Menschenrechtler - "FC Bayern wird Verantwortung nicht gerecht"

Stand: 28.11.2018, 13:02 Uhr

Seit Beginn der Saison ist die staatliche Fluglinie Katars einer der wichtigsten Sponsoren des FC Bayern. Im Interview mit Sport inside kritisiert Wolfgang Büttner von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Deal und fordert den Klub auf, Menschenrechtsverletzungen in Katar öffentlich anzusprechen.

Herr Büttner, warum ist der Sponsoren Vertrag des FC Bayern München mit Qatar Airways aus ihrer Sicht zu kritisieren?

Wolfgang Büttner: Qatar Airways ist ein staatliches Unternehmen. Und Katar ist immer noch für schwere Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land verantwortlich. Vor allem was die arbeitsrechtliche Situation, die Diskriminierungen von Lesben und Schwulen und auch die Pressefreiheit betrifft. Ich kann nicht ganz verstehen, warum der FC Bayern eine Partnerschaft mit einem so strittigen Land eingegangen ist. Wahrscheinlich liegt es am Geld. Aber als großer internationaler Fußballverein kann ich mir vorstellen, dass es viele große Unternehmen gibt, die interessiert sind mit dem FC Bayern Sponsorenverträge einzugehen. Ich glaube nicht, dass Qatar Airways das einzige Unternehmen ist, mit dem der FC Bayern einen Sponsorvertrag eingehen kann. Vor allem, wenn es um die Ärmelwerbung geht. Aber wenn er das macht, sollte er ganz klare Bedingungen setzen, was sich unmittelbar verbessern soll. Bayern München hat die Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen anzusprechen oder sich von der entsprechenden Partnerschaft zurückziehen. Diese Verantwortung ergibt sich aus den UN-Richtlinien für Wirtschaft und Menschenrechte.

Der FC Bayern erklärt, dass er die Probleme direkt mit den Partnern anspricht.

Büttner: Wir können nicht nachvollziehen, dass die Bayern dies klar in der Öffentlichkeit kommunizieren, wie sie Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen von Arbeiterrechten ansprechen. Ihrer Verantwortung werden die Bayern meiner Ansicht nach im Augenblick nicht ausreichend gerecht.

Auch andere Unternehmen machen Geschäfte in Katar und schweigen. Warum sollten die Bayern das anders machen?

Büttner: Dass andere Unternehmen Beziehungen zu Katar unterhalten, nimmt den Bayern nicht die Verantwortung darüber zu sprechen. Natürlich stehen auch die anderen Unternehmen vor dieser Herausforderung. Aber ich kann nicht ganz verstehen, warum die Bayern als wichtigster Fußballklub in Deutschland und einer der wichtigsten Klubs weltweit sich hier nicht klar dazu äußern. Ich kann mir vorstellen, dass das auch in der Öffentlichkeit positiv aufgefasst würde.

Welche Erkenntnisse hat Human Rights Watch über die Arbeitsbedingungen bei Qatar Airways?

Büttner: Wir haben die Arbeitsrechtsverletzungen bei Qatar Airways nicht direkt dokumentiert. Uns sind aber Berichte bekannt, dass dort grundlegende Arbeitsrechte verletzt werden. Dass beispielsweise schwangere Frauen das Unternehmen verlassen müssen und dass es andere Verletzungen gibt. Was wir immer wieder dokumentiert haben, sind Arbeitsrechtsverletzungen vor allem auf den Baustellen. Es hat in der letzten Zeit Ankündigungen in Katar gegeben, dass es dort zu einer Verbesserung kommen soll. Es gab die Ankündigung, dass das Kafala-System abgeschafft oder verändert werden soll. Katar hat jetzt auch einen Mindestlohn eingeführt. Es gibt auch Verbesserungen bei den Mechanismen, wie sich Arbeitsemigranten über Unternehmen beschweren können. Allerdings sind vieler dieser Reformen noch nicht umgesetzt. Wir erwarten von Katar, ganz klare Vorgaben zu geben und zu zeigen, wie diese angekündigten Reformen in den nächsten Monaten tatsächlich praktisch umgesetzt werden können.

Die nächste Fußball-WM findet 2022 in Katar statt. Wie schätzen Sie die Bedingungen auf den WM-Baustellen ein?

Büttner: Auf den WM-Baustellen hat sich das Organisationskommittee in Katar zu wesentlichen Verbesserungen verpflichtet. Beispielsweise was die Arbeit unter der extremen Hitze anbelangt. Da wird jetzt nicht mehr nur noch zu bestimmten Tageszeiten gearbeitet, sondern abhängig von den Temperaturen. Das erkennen wir an. Allerdings werden ja nicht nur die Stadien gebaut, sondern auch Infrastruktur um die Stadien herum - Hotels, Straßen und so weiter. Und da können wir bis jetzt nicht erkennen, dass es eine wesentliche Verbesserung gibt. Darum ist es wichtig, dass die von Katar angekünigten Reformen auch tatsächlich umgesetzt werden. Das muss in den nächsten Wochen oder Monaten passieren, weil die Arbeiter jetzt auf den Baustellen aktiv sind, um die Infrastruktur zu bauen, damit dann die WM 2022 auch tatsächlich stattfinden kann.

Was erwarten sie in diesem Zusammenhang von Bayern München?

Büttner: Alle großen Infrastrukturprojekte in Katar darunter auch der Doha International Airport, wurden mit Arbeitsmigranten gebaut. Und diese Arbeitsmigranten haben alle unter Verletzungen von Arbeiterrechten gelitten. Alle mussten sich dem Kafala-System unterwerfen. Das heißt, sie waren direkt an den Arbeitgeber gebunden, der die Möglichkeit hat Pässe einzuziehen. Sie mussten unter extremer Hitze arbeiten. All dies waren Probleme auch bei dem Bau des Flughafens, wie auch bei anderen Infrastrukturprojekten. Da sollte der FC Bayern schon nachfragen, was da eigentlich passiert ist und sicherstellen, dass das mit seinen Werten und Überzeugungen, was die Menschenrechte betrifft, in Übereinstimmung ist. Es ist ganz wichtig, dass die Bayern sich für eine Verbesserung der Arbeitsrechte engagieren und mit den Vertretern des Landes darüber sprechen, weil die angekündigten Reformen noch nicht umgesetzt worden sind. Wir können zwar einzelne Verbesserungen erkennen, allerdings sind die großen Reformen, wie die etwa die Abschaffung des Kafala-Systems, noch nicht Realität. Hier haben die Bayern die Verantwortung, gemeinsam mit der FIFA weiterhin Druck auszuüben, damit es tatsächlich zu einer praktischen Änderung kommt.

Das Interview führte Matthias Wolf