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Der Kölnturm im Mediapark

Neubeginn – die 90er

Stand: 25.07.2016, 08:00 Uhr

Immer weniger Menschen in NRW machten sich bei der Arbeit dreckig. Medien, Dienstleistung und Kultur wurden zu neuen, angesagten Arbeitgebern im Land.

Der tiefgreifende Wandel veränderte die Bedürfnisse der Bewohner, das Selbstverständnis und auch die Landschaft.

Die 90er Jahre in NRW

Schumi wird Weltmeister, der Rosenmontagszug fällt aus, die Erde bebt und Bonn ist nicht mehr Hauptstadt: Erinnerungen an ein ereignisreiches Jahrzehnt, das unser Land verändert hat.

Eigentlich hätte der Bundestag hier tagen sollen: Anfang der Neunziger wurde diskutiert, den Bundestag in Bonn zu belassen - immerhin wurde gerade an dem neuen Bonner Parlamentsgebäude gebaut. Doch mit 338 zu 320 Stimmen entschieden sich die Parlamentarier für den Umzug nach Berlin. Und Bonn bekam ein Kongresszentrum.

Gleich zweimal fiel in den 90er der Rosenmontagszug aus: Zuerst 1990 wegen Sturms und im Jahr darauf wegen des Beginns der zweiten Golfkrieges. Der "Zoch" kam trotzdem: Als Friedensdemo und "Geisterzoch".

Michael Schumacher machte seit 1991 den Rennsport in Deutschland wieder populär und seine Heimatstadt Kerpen bei Köln bundesweit bekannt. Seinen ersten Titel gewann er 1994. Dieser Titel hatte jedoch einen bitteren Beigeschmack, da sein größter Konkurrent Ayrton Senna während der Saison durch einen Rennunfall verstarb.

1993 mussten viele Rheinanleger ihre Weihnachtsbäume per Boot nach Hause transportieren. Es war vor allem der heftige Dauerregen, der Köln am Heiligabend einen Pegel von 10,63 Meter und dem ganzen Rheinland ein Jahrhunderthochwasser bescherte.

Ein Kreuz für Rheinhausen: Der 160 Tage dauernde Arbeitskampf und der Protest von 100.000 Menschen im ganzen Revier war letztlich vergeblich. 1993 blies Krupp den letzten Hochofen aus und schloss sein Hüttenwerk in Rheinhausen. Auf dem alten Werksgelände ist mittlerweile ein Logistikzentrum mit 5000 Arbeitsplätzen entstanden.

Harald Schmidt ist zwar gebürtiger Schwabe, aber in den 90ern nicht aus der Medienstadt Köln wegzudenken. Nach den WDR-Sendungen "Psst…" und "Schmidteinander" mit Herbert Feuerstein wechselte er zu Sat.1, wo er das Genre des Late Night Talks nach Deutschland importierte. Die Mischung aus intelligenten und zynischen Witzen mit vielen Gästen aus Pop- und Hochkultur war bis dahin in Deutschland einzigartig.

Auch ein Star der 90er: Helge Schneider. Mit seinem Song "Katzeklo" schaffte die "Singende Herrentorte" aus Mülheim/Ruhr 1994 den Sprung in die Charts. Dann kam sein Film "Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem" und machte Helge endgültig zum Kult. Helge Schneider steht bis heute für die Kombination von Hochkultur und höherem Blödsinn – als Jazzmusiker, Regisseur, Autor, Schauspieler, Maller und Komiker.

Ministerpräsident Johannes Rau mit Ehefrau Christina und sein "Kronprinz" Wolfgang Clement (l.). Als Rau 1998 Bundespräsident wurde und nach Berlin ging, empfahl er den Genossen in NRW, Clement zu seinem Nachfolger zu wählen. Diese folgten dem Rat, und Clement führte die Koalition aus SPD und Grünen bis zur Jahrtausendwende.

1996 ernannte die UNESCO den Kölner Dom zum Kulturerbe – nach dem Aachener Dom (1978) und den Schlössern Augustusburg und Falkenlust in Brühl (1984) der dritte Ort in NRW. Heute gehören noch die Zeche Zollverein (2001) und Schloss Corvey (2014) dazu.

Die Pötte im Pott: 1997 gewann zuerst Schalke den UEFA Cup und eine Woche später Borussia Dortmund die Champions League. Was für ein Jubel! Gemeinsam feierten die Fans, in den Stadien wurde "Ruhrpott!" skandiert.

Als Symbole für die neue Zeit wuchsen imposante Bauwerke gen Himmel. International renommierte Architekten entwarfen ungewöhnliche Gebäude und definierten ganze Stadtbilder neu. Gleichzeitig wurde Bestehendes umgestaltet: Mächtige Zeugen der Vergangenheit wie der Landschaftspark Duisburg rund um das stillgelegte Hüttenwerk in Meiderich wurden zu Landmarken der Gegenwart. Wie auch der Gasometer Oberhausen. In dem alten Industriebau entstand ein Museum, mit dem bis dato größten Einkaufszentrum Deutschlands im Umfeld.

Der Oberhausener Gasometer feiert sein 20. Jubiläum

Gasometer Oberhausen: früher Industriebau, heute Museum und Veranstaltungsort.

Im Ruhrgebiet wurde aus einer Industrie- eine gigantische Kulturlandschaft. Das hatte es so noch nicht gegeben., In Köln entstand der Mediapark, wo Musiksender wie EinsLive und Viva ihren Sitz und Europas größte Musikmesse Popkomm ihren Ursprung fand. Gleichzeitig schossen am Stadtrand große Filmstudios aus dem Boden: Fernsehgesichter wie Stefan Raab oder Anke Engelke wurden zu den Stars der kommenden Jahre. Doch kaum jemand prägte den Ton der 90er so wie Harald Schmidt, der sich nach amerikanischem Vorbild als Late-Night-Talker erfand.

Ein Film von Anke Rebbert
Erzählt von Annette Frier
Redaktion: Thomas Kamp und Monika Pohl