Baby-Selbstrettungsschwimmen: Hilfe oder Risiko?

Stand: 09.07.2016, 16:50 Uhr

Ein Baby fällt ins Wasser, die Mutter bleibt seelenruhig sitzen - so zeigt es ein Video im Internet. Dahinter steckt eine neue Rettungsmethode für Babys. Sie lernen, sich selbst auf den Rücken zu drehen. Doch wie sicher ist das? Die DLRG hat Zweifel.

Von Robert Franz

ISR - Infant Swimming Resource heißt die neue Schwimmmethode für Kleinkinder, die aus den USA kommt. In Deutschland gibt es eine Trainerin, die sich in dieser Technik hat ausbilden lassen. Marion Bösel-Weßler bietet Eltern das Training in Köln an. Das Selbstrettungsschwimmen soll Kinder vor einem möglichen Tod durch Ertrinken schützen. Schon Säuglinge ab dem sechsten Monat werden von den Eltern zu ihr gebracht.

Zwei Techniken des Selbstrettungsschwimmens

Je nach Alter werden zwei verschiedene Techniken beim ISR eingeübt: Ziel für sechs bis zwölf Monate alte Babys ist die Drehung in die Rückenschwebelage. Vier Wochen lang übt Marion Bösel-Weßler mit den Kleinen im Wasser, wie sie sich selbst aus der Bauchlage befreien können. Kleinkindern ab dem ersten Lebensjahr wird beigebracht, mit geöffneten Augen nach unten zu schwimmen und sich dabei auf den Rücken zu drehen. Sechs Wochen tägliches Training seien nötig, bis die Kinder diese Technik beherrschen, sagt Bösel-Weßler: "Sie lernen hier kein Brustschwimmen, sondern sich selbst zu retten." Die Kurse sind aber nicht mit dem klassischen Babyschwimmen zu vergleichen, bei denen es darum geht, Säuglinge ans Wasser zu gewöhnen.

Positive Erfahrungen

Die Eltern von Theo nutzen das Training des ISR bereits zum zweiten Mal. Mehrmals in der Woche fahren sie dafür vom Ruhrgebiet nach Köln. Theos große Schwester hat die Selbstrettung auch schon gelernt. Bei einem Familienurlaub hat sie ihr bereits geholfen, berichtet ihre Mutter: "Es war schön mitzukriegen, wie sie das schafft, sich auf den Rücken zu drehen und nicht mit dem Kopf im Wasser zu bleiben." Inzwischen ist Emma sechs Jahre und kann gut schwimmen.

Eltern wiegen sich in trügerischer Sicherheit

Die Videos von Babys, die ins Wasser geschubst werden, um die Selbstrettung zu lernen, haben andere Eltern geschockt. Kritiker befürchten, dass die Kinder bei diesem Training seelische Schäden davon tragen. Auch die Profis der DLRG sehen das ISR skeptisch, und das aus zweierlei Gründen: "Ich habe meine Zweifel, ob das moralisch vertretbar ist, so kleine Kinder im Wasser sich selbst zu überlassen", sagt Michael Grohe. Zudem sieht der Sprecher der DLRG-Nordrhein das Problem, dass die Selbstrettung zu einem trügerischen Gefühl der Eltern führe, ihrem Kind könne mit dem ISR nichts passieren. "Es mag sein, dass es diesen Reflex gibt, der da trainiert wird, aber wir wissen eben auch, dass Kinder keinen Reflex haben, den Kopf aus dem Wasser zu heben", so Grohe. Doch auch die ISR-Tranerin Bösel-Weßler rät den Eltern dazu, ihr Kind nicht aus den Augen zu lassen.

Erst mit Bronze wirklich sicher

Wichtiger ist es aus Sicht der Lebensretter, Kindern rechtzeitig das Schwimmen beizubringen. Erst ein Kind im Vorschulalter sei in der Lage, diese koordinierten Schwimmbewegungen zu lernen. Ob Brustschwimmen oder Kraulen sei dabei nicht so wichtig. Erst mit dem Jugendschwimmabzeichen in Bronze seien Kinder dann aber wirklich sichere Schwimmer, sagt Grohe. Um dieses Abzeichen zu bekommen, müssen sie maximal 15 Minuten oder 200 Meter am Stück schwimmen.