Jacky und die süße Gier

Menschen hautnah 29.06.2023 58:20 Min. UT Verfügbar bis 31.12.2099 WDR Von Julia Horn


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Jacky und die süße Gier

Sie isst Sahne pur, "sie" ist eigentlich ein Mann, und sie kämpft um ihr Überleben. Es ist die Geschichte von Jacky D. aus Köln, die 360 Kilo wiegt und nicht nur gegen ihr Gewicht kämpft, sondern um vieles mehr in ihrem Leben. Drei Jahre hat WDR-Autorin Julia Horn sie begleitet und erlebt, wie sie versucht, ihrer Isolation zu entkommen, sich zu verlieben und ihr Leben, das von ihrer Fresssucht bedroht wird, zu retten.

In einer kleinen Wohnung fängt alles an, ihrem "goldenen Käfig", wie sie die 40 Quadratmeter nennt. "Golden", weil sie dort der Chef ist und ihr niemand zu nahe treten kann. "Käfig", weil sie sich gefangen fühlt in einer Welt, die nur aus Essen und Langeweile besteht. Bilder von der Welt da draußen gibt es nur drinnen, im Fernsehen. Sie traut sich alleine kaum hinaus, denn die Blicke der anderen bleiben unweigerlich an ihr haften. Das erstaunt nicht, denn als "Zwei-Meter-Frau", die sich grell schminkt und immer wortstark sagt, was sie denkt, fällt sie auf - ob sie es will oder nicht.

Ein Arzt, der sie das erste Mal wiegt, konfrontiert sie mit der Frage, ob sie ihr Gewicht auch in Kauf nimmt, um aufzufallen. Gleichzeitig ist er bestürzt über ihre Korpulenz: "Ich habe so einen dicken Menschen noch nie gesehen." Insgesamt 290 Kilo sind auf zwei Waagen zu lesen, und im Laufe der nächsten zwei Jahre klettert das Gewicht auf 360 Kilo. Für Diäten ist es längst zu spät, und die Ärzte sagen ihr, dass sie stirbt, wenn sie sich nicht den Magen verkleinern lässt. Doch auch die Operation ist aufgrund des hohen Gewichts lebensgefährlich. Sie muss sich entscheiden.

Jacky und zwei Freunde werden von Hinten gezeigt während sie im Rhein stehen.

Jacky D. geht mit Freunden im Rhein schwimmen.

In dieser aufwühlenden Phase lernt Jacky Ulrike kennen, und beide versuchen sich in einer Liebesbeziehung. Sie sind ein ungleiches Paar, von außen wie auch von innen. Die Beziehung scheitert heftig im Streit, doch Ulrike bleibt hartnäckig an der Seite von Jacky. Sie pflegt sie und sitzt am Krankenbett vor der Operation. Jacky hat sich zu einer Magen-Bypass-Operation entschlossen, denn sie kann kleinste Dinge im Alltag nicht mehr bewältigen. Sie passt nicht mehr in die Dusche, nicht auf die Toilette, kann ihre kranken Beine nicht versorgen, und auch innerlich fühlt sie sich bewegungslos und starr. Jetzt oder nie in ein neues Leben.

Jacky überlebt die Operation, und zehn Monate später ist alles anders als zuvor. Sie zieht mit Ulrike zusammen, und beide schmieden Heiratspläne. Mit neuem Selbstbewusstsein geht sie raus in eine der größten Einkaufspassagen, sucht Trauringe aus und lässt sich von Passanten betrachten. Auffallen tut sie immer noch, doch es macht ihr nichts mehr aus. Es gefällt ihr sogar, denn Jacky hat inzwischen 120 Kilogramm abgenommen und fühlt sich körperlich viel wohler: "Ich sage mal, in jedem Mensch ist ein Voyeur, jeder hat seine Neigung ... ich bin ich, und das ist einfach so ... die Welt braucht so außergewöhnliche Menschen!"

Ein Film von Julia Horn
Redaktion: Enno Hungerland