Nazi im Dorfverein von Lindenau: Fußballverband machtlos?

Stand: 27.02.2020, 15:07 Uhr

Anfang November hatte Sport inside darüber berichtet, wie ein Neonazi das Dorf Lindenau und dessen Fußballverein unterwandert. Der zuständige Fußballverband bleibt untätig, Kritiker wurden unter Druck gesetzt.

"Parkelf erwache!" - Die Fußballer des SV Blau-Weiß Lindenau grüßen ihre Gegner vor einem Spiel frei nach dem Sturm-Lied der SA "Deutschland erwache". Einer der Lindenauer Spieler ist ein weithin bekannter Neonazi: Sebastian Raack.

Raack betreibt die einzige Kneipe im 700-Einwohner-Ort in Brandenburg nahe der sächsischen Grenze, er fördert Dorffeste und den Fußballverein. Direkt neben seiner Kneipe betreibt Raack den Online-Handel seines eigenen Modelabels für die rechtsextreme Szene und einen der größten Verlage für rechtsextreme Musik. Dazu gehört beispielsweise auch die Band "Stahlgewitter" mit Textzeilen wie: "Ruhm und Ehre der Waffen-SS".

Fußball-Verband Brandenburg bleibt inaktiv

Der zuständige Fußball-Verband Brandenburg (FLB) sieht sich in dieser Angelegenheit machtlos. "Zuerst ist es ein politisches Problem, das wir nicht alleine lösen können", sagte Stefan Götz vom FLB im November zu Sport inside. "Derzeit liegen keine spielrelevanten Vorkommnisse vor, keine Gerichtsverfahren oder ähnliches, um dort als FLB Einwirkungen zu nehmen. Von daher können wir das von unserer Stelle nicht beeinflussen, keine Spieler rausschmeißen oder Sonstiges."

Kann der Verband tatsächlich nichts machen gegen jemanden wie Raack, der einen Fußballverein unterwandert hat? Lars Leuschner, ein renommierter Vereinsrechtler von der Universität Osnabrück, sieht das anders. "Tatsächlich kann der Landesverband initiativ werden, denn in seinen Statuten ist ausdrücklich die Möglichkeit geregelt, dass einzelne Sportler ausgeschlossen werden, auch wenn es sich in dem Fall nur um ein Mitglied von einem Mitglied handelt."

Statuten des FLB behandeln Rechtsextremismus

Unter Paragraph 2 der Statuten heißt es: Der FLB "tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen ..."

Und weiter heißt es in der Rechts- und Verfahrensordnung: "Wer Schriften, Ton- oder Bildträger (…), die diskriminierende, rassistische, menschenverachtende (…) Inhalte haben (…) verbreitet oder sonst öffentlich zugänglich macht, wird mit Geldstrafen von 250 bis 5000 Euro bestraft."

Vereinsrechtler sieht Fußballverband in der Pflicht

All das ist bei Raack offenkundig der Fall, er ist mit rechtsextremer Musik wohlhabend geworden. Und auf den Facebook-Seiten einiger seiner Mitspieler beim SV Lindenau sind viele rechtsextreme Botschaften, Hass und Rassismus zu sehen.

Zwar habe der Landesverband kein Weisungsrecht, aber seine Statuten seien auch für den Verein Blau-Weiß Lindenau bindend. "Ich bin der Meinung, dass der Landesverband hier tätig werden muss, weil in seiner Satzung ausdrücklich steht, dass im Fall von fremdenfeindlichen und rassistischen Vorfällen die Organe des Verbandes von Amtswegen tätig werden müssen", sagt Vereinsrechtler Leuschner. "Das heißt, in diesen Fällen bedarf es keines Antrags eines Dritten oder einer andersartigen Initiative von außen, sondern der Verband muss aufgrund seiner eigenen Statuten hier tätig werden."

Kritiker gibt Ämter auf

So sieht es auch Sven Schaale, Mitglied im erweiterten Vorstand beim Fußballkreis Südbrandenburg. Er hatte seinen Verband wegen Untätigkeit massiv kritisiert und bekam anschließend Probleme. Er musste sich wegen seines Interviews bei Sport inside rechtfertigen, sollte sogar abgewählt werden.

"Es gab klar Gegenwind", sagt Schaale. "Mir wurde klargemacht, dass ich ein Nestbeschmutzer des Fußballkreises beziehungsweise des Vorstandes sei. Als dann dieser Abwahlantrag auf dem Tisch der Diskussionen lag, war mir klar, dass dieser Fußballkreis und der Fußballlandesverband nichts gegen Blau-Weiß Lindenau unternehmen wird."

Deshalb habe er sich entschlossen, seine Ämter aufzugeben, sagt Schaale. "Die stellen sich dahin mit ihren großen Parolen und Kampagnen gegen Rassismus. Aber wenn es dann wirklich drauf ankommt, dann schaffen sie es einfach nicht, sich zu positionieren. Das funktioniert so nicht."

Doku "Hass und Gewalt im Fußball"

Das WDR-Magazin Sport inside beschäftigt sich in der Doku "Hass und Gewalt im Fußball - Wie Neonazis Vereine unterwandern" mit antisemitischen und rassistischen Vorfällen auf Deutschlands Sportplätzen. Der Abschnitt über die Lage in Lindenau beginnt bei 10:48 Minuten.

Quelle: red/Matthias Wolf