Interview mit dem ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter

Babak Rafati fordert DFB-Spitze zum Dialog auf

Stand: 28.10.2017, 18:00 Uhr

Es rumort im deutschen Schiedsrichterwesen. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati, der 2011 einen Selbstmordversuch unternahm, fordert im Interview mit Sport inside, dass der DFB die Probleme endlich offen anspricht.

Sport inside: Herr Rafati, haben das Schiedsrichterwesen und der DFB aus ihrem Fall gelernt und Konsequenzen gezogen?

Babak Rafati: Der DFB war damals und ist auch heute komplett überfordert mit diesem Thema. Gerade mit dem Bewusstsein, was passiert ist, der Suizidversuch in meinem Fall oder auch mit den Anschuldigungen von Manuel Gräfe aktuell, müssen sie eigentlich etwas tun. Sich zusammensetzen, die Missstände aufklären. Es wäre nicht gut, das ganze wieder zu ignorieren und einfach im Sande verlaufen zu lassen.

Sie haben den Führungstil ihrer damaligen Vorgesetzten kritisiert, namentlich Herbert Fandel und Hellmut Krug. Auch Manuel Gräfe hat deren Verhalten an der Spitze des Schiedsrichterwesens in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel zu Saisonbeginn kritisiert und auch ihren Fall noch einmal angesprochen. Das scheint offensichtlich noch ein Thema zu sein.

Rafati: Ja, natürlich ist das noch ein Thema. Die meisten Schiedsrichter haben damals mitbekommen, was die beiden mit mir gemacht haben. Unabhängig von meinen Fehlern. Ich habe Fehler gemacht auf dem Platz, das ist unumstritten. Aber die Antwort auf diese Fehler, unmenschliche Mechanismen anzuwenden, war halt einfach nicht in Ordnung. Nur, eins ist auch klar: Die Schiedsrichter hatten danach nicht die Möglichkeit, das anzusprechen, weil sie in dieser Situation ihren Job hätten verlieren können. Der DFB hat damals sogar diesen Schiedsrichtern ein Redeverbot erteilt. Insofern ist es so, wie es ist und das ist traurig. Aber ich glaube nach den letzten Wochen, dass sich da was tut. Nicht weil man etwas gelernt hat, sondern diese Mechanismen weiter angewendet werden. Und das ist nicht gut.

Sie haben ja noch Kontakt zu Schiedsrichtern, was hören Sie von denen?

Rafati: Ich bin ganz nah dran und bekomme natürlich mit, dass dieses System nicht aufgehört hat und weiter gespielt wird.

Warum sind Fandel und Krug trotzdem immer noch aktiv im deutschen Schiedsrichterwesen?

Rafati: Die DFB-Spitze schaut immer noch weg und kommt nicht zu dem Ergebnis, sich zusammenzusetzen und die Dinge anzusprechen. Sie werden schon wissen, warum sie das tun. Ich habe es irgendwann akzeptiert. Es war für mich am Anfang schwierig, aber ich habe es akzeptiert. Ich kenne die Hintergründe und die Motive, insofern ist es für mich einfach, die Zusammenhänge zuzuordnen.

Was für Motive sind das?

Rafati: Das sind Dinge, da müsste man tief einsteigen. Im Moment ist es nicht gut, darüber zu sprechen, weil das Dinge sind, die man gemeinsam mit dem DFB ansprechen müsste. Mir geht es nicht darum draufzuhauen, sondern dass wir gemeinsam eine Lösung finden, damit solche Fälle nicht wieder passieren. Deshalb ist es nicht gut, da jetzt nochmal nachzukarten. Das Was in der Vergangenheit ist nicht entscheidend. Das Wie in der Zukunft, danach müssen wir schauen.

Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit ein Umdenken stattfindet und eine andere Atmosphäre entsteht?

Rafati: Wir müssen in aller Sachlichkeit, aber auch in aller Deutlichkeit zusammen an einen Tisch und die Missstände aufdecken. Solange man sich nicht mit den eigentlichen Problemen befasst, sondern nur auf eigene Vorteile, auf eigene persönliche Präferenzen schaut, wird man das Problem einfach nur nach hinten verlagern. In ein, zwei, drei Jahren haben wir dann vielleicht andere Dinge als nur einen Suizidversuch. Und nochmals: Es geht nicht darum Schuldige zu suchen, sondern wirklich nur darum, dass wir im Sport, im Fußball, als DFB eine Vorbildfunktion ausüben und sagen: Ja, da laufen Dinge falsch, das muss man anders machen, damit das in der Zukunft nicht mehr so läuft. Denn das, was da läuft, ist unmenschlich, das ist systematisch und das darf so nicht sein.

Inwiefern glauben Sie, dass die Führung des DFB, dass DFB-Präsident Reinhard Grindel, für eine Kultur der Änderung stehen?

Rafati: Ich kenne Herrn Grindel nicht persönlich. Es steht mir nicht zu, das zu bewerten, inwieweit er da bereit ist. Fakt ist nur, bis jetzt hat sich bei mir niemand gemeldet. Ich kann nur immer wieder signalisieren, dass ich für ein Gespräch bereit bin. Nochmal: Es geht einfach nur darum, für den Sport, für die Bundesliga, dass der Mensch wieder im Vodergrund steht.

Aus welchem Grund nimmt der DFB ihr Angebot nicht an?

Rafati: Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Durch meine Schilderung dessen, was passiert ist, hat der DFB eine gewisse Distanz aufgebaut, weil man sagt, das das gehört nicht in die Öffentlichkeit. Kann man so sehen, ist auch in Ordnung. Es geht aber nicht darum, wer schuldig war. Ich sage immer wieder, für die Nacht bin ich ganz alleine verantwortlich. Hier geht es wirklich nur darum, dass wir uns wieder in die Augen schauen, dass wir über alles sprechen können, eine Fehlerkultur leben, eine Unternehmenskultur an den Tag legen. Deswegen sage ich: Ich bin für ein Gespräch bereit. Ich bin total offen. Ich bin auch absolut ergebnisoffen. Hier geht es nicht um Babak Rafati, nicht um die Schiedsrichter, sondern das gesamte Konstrukt Bundesliga-Fußball.

Eine ähnliche Reaktion wie auf ihre Äußerungen damals gab es jetzt auch auf das Interview von Manuel Gräfe. Es gab sofort eine abwehrende Haltung. Hellmut Krug hat gesagt, so etwas mache man nicht. Gräfe wurde sofort als Nestbeschmutzer in die Ecke gestellt.

Rafati: Es geht um Klarheit in der Kommunikation. Wenn Manuel Gräfe so etwas sagt oder ich so etwas geschrieben habe, dann geht es auch um Männer. Da sitzen zwei Machthaber, der eine ist Schiedsrichter in einer starken Position, der andere ist in einer Führungsposition. Da geht es nur darum: Ich schieße und der andere antwortet, um sich zu verteidigen. Es geht leider nicht darum zuzuhören, um zu verstehen, worum es eigentlich geht. Auch da steigen wir in die Psychologie ein. Wenn wir es schaffen wieder zuzuhören, um zu verstehen, kann sich etwas verändern. Aber so lange ich mir so wichtig vorkomme und sage: Das kann doch nicht sein, dass der Rafati über den DFB schreibt, so lange wir diese Haltung nicht aufgeben und uns nicht öffnen für kritische Äußerungen, die der Sache dienen, kommen wir nicht weiter.

Das Interview führte Benjamin Best