Ihr Meinung

Ihre Meinung: Kaputte Brücken, marode Straßen, Dauerstau - Was muss sich ändern?

Stand: 15.12.2016, 07:00 Uhr

  • Diskussion um Verkehr in NRW
  • Zuschauer kritisieren Politiker
  • Ehemaliger NRW-Verkehrsminister überrascht über Aussagen der Bürgerinitiative zum Rheintunnel in Leverkusen

Nirgendwo in Deutschland stehen Auto- und Lkw-Fahrer öfter und länger im Stau als in NRW. Zum Beispiel zwischen Mettmann und Köln: Drei Stunden habe er zur Arbeit gebraucht, manchmal, sagt ein gelernter Uhrmacher - für einen Weg von 38 Kilometern. Irgendwann habe er sich dann aus diesem Grund einen anderen Job gesucht. Die jüngere Dame am selben Tisch wird emotionaler. Sie hat ein ähnliches Problem: Sie pendle täglich von Recklinghausen nach Gevelsberg. "Ich brauche im Schnitt für eine Strecke 1,5 Stunden, das Navi sagt 35 Minuten." Nichts könne sie dagegen machen. Deshalb werde sie einfach mit jedem Tag wütender. Gibt es keine Alternative? Die Bahn? "Nein." Von Recklinghausen aus irgendwo hin zu kommen sei aussichtslos.

Stau, marode Straßen, kaputte Brücken

100 Zuschauer haben am Mittwochabend (14.12.2016) in der Sendung "Ihre Meinung" mit Bettina Böttinger über das Thema Verkehr diskutiert. Es ging um Stau, marode Straßen und kaputte Brücken, um Alternativen zum Straßenverkehr – und um die Frage: Was ist bloß los mit der Infrastruktur in unserem Land?

Wütend sei sie. Auch auf die Politik, die nichts mache, sagte eine andere Frau und bekommt Zustimmung aus dem Publikum. Den meisten Gästen im Studio passiert zu wenig – vor allem in Bezug auf Investitionen ins Verkehrsnetz. Und genau an dieser Stelle gibt es offenbar auch ein Problem.

Wer Baustellen schafft, macht sich unbeliebt

Der Straßenbau wurde in der Vergangenheit vernachlässigt, möglicherweise mit System, erklärt Stauforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen. Denn zu sanieren, das gelte unter Politikern als undankbar. Solche Politiker würden Baustellen und Stau schaffen - und dann nicht mehr gewählt.

So wurde auch dem ehemalige NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke vorgeworfen, in seiner Zeit als Minister nicht alle Bundesmittel für Straßenbaumaßnahmen abgerufen zu haben. Wittke widersprach. Laut Faktencheck hat er für die Zeit von 2005 bis 2009 weitgehend Recht.

Zwar wurden einige Summen in einzelnen Jahren nicht abgerufen, etwa 850.000 Euro im Jahr 2007, die allermeisten Bundesmittel aber wurden von 2005 bis 2009 eingesetzt. Allerdings hat Ex-Verkehrsminister Wittke ab 2005 Personal beim Landesbetrieb Straßenbau NRW abgebaut. Das hatte zur Folge, "dass nicht ausreichend weitere Planungen für neue Fernstraßenprojekte bis zur Baureife vorbereitet werden konnten", wie es in einer Stellungnahme der Landesregierung heißt.

Leverkusener Brücke - komplette Sperrung jederzeit möglich

Ein Ort, an dem der Sanierungsstau in NRW täglich deutlich wird: die Leverkusener Brücke. Sie gilt als Stauverursacherin Nummer eins in NRW. 2012 attestieren Fachleute der Brücke einen "kritischen Bauwerkzustand". Es gibt Risse in der Tragwerkskonstruktion. Für Lkw ist sie längst gesperrt. Autos dürfen noch über die marode Brücke fahren, etwa 100.000 sind es jeden Tag. Doch eine komplette Sperrung droht, wenn sich der Zustand weiter verschlechtert.

Straßen.NRW will mit Bauvorbereitungen starten, um die alte Brücke so schnell wie möglich durch einen Neubau ersetzen zu können. Doch die neue Brücke soll auch durch die Dhünnaue gehen, eine Giftmülldeponie und ehemalige Kippstelle der Bayer AG und der Stadt Leverkusen. Die Deponie, die versiegelt ist, müsste dann wieder geöffnet werden. Giftige Stoffe könnten in die Luft gelangen. Das macht den Anwohner Angst; sie und einige Experten sprechen von einem unkalkulierbaren und nicht beherrschbaren Risiko, unter Umständen auch für vorbeifahrende Autos.

Wurden alle Vorschläge geprüft?

Eine Bürgerinitiative fordert einen Tunnel. Elfriede Sauerwein-Braksiek, Leiterin Straßen.NRW, nannte den Bau einer neuen Brücke und das Bebauen der Deponie wiederholt alternativlos. Die Leverkusener Bürgerinitiative widersprach. Der Vorschlag, etwa einen Tunnel statt der Brücke zu bauen, sei gar nicht geprüft worden. Das überraschte dann sogar den ehemaligen NRW-Verkehrsminister. Der hatte zuvor gefordert, alles müsse auf den Tisch und diskutiert werden.

Unstrittig ist derweil die Gefahr für die Gesundheit durch Feinstaub und Stickstoffdioxid aus den Auspuffrohren von Diesel-Autos. Laut Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe, birgt dies ein großes Gesundheitsrisiko, womit er laut Faktencheck recht hat. Jährlich gibt es etwa 47.000 vorzeitige Todesfälle durch schlechte Luft, das sind Zahlen des Bundesamtes.

Fazit der Sendung? "Wir müssen umdenken", sagte ein Zuschauer, der mit Bahn und Hand-Bike angereist war. Was bedeutet das? Mehr Bus fahren, Bahn fahren, ÖPNV ausbauen, Carsharing, Radfahren, Fahrradwege ausbauen.