Der Kölnturm im Mediapark

Alles auf Anfang – die 90er

Stand: 03.10.2018, 15:30 Uhr

Bottrop träumte vom "Hollywood im Revier", EinsLive ging auf Sendung und die Telekom an die Börse. Das Ruhrgebiet mit seinen alten Zechen und Hochöfen wurde zum grünen Naherholungsgebiet und Nordrhein-Westfalen zum Film- und Medienland. Vieles begann in den 90ern.

Zum Abschluss der zehnteiligen Reihe über die 80er Jahre im Westen werfen wir einen Blick auf das Jahrzehnt, in dem das Land vor einem Neubeginn stand.

Die alte Hauptstadt Bonn startete als "Bundesstadt" ins neue Jahrzehnt – und bekam zum Ausgleich u.a. prächtige Museen. Wolfgang Clement löste als neuer Ministerpräsident Johannes Rau ab, der das Land durch die Krisen und Stürme der 80er geführt hatte.

Die 90er Jahre in NRW

Schumi wird Weltmeister, der Rosenmontagszug fällt aus, die Erde bebt und Bonn ist nicht mehr Hauptstadt: Erinnerungen an ein ereignisreiches Jahrzehnt, das unser Land verändert hat.

Eigentlich hätte der Bundestag hier tagen sollen: Anfang der Neunziger wurde diskutiert, den Bundestag in Bonn zu belassen - immerhin wurde gerade an dem neuen Bonner Parlamentsgebäude gebaut. Doch mit 338 zu 320 Stimmen entschieden sich die Parlamentarier für den Umzug nach Berlin. Und Bonn bekam ein Kongresszentrum.

Gleich zweimal fiel in den 90er der Rosenmontagszug aus: Zuerst 1990 wegen Sturms und im Jahr darauf wegen des Beginns der zweiten Golfkrieges. Der "Zoch" kam trotzdem: Als Friedensdemo und "Geisterzoch".

Michael Schumacher machte seit 1991 den Rennsport in Deutschland wieder populär und seine Heimatstadt Kerpen bei Köln bundesweit bekannt. Seinen ersten Titel gewann er 1994. Dieser Titel hatte jedoch einen bitteren Beigeschmack, da sein größter Konkurrent Ayrton Senna während der Saison durch einen Rennunfall verstarb.

1993 mussten viele Rheinanleger ihre Weihnachtsbäume per Boot nach Hause transportieren. Es war vor allem der heftige Dauerregen, der Köln am Heiligabend einen Pegel von 10,63 Meter und dem ganzen Rheinland ein Jahrhunderthochwasser bescherte.

Ein Kreuz für Rheinhausen: Der 160 Tage dauernde Arbeitskampf und der Protest von 100.000 Menschen im ganzen Revier war letztlich vergeblich. 1993 blies Krupp den letzten Hochofen aus und schloss sein Hüttenwerk in Rheinhausen. Auf dem alten Werksgelände ist mittlerweile ein Logistikzentrum mit 5000 Arbeitsplätzen entstanden.

Harald Schmidt ist zwar gebürtiger Schwabe, aber in den 90ern nicht aus der Medienstadt Köln wegzudenken. Nach den WDR-Sendungen "Psst…" und "Schmidteinander" mit Herbert Feuerstein wechselte er zu Sat.1, wo er das Genre des Late Night Talks nach Deutschland importierte. Die Mischung aus intelligenten und zynischen Witzen mit vielen Gästen aus Pop- und Hochkultur war bis dahin in Deutschland einzigartig.

Auch ein Star der 90er: Helge Schneider. Mit seinem Song "Katzeklo" schaffte die "Singende Herrentorte" aus Mülheim/Ruhr 1994 den Sprung in die Charts. Dann kam sein Film "Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem" und machte Helge endgültig zum Kult. Helge Schneider steht bis heute für die Kombination von Hochkultur und höherem Blödsinn – als Jazzmusiker, Regisseur, Autor, Schauspieler, Maller und Komiker.

Ministerpräsident Johannes Rau mit Ehefrau Christina und sein "Kronprinz" Wolfgang Clement (l.). Als Rau 1998 Bundespräsident wurde und nach Berlin ging, empfahl er den Genossen in NRW, Clement zu seinem Nachfolger zu wählen. Diese folgten dem Rat, und Clement führte die Koalition aus SPD und Grünen bis zur Jahrtausendwende.

1996 ernannte die UNESCO den Kölner Dom zum Kulturerbe – nach dem Aachener Dom (1978) und den Schlössern Augustusburg und Falkenlust in Brühl (1984) der dritte Ort in NRW. Heute gehören noch die Zeche Zollverein (2001) und Schloss Corvey (2014) dazu.

Die Pötte im Pott: 1997 gewann zuerst Schalke den UEFA Cup und eine Woche später Borussia Dortmund die Champions League. Was für ein Jubel! Gemeinsam feierten die Fans, in den Stadien wurde "Ruhrpott!" skandiert.

In Düsseldorf musste die SPD jetzt mit einem grünen Koalitionspartner auskommen – und sich mit ihm auch über die Zukunft der Braunkohle einigen.

Und in Köln starteten Musiker eine Kampagne gegen Rassismus und Neonazis – und 100.000 kamen zum Solidaritätskonzert.

Der Oberhausener Gasometer feiert sein 20. Jubiläum

Gasometer Oberhausen: früher Industriebau, heute Museum und Veranstaltungsort.

Neue Bundeshauptstadt, neue Ideen für die alten Industrieregionen, neue Wirtschaftszweige. Nordrhein-Westfalen änderte sein Gesicht. Immer weniger Menschen machten sich bei der Arbeit dreckig. Die großen Arbeitgeber waren jetzt Medien, Dienstleister und der wachsende Mittelstand.

Dort, wo früher malocht wurde, baute man das zu dieser Zeit größte Einkaufscenter Deutschlands, das CentrO Oberhausen. Köln bekam einen Mediapark, wo Musiksender wie EinsLive und Viva ihren Sitz und Europas größte Musikmesse Popkomm ihren Ursprung fand.

Neue Stars tauchten auf: Stefan Raab, Anke Engelke, Harald Schmidt - "Dirty Harry" brachte den legeren Ton der amerikanischen Late Night Talker ins deutsche Fernsehen.

Ein Film von Anke Rebbert und Anja Booth
Erzählt von Thorsten Schorn
Redaktion: Monika Pohl und Barbara Schmitz