YouTube-Bildästhetik in "Sexualität weltweit"

Filmforum zeigte erste Folge der neuen WDR-Reihe "Digital Diaries"

"Digital Diary – Sexualität weltweit" ist keine klassische TV-Dokumentation. Weder sorgfältig gedrehte Bildern noch wohl überlegte Einstellungen erwarteten die rund hundert Zuschauer am 27. August 2015 im Kölner Filmforum. Sondern dass, was man eigentlich von YouTube kennt: Aufnahmen, die Videoblogger auf YouTube hochgeladen haben.

Die YouTuber Gianna Chanel, Julia Fljat und Jan Winter machen mit ihren Handys ein "Selfie-Foto"

Die YouTuber Gianna Chanel, Julia Fljat und Jan Winter beantworten auf ihren Video-Channels Fragen zum Thema "Sexualität".

Das Besondere aber: Sie waren zusammen mit Interviews der Videoblogger montiert zu einer dichten und eindrücklichen Collage zum Thema "Sexualität weltweit". Und das ganz ohne einen Sprecherkommentar.

"Found footage, also das von Videobloggern übernommene Material, arrangieren wir über einen durchdachten Schnitt und damit kommentiert es sich quasi von alleine", begründete Jutta Krug, betreuende WDR-Redakteurin, das Prinzip des kommentarlosen Dokumentarfilms. "Digital Diary – Sexualität weltweit" gehe zwar mit einer neuen Ästhetik einher. Diese tue dem Inhalt aber keinen Abbruch, sie unterstütze ihn vielmehr. So taucht der Zuschauer ein in die privaten Räume von YouTubern aus aller Welt und erfährt von ihren persönlichen Meinungen zum Thema Sexualität. "Die Vielfalt der unterschiedlichen Ansichten in den verschiedenen Ländern sollte dargestellt werden", erklärte Marta Werner, Producerin der Produktionsfirma Ecomedia, das Ziel des Films. "Jeder muss daraus im Endeffekt selbst die Quintessenz ziehen."

Die betreuende WDR-Redakteurin Jutta Krug (Mitte), Christiane Hinz und Jan Winter sprechen bei der Premiere von "Sexualität weltweit" im Filmforum des Museum Ludwig über das Phänomen YouTube.

Die betreuende WDR-Redakteurin Jutta Krug (Mitte), Christiane Hinz und Jan Winter sprechen bei der Premiere von "Sexualität weltweit" im Filmforum des Museum Ludwig über das Phänomen YouTube.

Die YouTube-Bildästhetik schaffe zudem mehr Authentizität. "Die YouTuber sind viel näher am Zuschauer dran, als man es aus dem Fernsehen gewohnt ist und durchbrechen so Distanz", beschrieb WDR-Redakteur Thomas Kamp den besonderen Reiz des Films.

Zur Premiere im Filmforum des Museum Ludwig kamen auch die YouTuber Jan Winter und Gianna Chanel von "61 Minuten Sex" sowie Julia Fljat vom Kanal "Sexy Julia" und stellten sich anschließend den Fragen des Publikums. "Wir bekommen pro Monat schätzungsweise 2000 bis 3000 Fragen rund um das Thema Sex und versuchen unser Bestes zu tun, um die meisten zu beantworten", so Jan Winter. Verschiedene Techniken würden häufig angefragt, aber den beiden Moderatoren läge auch die Gefahrenprävention sehr am Herzen. Die Frage, ob sie ein Paar seien, würden sie auch heute nicht beantworten, sagte Gianna Chanel lachend, als ein neugieriger Zuschauer sie darauf ansprach. Schließlich ginge es auf ihrem Kanal nicht um sie persönlich.

Das Team rund um die Sendung "Sexualität weltweit" und die Doku-Reihe "Digital Diaries"

Ein gelungener Abend: Das Team rund um die Doku-Reihe "Digital Diaries" mit den YouTubern Gianna Chanel, Julia Fljat und Jan Winter.

Mittlerweile können der ausgebildete Sexualpädagoge und seine Co-Moderatorin sogar hauptberuflich von ihren Videos leben. "Zum Leben reicht YouTube bei mir noch nicht, weshalb ich auch häufig in Fernsehshows zu sehen bin", gab Julia Fljat zu: "Obwohl das Fernsehen eine große Rolle für mich spielt, schaue ich keins." – Das Spiegelbild einer Generation, die vermehrt andere Kanäle als das Fernsehen nutzt, um unterhalten zu werden und sich zu informieren – um auch für diese jungen Leute attraktiver zu werden, entwickelte der WDR die vierteilige Reihe "Digital Diaries". Sie vermitteln Nähe nicht mehr nur über den Inhalt, sondern eben auch über das Bild. Christiane Hinz, Leiterin der Programmgruppe Dokumentationen im WDR Fernsehen, ergänzte: "Herausgekommen sind spannende und dichte Gesellschaftsportraits, die weit über das Phänomen YouTube hinaus gehen."

Autorin: Viktoria Schulte