Wasser für den Westen

Auf geht‘s zu einer spannenden Reise zu einigen der interessantesten Talsperren und Stauseen in unserem Westen.

Dieses Talsperren-Quartett begleitet uns dabei:
Sebastian Offermann - Talsperrenmeister der Oleftalsperre, Dr.-Ing. Catrina Brüll - Wasserbauingenieurin an der RWTH Aachen, Imke Grotelüschen - Touristikfachfrau vom Biggesee und Tamina Kallert, die schon alle Talsperren in NRW besucht hat.

Südwestfalen
Möhnetalsperre
10,4 Quadratkilometer und eine über 600 Meter lange Staumauer mit einer Höhe von rund 40 Metern - das ist rekordverdächtig! Der Möhnesee ist der flächenmäßig größte Stausee bei uns im Westen. Errichtet wird die Talsperre von 1908 bis 1912, um die Umgebung vor Hochwasser zu schützen. Und um eine gleichmäßige Versorgung des Ruhrgebiets und der dortigen Industrie mit Wasser zu garantieren.
Eine wichtige Aufgabe, die der Staumauer zum Verhängnis wird: Während des 2. Weltkriegs versuchen die Briten die Möhnetalsperre durch Bombenangriffe zu zerstören. In der Nacht vom 17. Mai 1943 findet die Operation „Chastise“ statt. Eine eigens entwickelte Rollbombe reist ein Loch in die Staumauer -die riesige Flutwelle richtet schwere Verwüstungen an und kostet viele Menschen das Leben.

Der Wiederaufbau der Staumauer beginnt unmittelbar nach dem Angriff. In nur vier Monaten ist der Staudamm wiederhergestellt. Nach Kriegsende erobern Ausflügler den Möhnesee langsam wieder zurück. Bis heute ist es die Möhnetalsperre ein echter Freizeitmagnet in der Region.

Biggetalsperre
Auf rund neun Quadratkilometern macht sich die prominente Biggetalsperre im südlichen Sauerland zwischen Attendorn und Olpe breit. 1965 wird das Tal der Bigge für den See geflutet, um den Industriestandort Ruhrgebiet zu versorgen. Denn dort wird das Trinkwasser knapp. Dafür müssen mehr als 2500 Menschen ihre Heimat und das Tal verlassen, 24 Orte verschwinden in den Fluten. Noch immer finden sich auf dem Grund des Sees Überreste von Dörfern, die der Talsperre weichen mussten.

Heute reguliert die Biggetalsperre vor allem die gleichmäßige Wassermenge in der Ruhr und versorgt die Umgebung mit Strom. Außerdem sorgt die für das Wohlbefinden von Ausflüglern und Urlaubern. Im Biggesee befindet sich übrigens die größte Insel in NRW: Die Gilberginsel, die auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Ist. Den schönsten Blick hat man hier von der Aussichtsplattform Biggeblick!

Bergisches Land
Eschbachtalsperre

Im Bergischen Land ist das Wasser zuhause und in keiner Region Europas gibt es so viele Talsperren wie hier. Ein echtes Schmuckstück ist die Eschbachtalsperre. Sie ist außerdem die älteste bei uns im Westen und die erste Trinkwassertalsperre in Deutschland.
Errichtet für die Trinkwasserversorgung der Stadt Remscheid, ist sie damals als Remscheider Talsperre bekannt. Heute heißt sie so wie ihr kleiner Zufluss – der Eschbach.  
Bauingenieur Otto Intze setzt hier 1891 seine Vision von einem Bau zur Regulierung von Wasserkraft um – in Form einer fünfundzwanzig Meter hohen, gebogenen Mauer. Eine Pionierleistung, die um die Jahrhundertwende als Vorbild für acht weitere Talsperren in unserem Land dient.
Neben der wasserwirtschaftlichen Bedeutung, entwickelt sich die Eschbachtalsperre schnell zu einem beliebten Ausflugsziel. Heute dient die Talsperre nur noch als Reserve. Den Job als Trinkwasserreservoir übernimmt eine andere ...

Bevertalsperre
Ende des neunzehnten Jahrhunderts soll eine Staumauer das Hochwasserproblem im Bergischen Land in den Griff kriegen: Die Bevertalsperre soll verhindern, dass das Flüsschen Bever, ein Nebenfluss der Wupper, überschwappt. Schön war sie, die typisch gebogene Mauer vom bekannten Talsperrenbauer Otto Intze. Mit einer Höhe von 25 Metern nur leider zu niedrig. In den dreißiger Jahren wird die alte Talperre deswegen teilweise abgetragen und weiter südlich ein größerer Staudamm errichtet – seither funktioniert es auch mit dem Hochwasserschutz.
Da die Bevertalsperre nicht der Trinkwasserversorgung dient, steht dem Bade- und Freizeitvergnügen hier nichts im Weg. Und so erholen sich die Menschen aus Hückeswagen und Umgebung hier besonders gern.

Nordeifel
Oleftalsperre

Bei Hellenthal, in der Nähe des Nationalpark Eifel, ist diese einzigartige Trinkwassertalsperre zu bestaunen. Ihre Besonderheit ist die Bauweise. Denn als einzige Staumauer in Deutschland ist sie in der „Pfeilerzellenbauweise“ errichtet. Dabei ist jede der 16 Pfeilerzellen in sich gebogen und stemmt sich mit aller Kraft gegen die Wassermassen.

Ihr Bau Ende der fünfziger Jahre sorgt für Aufsehen. Denn die Mauer soll in Deutschland ein Stauwerk unvorstellbarer Größe und nie dagewesener Bauart werden. Doch die Konstruktion erweist sich als anfällig: Der Beton bekommt Risse, die Mauer muss schon bald nachgebessert werden. Erst im Jahr 1965 wird das Tal vollständig geflutet und die Talsperre kann endlich eingeweiht werden.

Urfttalsperre
Die Staumauer staut den Fluss Urft, unweit von Heimbach, zu einem acht Kilometer langen See. Die Talsperre ist ein rund neunundfünfzig Meter hohes Meisterwerk des "Talsperren-Gottes" Otto Intze und die älteste Talsperre der Eifel. 1900 beginnt der fünf Jahre dauernde Bau.
Typisch für einen Intze-Bau: die gebogene Mauer. Mit 47 Millionen Kubikmetern Stauvolumen ist die Urfttalsperre damals der größte Stausee in Europa. Neben der Wasserstandsregulierung dient die Talsperre auch der Stromerzeugung. Seit der Fertigstellung im Jahre 1905 produziert das Wasserkraftwerk Heimbach Strom – bis heute. Das Wasserkraftwerk im Jugendstil ist unbedingt einen Besuch wert.

Die Urfttalsperre ist außerdem das Herzstück des Nationalparks Eifel. Baden und Wassersport ist zwar nicht erlaubt – erholen kann man sich hier trotzdem fantastisch.

Rurtalsperre
Ebenfalls im Naturpark Nordeifel befindet sich die Rurtalsperre. Der 1939 aufgestaute Rursee fasst zusammen mit der Vorsperre Obersee, die der Trinkwasserversorgung dient, mehr als zweihundert Millionen Kubikmeter Wasser. Damit ist er der zweitgrößte Stausee in Deutschland. Auch der gewaltige Staudamm Schwammenauel ist mit über 77 Metern Höhe ein Riese unter den Talsperren im Westen.

Außerdem ist der Rursee ein Naherholungs – und Naturschutzgebiet erster Klasse. Vor allem Freunde des Segelsports kommen hier auf ihre Kosten. Auf einer Fläche von fast acht Quadratkilometer Wasserfläche kommt man sich hier, trotz berühmter unsteter Winde selten in die Quere. Und die Traumkulisse ist inklusive. Besonders schön kann man die bei einer Bootsfahrt über den See genießen - mitten durch das Herz des Nationalparks Eifel.

Münsterland
Halterner See

Offiziell heißt der Halterner See im nördlichen Ruhrgebiet übrigens Stevertalsperre. Benannt nach dem kleinen Zuflüsschen Stever. Nur 15 Meter ist der See tief. Der Staudamm dagegen bringt es auf rekordverdächtige 1300 Meter Länge.
Seit 1930 dient die Stevertalsperre jetzt schon der Trinkwassergewinnung im nördlichen Ruhrgebiet für die Menschen im Ruhrgebiet und im Münsterland.
Da das Wasser nicht direkt, sondern als versickertes und gefiltertes Grundwasser entnommen wird, sind viele Freizeitaktivitäten im Nordbecken des Stausees erlaubt. Besonders beliebt ist das Strandbad mit seinem legendären feinen Halterner Sand - Karibikfeeling im Münsterland.

Ruhrgebiet
Hengsteysee

Der Hengsteysee ist der älteste von insgesamt sechs Ruhrstauseen: Seit 1929 wird hier bei Hagen die Ruhr gestaut. Geplant wird der Stausee zunächst als eine Art Flusskläranlage für die Ruhr und die Lenne. Er dient aber auch der  Energiegewinnung. 1930 geht hier das Koepchenwerk in Betrieb, das erste Pumpspeicherkraftwerk bei uns im Westen.
Am Nordufer des Sees nutzt man den Höhenunterschied des Ruhrabhangs zwischen einem künstlich angelegten Oberbecken und dem Hengsteysee zur Energiespeicherung. 160 Meter stürzt das Wasser zu Tal und wird so zu Strom umgewandelt. 1989 wird direkt angrenzend an das alte Werk am Seeufer ein moderneres Kraftwerk gebaut. Das ursprüngliche Koepchenwerk steht heute unter Denkmalschutz und ist seit 2016 auch Teil der Route der Industriekultur – und einen Besuch wert.

Baldeneysee
Der größte der Ruhrstauseen liegt in Essen – der Baldeneysee. Zweieinhalb Quadratkilometer Wasserfläche erstrecken sich seit 1933 über acht Kilometer Länge in das Ruhrtal. Geplant wird der Baldeneysee damals um das von der umliegenden Industrie verunreinigte Wasser durch Sedimentation zu reinigen. Heute übernehmen diese Arbeit zahlreiche Klärwerke.
Lange ist wegen der immer wieder zu schlechten Wasserqualität das Baden im See untersagt. Seit 2017 hat man das aber im Griff, und man kann im Seebad endlich wieder schwimmen gehen. Auf dem See wird außerdem gerudert, gepaddelt und gesegelt, was das Zeug hält. Abseits der Hotspots hat der Baldeneysee aber auch jede Menge Natur und Ruhe zu bieten. Die Essener haben damit wohl den schönsten Freizeitsee im Pott und nennen ihn liebevoll  “Lago Maggiore des Ruhrgebiets“.

Stand: 26.10.2020, 15:31 Uhr