Besondere Menschen

Im Pott schlägt das Herz von Nordrhein-Westfalen, und die Menschen aus dem Ruhrgebiet sind von ganz besonderem Schlag. Die Reihe "Alle Augen Auf..." lenkt dieses Mal den Fokus auf Ruhrgebietsgrößen und ihre emotionalen Geschichten.

Gustav Heinemann (23.07.1899)
"Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau" – der dritte Bundespräsident macht sich im Nachkriegsdeutschland stark für Bürger- und Menschenrechte. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, 40 Jahre lang lebt er in der Essener Schinkelstraße. Seine Leidenschaft gilt der Demokratie.

Nach dem Krieg, von 1945 bis 1949, ist der Jurist als CDU-Mitglied Oberbürgermeister von Essen und in den Jahren 1947 und 1948 außerdem Justizminister von Nordrhein-Westfalen. 1949 wird Heinemann dann Innenminister, aber nach einem Jahr legt er das Amt nieder, weil er ein Gegner der von Konrad Adenauer eingeleiteten Wiederbewaffnung ist.
Nach einer Phase der eigenen Parteigründung der GVP, tritt Gustav Heinemann 1957 der SPD bei. Von 1966-1969 ist er Justizminister und führt viele Reformen durch. 1969 wir Heinemann schließlich zum Bundespräsidenten gewählt. 1976 stirbt der Politiker in Essen.

Patin: Ute Iserloh, Kulturwissenschaftlerin und Stadtführerin aus dem Ruhrgebiet – wandelt mit uns auf den historischen Spuren Heinemanns.

Heinz Kaminski (15.6.1921)
Er hat das Ruhrgebiet mit dem Weltraum verbunden... Der Bochumer ist eigentlich Chemieingenieur von Beruf, wird im Zweiten Weltkrieg aber als Marinefunker eingesetzt und entwickelt sich aus privatem Antrieb zum Weltraumforscher.

Nach dem Krieg gründet der Selfmade-Astronom die Sternwarte Bochum. Und in seinem Haus baut Kaminski sich eine Funkempfangsstation, mit der er Funksignale aus dem Weltall empfangen konnte. So kommt es, dass Heinz Kaminski am 5. Oktober 1957 der Erste außerhalb der Sowjetunion ist, der die Signale des ersten künstlichen Satelliten „Sputnik“ hören kann.Unter seiner Leitung wird die Volkssternwarte Bochum in den 60er Jahren so ausgebaut, dass sie den Anschluss an die internationale Weltraumforschung schafft - 1969 berichteten Fernsehen und Radio von hier aus über die erste Mondlandung. Heinz Kaminski selbst arbeitet lange als Honorarprofessor und als Experte für astronomischen Ereignissen. 2002 stirbt der anerkannte Weltraumforscher.

Pate: Thilo Elsner, Leiter der Sternwarte Bochum (wurde noch von Heinz Kaminski 1995 eingestellt).

Jürgen von Manger (06.03.1923)
"Mensch bleiben!" ist Jürgen von Mangers Lebensmotto und das zieht sich auch als roter Faden durch sein gesamtes Schaffen. Dem Komiker, der vor allem als Rentner Adolf Tegtmeier bekannt ist, geht es immer um den "kleinen Mann auf der Straße". Er selbst stammt mütterlicherseits von einem ehemaligen Adelsgeschlecht ab – daher der Name.

In seinen Darbietungen überzeichnet von Manger den Ruhrgebiets-Dialekt bis ins Komische. Dabei stammt von Manger gar nicht aus dem Ruhrgebiet, sondern aus Koblenz. Erst mit neun Jahren kommt er mit seiner Familie nach Hagen. Nach seinen Anfängen auf der Theaterbühne in Bochum und Gelsenkirchen, beginnt seine Medienkarriere beim WDR. Erst im Radio, dann in verschiedenen Fernsehprogrammen und auf Sprechplatten. Großen Erfolg hat er in den 70er Jahren mit seiner Fernseh-Reihe "Tegtmeiers Reisen". 1985 hat er einen Schlaganfall, der auch sein Sprachzentrum beeinträchtigt. Danach kann er seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er stirbt 1994 im Alter von 71 Jahren in Herne.

Pate: Helmut Sanftenschneider, Ruhrgebiets-Komiker und Moderator, moderiert unter anderem seit zehn Jahren den Wettbewerb "Tegtmeiers Erben".

Tana Schanzara (19.12.1925)
"Perle des Ruhrgebiets", "Duse des Reviers", "Heidi Kabel des Kohlenpotts" - die Schauspielerin hat das Ruhrgebiet wie kaum eine andere verkörpert. In Kiel geboren, ziehen ihre Eltern, nach Dortmund, als Tana Schanzara zwei Jahre alt ist. 1970 bringt sie mit ihrem Gassenhauer "Vatter, aufstehn!" den Ruhrpott-Slang in die deutschen Charts.

Schon früh steht die kleine Konstanze Schwanzara, so ihr richtiger Name, auf der Bühne. Nach dem Abitur nimmt die Tochter von zwei Opernsängern Schauspielunterricht und spielt 1954 zum ersten Mal am Bochumer Schauspielhaus. Zwei Jahre später gehört sie bereits zum festen Ensemble - und hier bleibt sie dann über 50 Jahre lang, bis kurz vor ihrem Tod. Von Bertold Brecht bis William Shakespeare spielt die wandlungsfähige Mimin alle Rollen – und das bis ins hohe Alter, selbst als sie nicht mehr gehen konnte. 2008 stibt sie – genau an ihrem 83. Geburtstag.

Patin: Katharina Linder, Schauspielerin am Schauspielhaus Bochum. Hat in den 90ern als Schauspiel-Anfängerin mit Tana Schanzara auf der Bühne gestanden.

Helmut Rahn (16.08.1929)
"Mein Hobby: Tore schießen" heißt die Autobiografie des "Helden von Bern". Diesen Titel bekommt der Fußballspieler 1954 durch seinen Siegtreffer zum 3:2 im WM-Finale gegen Ungarn. Seine Qualitäten als Führungsspieler bringen ihm außerdem den Spitznamen "der Boss" ein.

Der aus einer Bergmannsfamilie aus Essen stammende Helmut Rahn tritt 1951 beim Rot-Weiss Essen ein, mit dem er 1953 den DFB-Pokal und 1955 die Deutsche Meisterschaft gewinnt. Er bleibt bis 1963 am Ball. Seine späten Fußballerjahre sind eher geprägt von negativen Schlagzeilen. Zu viele Feiern, Trunkenheit am Steuer und schließlich Gewichtsprobleme führen zum Ende seiner Karriere. Der "Boss" versucht sich dann gemeinsam mit seinem Bruder als Gebrauchtwagenhändler. Ohne großen Erfolg. Seine letzten Jahre verbring er zurückgezogen. 2003 stirbt Rahn nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren in seiner Wohnung in Essen.

Pate: Manfred "Manni" Breuckmann, WDR Fußball-Kommentator, er hat sie alle gesehen und vor dem Mikro gehabt.

Elke Heidenreich (15.2.1943)
Elke Heidenreich - das ist (auch) Else Stratmann: Die "schnoddrige Metzgersgattin aus Wanne-Eickel", die Ende der 70er Jahre aus Kleinbürgersicht über zeitgenössische Themen schwadroniert – und das im breitesten Ruhrpott-Slang und mit dem Herz auf der Zunge.

1975 erfindet Heidenreich die Comedy-Figur Else Stratmann, die dem deutschen Radio- und Fernsehpublikum bis heute im Gedächtnis ist. In Essen aufgewachsen, verlässt Elke Heidenreich schon früh ihr Elternhaus im Arbeiterviertel und studiert. Heute ist sie Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Moderatorin, Sprecherin und Journalistin.
Neben ihrer Leidenschaft für Literatur, mit der sie einen großen Einfluss auf die deutsche Literatur-Landschaft ausübt, hat Heidenreich ein weiteres kreatives Metier für sich entdeckt: seit 1998 schreibt sie Opernlibretti – erst für Kinder und dann auch für Erwachsene. "Ich hätte lieber was mit Musik gemacht als mit Büchern", sagte sie einmal.

Patin: Mariele Millowitsch, Schauspielerin – ist seit vielen Jahren mit Elke Heidenreich befreundet.

Willi "Ente" Lippens (10.11.1945)
Ein brillanter Techniker am Ball und nie um einen Spruch verlegen: Willie Lippens, Sohn einer Deutschen und eines Niederländers, ist ein Fußball-Idol. Seine Fußballerkariere beginnt am Niederrhein in Kleve, dort wo Willi Lippens auch aufgewachsen ist. Schon als Jugendlicher schießt er Tore am laufenden Band. Von 1965 bis 1976 sowie 1979 bis 1981 steht er dann als Stürmer bei Rot-Weiss Essen unter Vertrag, perfektioniert dort seine Dribbelqualitäten, lässt gegnerische Fußballspieler verzweifeln und begeistert die Fans. Bis auf einen kurzen einjährigen Abstecher bei den Dallas Tornado in den USA ist der Vollblut-Fußballer seinem Heimatland NRW sein Leben lang treu geblieben.

Seinen Spitznamen „Ente“ verdankt Lippens seinem unvergleichlichen Watschelgang. Der ihn aber nicht am Toreschießen hindert: In 172 Spielen bei Rot-Weiss schießt er 79 Toren und ist somit bis heute sowohl Rekordspieler als auch Rekordtorschütze der Essener. Legendär ist bis heute auch Lippens freche Schnauze: 1965 erhält er eine Gelbe Karte mit den Schiedsrichter-Worten: „Ich verwarne Ihnen!“ Seine Reaktion: „Ich danke Sie“ - und sieht darauf die Rote Karte. 1981 beendet Lippens seine Profikarriere. Zusammen mit seiner Frau betreibt er heute in Bottrop ein Restaurant.

Pate: Manfred „Manni“ Breuckmann, WDR-Fußball-Kommentator, er hat sie alle gesehen und vor dem Mikro gehabt.

Adolf Winkelmann (10.4.1946)
Seit vier Jahrzehnten dreht Regisseur Adolf Winkelmann Filme – vor allem über das Ruhrgebiet. Geboren ist Winkelmann im kleinen sauerländischen Hallenberg, aber der Pott ist sein Zuhause. Bereits sein erster Spielfilm wird ausgezeichnet und ist heute noch Kult: „Die Abfahrer“ erscheint 1978 und beschäftigt sich mit dem Gefühl der Jugendlichen im Ruhrgebiet Ende der 70er, mit Zechensterben, Tristesse und Arbeitslosigkeit. Winkelmann erhält dafür den Bundesfilmpreis in Silber. Nur eine von mittlerweile vielen Auszeichnungen für den Filmemacher. Mit den darauffolgenden Filmen „Jede Menge Kohle“ (1981) und „Nordkurve“ (1982) hat Winkelmann eine Ruhrgebietstrilogie geschaffen, die das Lebensgefühl der Menschen im Ruhrgebiet facettenreich einfängt.

Winkelmann kann aber auch „überregional“: Sein fiktionaler TV-Zweiteiler „Contergan“ läuft 2007 in der ARD und wird mit Preisen überhäuft. Dauerhaft präsent ist Winkelmann seit 2010 in Dortmund: Dort wird der Turm der ehemaligen Union-Bauerei – das Dortmunder U – mit seinen Filminstallationen bespielt. Die “Fliegenden Bilder“ sind im Rahmen des Projekts Kulturhauptstadt 2010 entstanden und sind jederzeit und für alle zugänglich.

Pate: Kameramann David Slama drehte seit den 70er Jahren zahlreiche Filme von Adolf Winkelmann.

Arnim Rohde (4.4.1955)
Geboren in Gladbeck, aufgewachsen in Wuppertal, heutiger Wohnsitz Bochum - Armin Rohde ist eine echte Ruhrgebietspflanze. Als Sohn eines Bergmannes und einer Fabrikarbeiterin soll es der Junge einmal besser haben und wird aufs Gymnasium geschickt. Kurz vor dem Abi schmeißt er hin - geworden ist aus ihm doch noch etwas, nämlich einer von Deutschlands beliebtesten Schauspielern.

Nach dem Besuch der Folkwang-Schauspielschule in Essen zieht es Rohde zunächst auf die Theaterbühne, kleinere Rollen in Filmen folgen bald. Dann 1992 der große Durchbruch: In Sönke Wortmanns Spielfilm "Kleine Haie" begeistert als prolliger Sportwagen-Rocker "Bierchen". Danach kommt kaum eine deutsche Komödie mehr ohne ihn aus. Doch Armin Rohde lässt sich nicht auf eine Rolle festlegen: Ob liebenswerter Typ, windiger Geselle oder klassischer Charakterdarsteller – Rhode verkörpert jede Figur mit intensiver Glaubwürdigkeit.

Patin: Prof. Gisela Dreyer war die erste Stimm-Trainerin von Armin Rohde, war bei dessen Aufnahmeprüfung an der Folkwang-Hochschule dabei und ist nach wie vor mit ihm befreundet.

Helge Schneider (30.8.1955)
Schräg, schräger, Helge Schneider. Der Meister des Nonsens mischt die Entertainment-Szene seit Jahren mit Klamauk, Parodien und Jazzmusik wie kein anderer auf. Geboren wird die „ singende Herrentorte“ – wie sich Helge Schneider selbst nennt - in Mülheim an der Ruhr. Bereits als Fünfjähriger spielt er Klavier, später auch noch Cello. Er gilt als guter Schüler, schmeißt die Schule aber und beginnt nach bestandener Sonderbegabtenprüfung ein Klavierstudium am Duisburger Konservatorium. Auch diese Schule verlässt er ohne Abschluss und versucht sich als Gärtner, Maurer, Tierpfleger und Polsterer…

Mehr nebenher läuft seine musikalische Arbeit, doch die Kreativität des Tausendsassas nimmt sich nach und nach mehr Raum. Zunächst arbeitet er nebenbei als Musiker und Komponist und hat seine ersten TV-Auftritte als Co-Moderator der WDR-Fernseh-Musik-Sendung „Off-Show“. Mit seinem Lied „Katzenklo“ landet er 1994 dann endlich seinen ersten echten großen Hit.
Seine Bühnenauftritte sind legendär, seine Filme haben Kultstatus. Sein Erfolgsrezept? Sinn im Unsinn finden, entspannt geschmacklose Kleidung tragen,  geordnetes Chaos verbreiten und virtuos Musik spielen.

Patin: Eva Kurowski, Jazz-Musikerin und Sängerin, kennt Helge Schneider seit sie 13 Jahre alt ist und steht seit 1983 regelmäßig zusammen mit ihm auf der Bühne.

Herbert Grönemeyer (12.4.1956)
"Bochum, ich komm' aus dir, Bochum ich häng' an dir …", besingt Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt. Geboren ist Herbert Grönemeyer zwar in Göttingen – aber sein Herz, das schlägt eindeutig für Bochum und den Pott, denn hier ist er aufgewachsen.
Musik bestimmt schon früh sein Leben. Bereits mit zwölf Jahren gründet Grönemeyer seine erste Band. Dann, nach einem kurzen Versuch Musikwissenschaft zu studieren, wechselt er direkt auf die praktische Seite und wird musikalischer Leiter am Schauspielhaus Bochum. Hier ist er auch erstmals als Schauspieler zu sehen. Auch im Filmbusiness fasst er Fuß. Legendär ist sein Auftritt in "Das Boot" (1981) von Wolfgang Petersen.

Schließlich gelingt auch der musikalische Durchbruch. Die ersten vier Alben floppen, die Plattenfirma rät ihm schon aufzuhören. Doch dann kommt "4630 Bochum": Die Platte mit Hits wie "Männer" und "Flugzeuge im Bauch" und natürlich "Bochum" wird 1984 in Deutschland das erfolgreichste Album des Jahres. Herbert Grönemeyer ist mittlerweile der mit Abstand erfolgreichste deutsche Musiker, mit neun seiner bisher veröffentlichten Alben hat er in Deutschland Platz 1 der Charts erreicht.

Pate: Jakob Hansonis ist Gitarrist und Filmmusikkomponist und seit 1980 festes Bandmitglied von Grönemeyer.

Nena (24.3.1960)
Nena ist eine der wenigen Künstlerinnen aus der Zeit der Neuen Deutschen Welle, die auch heute noch sehr erfolgreich ist. Als Gabriele Susanne Kerner geboren, verbringt sie ihre Kindheit und Jugend erst in Breckerfeld und später in Hagen. Ihren ersten musikalischen Versuchen mit „The Stripes“ ist noch kein Erfolg beschieden. Nach ihrem Umzug nach Berlin gründet sie dann die Band mit dem Namen „Nena“ – ihr Spitzname, den sie seit ihrer Kindheit trägt.

Die erste Single "Nur geträumt" ist zunächst ein Ladenhüter. Erst ein Auftritt in der TV-Sendung "Musikladen" ändert das. Am Tag danach stürmen die Fans die Plattenläden und die Single schießt in die Charts. Doch zum Star wird Nena erst mit "99 Luftballons". Das Lied wird 1984 weltweit zum Mega-Hit. Sogar in den USA schafft es die Single auf Platz 2 in den Charts - die deutsche Fassung, wohlgemerkt!

1986 trennt sich Nena von ihrer Band und ist seither solo unterwegs. Ihre erste Solo-Platte "Wunder Gescheh'n" (1989) ist ein Neuanfang für die Künstlerin Nena und ein Comback nach dem Ende der Neuen Deutschen Welle. Mittlerweile hat sie das 17. Studioalbum veröffentlicht und rockt auch noch mit Mitte fünfzig die Bühne.

Patin: Heike Högy ist seit 33 Jahren Nena-Fan. Am 7.3.15 ist Nena nach 20 Jahren mal wieder in Hagen aufgetreten - wir waren mit dabei und Heike natürlich auch!

Stand: 04.11.2019, 15:53 Uhr