Buchtipps vom 15.04.2021

Buchtipp: Erwachsene Menschen

Stand: 14.04.2021, 23:17 Uhr

Von Christine Westermann

Titel: Erwachsene Menschen
Autor: Marie Aubert
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3498001906
ISBN-13: 978-3498001902

Die Autorin

Ist in Oslo geboren, 42 Jahre alt, die Geschichte von den zwei Schwestern ihr Debütroman, der in Norwegen nach Erscheinen sofort auf den Bestsellerlisten stand.

Die Handlung

Erwachsen: Wird man das eigentlich jemals richtig, so zu hundert Prozent? Hängen einem nicht immer noch kleine Kindheitsdramen nach, Familienkonflikte, die schwelen, und, wie in diesem Roman, zu Brandherden werden können? Die Geschichte spielt in Norwegen, es ist Sommer, eine Familie trifft sich, um den 65. Geburtstag der Mutter zu feiern. Die kommt mit ihrem Lebensgefährten zu ihren Töchtern ins Ferienhaus. Die eine, Ida, ist gerade mal vierzig, mit leichter Torschlusspanik. Sie wartet noch immer darauf, dass endlich der Mann fürs ganze Leben auftaucht. Einer, der mit ihr zusammenbleiben und Kinder haben will. Für den Fall, dass der doch nicht kommt, hat sie beschlossen, ein paar Eizellen einfrieren zu lassen. Ihre Schwester Marta ist verheiratet mit Kristoffer, der seine kleine Tochter aus einer früheren Beziehung mit in diese Ehe gebracht hat. Ein Kind, noch dazu ein Stiefkind, ist Martha zu wenig, sie will ein eigenes, versucht seit Jahren schwanger zu werden, vergeblich. Diese Familie also trifft sich jetzt, um ein paar harmonische Tage miteinander zu verbringen. Harmonisch kann nicht funktionieren. Stattdessen knirscht und kracht es von Minute eins ihres Zusammenseins an.

Die Bewertung

Ich habe selten in einem Roman eine derart konzentrierte, stille emotionale Spannung verspürt, die sich von Seite zu Seite steigert. Zwischen den beiden Schwestern stimmt es hinten und vorne nicht, beide ringen miteinander um die Vorherrschaft in dieser Familie. Wer ist Mamas liebstes Kind, wer wird bevorzugt, wer muss nachgeben, wer tut mehr für die Familie. Die kleinen Wunden, die die beiden Schwestern sich in der Kindheit zugefügt haben, jetzt brechen sie wieder auf. Als sie längst erwachsene Menschen sind, in ihren Herzen aber noch immer die Kinder von damals. Das verfolgt man mit großer Neugier, und sicher auch Erstaunen über die Psychospielchen, die den Schwestern einfallen. Überraschend kommt das kein bisschen erdenschwer daher, im Gegenteil, es ist fast federleicht geschrieben, witzig aber auch bitterböse. „Marie Aubert“, heißt es im Klappentext, „erzählt von denen, die wir lieben – und davon, was wir ihnen antun, wenn wir nicht kriegen, was wir wollen.“ Besser und treffender kann man die Essenz dieses Familienromans nicht beschreiben.