krimi, an dessen Ende sich herausstellt, dass die zweite von vier Leichen der Mörder war."
Versuchsanordnung auf zwei Ebenen
Aber dann gibt es doch keine Leichen und keine Mörder in Thommie Bayers neuem Roman, der eher ein Romänchen ist, eine sommerliche Fingerübung. Erstaunlich, wie viel Schicksal und Drama er auf den gerade mal 150 Seiten unterbringen kann.
Geschickt vermischt er die beiden Ebenen dieser etwas gemeinen Versuchsanordnung: auf der einen die psychologischen Verwicklungen zwischen den fünf Gästen. Auf der anderen die amüsanten Mails von Anja und Max, in denen die beiden Briefpartner auch ihre eigenen Lebensbeichten ablegen.
"Von dir habe ich gelernt, was Familie bedeutet, dass man zusammengehört, dass man die Menschen so nimmt, wie sie sind und sich nicht an irgendeinen Entwurf hält, den man selbst von ihnen gemacht hat oder irgendwo abgeschaut hat."
Allerweltsweisheiten, zugegeben, aber der Autor erhebt auch keinen Anspruch darauf, Weltliteratur zu schreiben.
Fast ein Märchen
Thommie Bayer ist ein vielseitiger Künstler, Maler, Musiker und Liedermacher ebenso wie ein Schriftsteller, der seine Bücher eher auf der heiteren Seite ansiedelt, mit einer durchaus dunkel-melancholischen Grundierung. So auch in "Sieben Tage Sommer", die leicht und sonnig sind und voller Schönheit.
Sie spielen zwar nicht in Italien wie z.B. "Das Glück meiner Mutter", sondern in Südfrankreich. Doch das Ambiente, das Licht, das genussvolle Essen, die schmeichelnd warmen Nächte tragen viel bei zu ihrer unangestrengten Leichtigkeit. Fast ein Märchen, das Ganze, mit vielen kleinen Happy Ends und einem gütigen Strippenzieher namens Max.
"Es ist die reine Vetternwirtschaft, die ich noch gestern so hochtrabend von mir gewiesen habe. Wir Patriarchen machen so etwas und haben kein schlechtes Gewissen dabei."