Weltfrauentag: Brauchen wir das überhaupt noch?

Stand: 08.03.2016, 20:53 Uhr

Der Weltfrauentag kämpft für die Gleichberechtigung der Frauen. Und das, obwohl wir eine Bundeskanzlerin haben und Mädchen die Jungs in Sachen Bildung abhängen? Ist das nicht völlig überflüssig?

Von Tasja Demel

1. Eine Erinnerung an die Frauenrechte

Der Weltfrauentag wurde in Deutschland und seinen Nachbarländern zum ersten Mal 1911 gefeiert. Die Idee dafür hatte die deutsche Frauenrechtlerin Clara Zetkin. Erst seit 1921 ist der 8. März Weltfrauentag. Die wahren Gründe dafür sind unklar – es wird aber vermutet, dass Zetkin dabei an die Frauenproteste in Russland 1917 erinnern wollte. Diese Proteste lösten die Februarrevolution aus. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den Frauentag offiziell an.

2. Wir sind doch so weit gekommen!

Seit 1911 ist die Gleichberechtigung natürlich weit fortgeschritten: Deutschland wird von einer Frau regiert. Das deutsche Frauenfußballteam dominiert ähnlich wie ihr männliches Gegenstück den internationalen Wettbewerb. Die Frauenquote soll seit Anfang des Jahres dafür sorgen, dass es in großen Unternehmen mehr weibliche Führungskräfte gibt. Sogar die Bundeswehr steht seit 2001 beiden Geschlechtern offen. Frauen gelten als mental stark, kommunikativ und organisiert. Im täglichen Leben stehen die Frauen den Männern in nichts mehr nach.

Auch die Zahlen sprechen eigentlich für den Fortschritt der Frauen: 1919 konnten Frauen zum ersten Mal in Deutschland wählen. Am 3. Mai 1957 wurde das Gesetz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau verabschiedet. Das Statistische Bundesamt kommt in einer Studie aus dem Jahr 2014 zu dem Schluss, dass in den weiterführenden Schulen mit einem höheren Bildungsabschluss vor allem die Mädchen die Nase vorn haben. Auf den Gymnasien sind 51,9% der Lernenden weiblich. In Hauptschulen ist dagegen der Anteil der Jungs mit 56,4% größer als der der Mädchen. Frauen studieren inzwischen fast so häufig wie Männer und kommen mit einer Erwerbstätigenqoute von 68,8% im Jahr 2013 fast an die der Männer (77,7%) heran. Die Zukunft der Frauen – sie könnte so rosig aussehen.

3. Eine Frau muss so viel mehr sein als ein Mann

Soweit so gleichberechtigt? Leider nein. Zu den Berufen mit den meisten Frauenanteilen gehören immer noch Sprechstundenhilfe und Erzieherin. Damit sind sie vor allem in schlechtbezahlten Berufen unterwegs. Die Folge: Frauen verdienen im Schnitt immer noch 22% weniger als Männer.

Und dann noch die Entscheidung: Kind oder Karriere? Eine Umfrage der Jobbörse Stepstone kommt zu dem Schluss, dass 80 Prozent der deutschen Frauen glauben, dass Kinder ihrer Karriere schaden. Noch heute gelten Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes schnell wieder in den Beruf einsteigen als Rabenmütter. Das Paradoxe: Wenn sie sich Zeit für ihr Kind nehmen und dafür sogar ihren Job an den Nagel hängen, werden sie vor allem von arbeitenden Frauen als "Heimchen am Herd" verachtet.

Der Kabarettist Florian Schroeder bringt das in der NDR-Talkshow "3 nach 9" auf den Punkt. "Die Frau muss Karriere machen, aber selbstbewusst, nicht als Emanze, aber emanzipiert muss sie sein, feministisch, organisiert und gut drauf. Während sie Karriere macht, muss sie gleichzeitig Zuhause bleiben, sie darf keine Rabenmutter sein. Wenn sie Zuhause ist, muss sie trotzdem Karriere machen."

Auch ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen immer noch an der Tagesordnung: Belästigung ist zum Beispiel immer noch kein Straftatbestand in Deutschland. Doch es müssen noch nicht einmal Übergriffe wie in der Kölner Silvesternacht sein – besonders der Hashtag "Aufschrei" aus dem Jahr 2013 zeigte den Alltagssexismus, dem Frauen immer noch ausgesetzt sind.

Es ist egal, ob eine Frau nun auf ihr Äußeres reduziert wird, ihr wie selbstverständlich im Vorbeigehen an den Po gefasst wird, oder sie sogar zu sexuellen Handlungen gezwungen wird: Auch im 21. Jahrhundert behandeln einige Männer Frauen immer noch wie einen Gegenstand. "Solange es noch irgendwo auf der Welt Männer gibt, die meinen, nur aufgrund ihres Geschlechts über das Leben einer Frau bestimmen zu dürfen, ist dieser Tag sinnvoll", findet auch Nina Doppelmann auf der Facebookseite der Aktuellen Stunde. Und die Nutzerin Nala Bagira ergänzt: "Solange ich als gelernte Kraft weniger verdiene als mein nicht gelernter Kollege, solange Frauen verschleppt, vergewaltigt und misshandelt werden, solange braucht es solche Tage."

4. Immer dieses blöde Label

Der Valentinstag soll uns an die Liebe erinnern, der Muttertag an die Mütter – aber die einzigen, die sich wirklich freuen, sind die Floristen. So auch beim Weltfrauentag, an dem auch Blumen verteilt werden. Es scheint fast, als wären Frauenrechte nur an diesem einzigen Tag relevant. Klar, dass dieses geballte schlechte Gewissen viele Menschen nervt. Dabei ist der Weg zur Gleichberechtigung immer noch lang und nicht nur mit einem Tag gelöst. Das denkt auch Christa Kienitz auf Facebook: "Wird an einem Tag so viel verändert? Am 9. ist alles vergessen."

Aber solange "Sei doch kein Mädchen" immer noch eine Beleidigung ist, muss das ganze Jahr an Frauenrechten und Emanzipation gearbeitet werden – nicht, weil ein bestimmter Tag dazu auffordert, sondern, weil es das Richtige ist. So, wie Paare sich nicht nur am Valentinstag ihre Liebe gestehen sollten und Mama nicht nur am Muttertag die Beste ist. Trotzdem kann ein Tag helfen, schreibt uns Mia Maushagen: "Solange Gleichberechtigung de facto noch nicht vorhanden ist, schadet es nicht, wenn darauf aufmerksam gemacht wird."

5. Vielen Dank für die Diskussion

Dieser Artikel wurde im Laufe des Abends mit Meinung aktualisiert. Vielen Dank für Ihre Beteilung.