Erfindungsreich, entschlossen und wegweisend...

Ohne das Engagement, die Kreativität, den Mut und Erfindungsreichtum vieler beeindruckender Frauen wäre unser Land nicht so bunt und vielfältig, wie es heute ist. Das "Unser Westen"-Team stellt einige dieser Spitzenfrauen vor und feiert deren Lebensleistung...


Kölner Bucht
Agrippina
In Köln hat eine Spitzenfrau schon sehr früh ihre Spuren hinterlassen: Agrippina. Sie gilt als die erste römische Kaiserin und Gründerin Kölns.
Iulia Agrippina, die Jüngere wird um 15 n. Chr. in der römischen Siedlung Oppidum Ubiorum geboren – als Tochter einer der mächtigsten Familien Roms. Den rauen Sitten der Zeit passte sich Agrippina gut an: Um ihre Machtposition zu stärken, heiratet sie ihren Onkel. Agrippina dankt es ihm, indem sie ihn ermorden lässt, um ihren Sohn Nero zum Kaiser zu machen.
Zuvor hebt sie aber noch das heutige Köln aus der Taufe, als sie der Siedlung am Rhein den Namen Colonia Claudia Ara Arippinensium und die römischen Stadtrechte verleiht.
Die Kölner gedenken ihr, wie es sich in der Domstadt gehört: im Karneval. Das römische Gewand der Jungfrau des Dreigestirns soll an ihre Gründungsmutter Agrippina erinnern.

Trude Herr
Ein anderes echt kölsches Mädche ist Trude Herr.
Schauspielerin, Komödiantin, Büttenrednerin, Theaterdirektorin und Sängerin - Trude aus Köln-Kalk hatte viele Talente. Sie bleibt aber vor allem wegen ihrer unbändigen Energie, ihrer umwerfenden Ausstrahlung und Selbstironie in Erinnerung.
Ihr Song "Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann..." ist in den 60ern ein Hit und heute ein Klassiker. Die "pfundige" Trude widerspricht dem vorherrschenden Schönheitsideal komplett und macht daraus mit Humor, Geschick und Selbstbewusstsein ihr Markenzeichen. Eine echte Spitzenfrau!

Mildred Scheel
Mitte der 70er Jahre wird die Kölnerin Dr. Mildred Scheel zur First Lady des Landes. Als Gattin des damaligen Bundespäsidenten Walter Scheel residiert sie fortan in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Doch sich nur mit repräsentativen Aufgaben zufriedenzugeben, das liegt der Ärztin nicht.
1974 gründet sie die Deutsche Krebshilfe und widmet sich fortan unermüdlich dem Kampf gegen die grausame Krankheit. Ihr Motto: Helfen, Forschen, Informieren. Mehr als 2,6 Milliarden Euro hat die Stiftung im Kampf gegen den Krebs bisher gesammelt.
Tragischerweise stirbt sie 1985 selbst an Darmkrebs. Die vielen „Dr. Mildred Scheel Häuser“ mit ihren Palliativ-Einrichtungen und die Deutsche Krebshilfe sind ihr Vermächtnis.

Nordeifel
Helene Weber

Die streitbare Helene Weber gilt als einflussreichste Frau der noch jungen Union der Nachkriegszeit. Politik, Soziales und die Rechte der Frau - dafür setzte sich die Sozialpolitikerin ihr Leben lang ein. Mehr politische Ämter mit Frauen zu besetzen, das ist eines ihrer erklärten Ziele, die sie auch mit ungewöhnlichen Mitteln zu erreichen versucht.
So versucht sie 1961, gemeinsam mit anderen engagierten CDU-Frauen, Kanzler Adenauer davon zu überzeugen, endlich ein Ministerium mit einer Frau zu besetzen - durch einem Sitzstreik! Die Aktion hat Erfolg: Elisabeth Schwarzhaupt wird die allererste Ministerin des Landes!
Helene Weber ist außerdem einer der "Mütter des Grundgesetzes", der wir den Artikel 3, Abs. 2 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ zu verdanken haben.

Ulla Schmidt
40 Jahre nach Elisabeth Schwarzhaupt wird die SPD-Politikerin Ursula „Ulla“ Schmidt die erste Bundesministerin aus Aachen: 2001 wird sie zuerst Bundesministerin für Gesundheit, ein Jahr später auch für Soziales. Ulla Schmidt ist damit die erste Superministerin in der Geschichte der Bundesrepublik.

Mit ihrem Eifeler-Akzent und ihrer eigenwilligen Art ist sie eine der bekanntesten Politikerinnen unter Kanzler Schröder und auch Kanzlerin Merkel. Und auch für viele Comedians und Kabarettisten ist sie eine große "Inspiration". Allen voran Mathias Richling, der als "Ulla Schmidt"-Parodie nicht nur das Publikum zum Lachen bringt - sondern auch Ulla Schmidt selbst.

Ruhrgebiet
Nena

Hagen - das Tor zum Sauerland - ist zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle ein Musik-Hotspot. Die bekanntesten Künstler: Extrabreit, die Schwestern Annette und Inga Humpe - und natürlich Nena!
Zunächst beginnt Nena eine Lehre als Goldschmiedin - doch der Sog der Musik ist größer. Den ersten Erfolg mit der eigenen Band gibt es 1982 mit dem Lied „Nur geträumt“. Dabei ist die Single zunächst ein Ladenhüter. Erst ein Auftritt in ihrem legendären roten Leder-Minirock in der TV-Sendung "Musikladen" ändert das.
Doch zum echten Star wird Nena aber mit "99 Luftballons". Das Lied wird weltweit zum Mega-Hit. Sogar in den USA schafft es die Single auf Platz 2 in den Charts - die deutsche Fassung, wohlgemerkt! Das gab es bis heute nicht wieder!
Und auch heute - mit Ende 50 - ist Nena noch genauso angesagt wie vor 30 Jahren!

Margarethe Krupp
Margarethe Krupp - eine Powerfrau mit sozialem Engegament. Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes Friedrich Alfred Krupp, übernimmt sie die Führung des Krupp-Konzerns in Essen. Doch nicht nur um das Florieren der Firma kümmert sich Margarethe, sondern auch um das Wohl der Arbeiter. Wie damals üblich sorgt die Firma auch für den Wohnraum der Arbeiter. Klein, eng, dunkel und ohne Komfort sind damals die meisten Häuser und Wohnungen in Arbeitersiedlungen.

Margarethe Krupp hat einen anderen Plan: 1906 gründet sie eine "Stiftung für Wohnungsfürsorge", stiftete eine Million Reichsmark und lässt eine außergewöhnliche Gartenstadt für "minderbemittelte Klassen" errichten. Der Standard der 935 Häuser war für die Zeit ungewöhnlich: Jede Wohnung hatte eine eigene Toilette, eine Badewanne, Heizung und Garten.
Die denkmalgeschützte Margarethen-Höhe in Essen ist auch heute noch eine beliebte Wohngegend - Margarthe Krupp sei Dank.

Ostwestfalen-Lippe
Melitta Bentz

1908 - die Hausfrau Melitta Bentz ist genervt vom Kaffeesatz in der Tasse und dem bitteren Nachgeschmack – und hat eine sensationelle Idee: Sie durchlöchert den Boden eines Messingtopfs. Darauf legte sie zugeschnittenes Löschpapier aus den Schulheften ihrer Söhne – fertig ist der erste Kaffeefilter!
Die findige Hausfrau verfeinert ihren Filter-Prototyp, lässt das Patent für ihren "Kaffeefilter“ eintragen und gründet ihr eigenes Unternehmen - damals noch in Dresden. Das kleine Unternehmen läuft so gut, dass die Geschäftsräume bald zu klein sind.
So nimmt Melitta Bentz das lukrative Angebot aus Minden an, eine ehemalige Schokoladenfabrik zu kaufen, und siedelt mit ihrem Betrieb nach Ostwestfalen über. Hunderte Menschen finden bei Melitta eine Arbeit, vor allen Dingen Frauen. Bis heute ist die Melitta Unternehmensgruppe Bentz KG in Minden ansässig.

Siegen-Wittgenstein
Silvia Neid
Frauenfußball wird lange belächelt im vom Männern dominierten Profi-Sport. Doch die „Damen“ zeigen den „Herren“ bald, wie erfolgreich und gut sie spielen können. Allen voran Silvia Neid.
Mitte der Achtziger wechselt die junge und talentierte Nationalspielerin ausgerechnet in die Fußball-Provinz zum TSV Siegen. Doch mit ihr kommt auch der Erfolg: 1987 werden die Siegenerinnen mit ihr zum ersten Mal Deutsche Meisterinnen. Insgesamt gewinnt sie mit ihrer Mannschaft sechs Mal die Meisterschaft und holt fünf Pokalsiege.

Nach ihrem Karriereende als Spielerin wird Silvia Neid zuerst Co-Trainerin der Nationalmannschaft, 2005 übernimmt sie ganz. Und gewinnt auf Anhieb die Weltmeisterschaft 2007 - Silvia Neid ist auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen! Bis 2016 ist sie Bundestrainerin und sammelt bis dahin noch einige Siege und Auszeichnungen.

Ute Lemper
Von Münsterland hinaus in die große weite Welt: Ute Lemper kommt 1963 im beschaulichen Münster auf die Welt. Heute lebt sie in New York und bereist die ganze Welt für ihre Auftritte als Sängerin und Musical-Darstellerin.
Als in den Achtziger Jahren der Musical-Boom losgeht, ist Ute Lemper mit dabei. Rollen in "Cats", "Peter Pan" oder "Cabaret" machen sie zu einer der gefragtesten Darstellerinnen. Doch die Hauptrolle im Musical Chicago ist 1988 ihr ganz großer internationaler Durchbruch. Das Theater wirbt heute noch mit dem Plakat von Ute Lemper und ihren unendlich langen Beinen.

Ute Lemper wird oft mit Marlene Dietrich verglichen. Auch ihr bleibt die große Anerkennung in der eigenen Heimat lange vorenthalten. Und beide waren und sind faszinierende Frauen und beeindruckende Künstlerinnen.

Niederrhein
Gabriele Henkel
An der Seite ihres Mannes und Konzernchefs Konrad Henkel wird die Journalistin Gabriele Henkel zu einer wichtigen Kunstmäzenin Düsseldorfs. Von den 70er Jahren an sammelt sie rund 4000 Werke moderner Kunst und baut mit der Zeit eine angesehene Kunstsammlung auf.
Doch ihre Kunstschätze behält sie nicht für sich. Sie hängt sie in der Firmenzentrale ihres Mannes auf: in Büros, Besprechungszimmern oder auch der Kantine!
Sie arrangiert außerdem Ausstellungen, lehrt an der Uni Wuppertal und ruft die Kythera-Kulturstiftung ins Leben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2017 im Alter von 85 Jahren bleibt die schillernde und lebensfrohe Grande Dame der Kunst tief verbunden.

Lore Lorentz
Lore Lorentz - das ist eine Spitzenfrau mit spitzer Zunge. Und die Grande Dame und Mutter des Kabarettes.
1947 gründet sie gemeinsam mit ihrem Mann Kay in Düsseldorf das Kom(m)ödchen. Eigentlich ist für Lore die Rolle der Kassiererin vorgesehen. Mehr durch Zufall und aus der Not landet sie auf der Bühne. Ihr Auftritt wird ein großer Erfolg - und sie ist fortan mit dem Theatervirus infiziert.

Bis zu ihrem Tod 1994 steht Lore Lorentz auf der Bühne, macht den Mund auf und bleibt unbequem. Wegen ihrer gesunden Wut und pointiertem Biss wird sie noch heute als die „Primaballerina assoluta der politischen Satire“ gerühmt.

Pina Bausch
Pina Bausch hat die ganze Tanzwelt revolutioniert und Wuppertal zu Weltruhm verholfen.
1940 wird sie in Solingen geboren und später an der Essener Folkwang-Hochschule ausgebildet. Pina ist selbst eine exzellente Tänzerin, doch 1973 geht sie als Choreographin an die Wuppertaler Bühnen.
„Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt.“ Diese Haltung ist es, die Pina Bauschs Tanztheater so besonders macht. Mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Tanz, Sprache, Schauspiel, Akrobatik, Popmusik, Pantomime und Alltagspoesie entwickelt Pina Bausch eine ganz neue ästhetische Tanzgattung, die ihr in den 80er Jahren viel Anerkennung und Erfolg einbringt. Zuerst allerdings nur im Ausland, später auch Zuhause.

Dass das Wuppertaler Tanztheater mehr als nur eine von vielen Tanzcompagnien ist, zeigt auch der Film "Pina" von Kultregisseur Wim Wenders. Kurz vor Drehbeginn 2009 ist Pina überraschend gestorben – aber mit diesem Werk haben ihre Tänzerinnen und Wenders ihr ein würdiges Denkmal gesetzt.

Stand: 27.02.2020, 14:53 Uhr