"extra 3" und Erdogan - eine besondere Beziehung

Stand: 29.03.2016, 19:48 Uhr

Mit einem Satire-Song hat das NDR-Magazin "extra 3" den türkischen Präsidenten Erdogan erzürnt. Der deutsche Botschafter wurde sogar einbestellt. Im Interview sagt Redaktionsleiter Andreas Lange, Erdogan sei nun zum Mitarbeiter des Monats gewählt worden.

Aktuelle Stunde: Gab es bei Ihnen in der Redaktion einen Anruf aus der Türkei oder der türkischen Botschaft?

Andreas Lange: Es gab keine direkten Anrufe. Das finde ich aber in einer Demokratie, wo Meinungsfreiheit herrscht, auch normal. Ich glaube, da gibt es auch ein anderes Verständnis von Meinungsfreiheit hier in Deutschland und in der Türkei. Bei "extra-3"-Songs kann ich immer sagen, dass wir da sehr journalistisch arbeiten. Lustige Songs, bei denen man sich gut unterhalten fühlt, aber sie haben alle einen inhaltlichen Kern. Wir haben mit diesem Song versucht, auf die Situation der Opposition in der Türkei aufmerksam zu machen, auf die Repressalien der Journalisten, aber auch die Situation der Kurden. Das kommt in dem Text alles vor. Bei uns heißt es immer: Wenn man schießt und jemand schreit 'Aua', dann hat man getroffen. Und das scheint hier der Fall gewesen zu sein.

Aktuelle Stunde: Haben Sie mit dem deutschen Botschafter in der Türkei sprechen können?

Lange: Persönlich haben wir noch mit niemandem gesprochen. Wir werden noch mal gucken, dass wir da für "extra 3" ein Statement einholen. Aber es ist dann letztendlich gar nicht mehr unsere Geschichte. Unser Tagesgeschäft ist, was wir am Mittwoch bei "extra 3" abarbeiten. Insofern überlassen wir das gerne den Kollegen, die die Geschichte der Geschichte erzählen.

Aktuelle Stunde: Wird die Geschichte denn morgen bei Ihnen Thema in der Sendung sein?

Lange: Wir werden das selbstverständlich erwähnen, werden auch darauf hinweisen, dass Herr Erdogan der Mitarbeiter des Monats bei "extra 3" geworden ist, nach den Vorkommnissen. Aber wir beschäftigen uns ungern zu intensiv mit uns selbst. Dafür gibt es einfach zu viel anderen Irrsinn, den wir beackern müssen.

Aktuelle Stunde: Wie oft ist Erdogan und die Türkei schon Thema in der Sendung gewesen?

Lange: Da die Politik von Herrn Erdogan schon etwas länger andauern und die Repressalien und die - aus unserer Sicht - antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei schon etwas länger anhalten, haben wir regelmäßig über Herrn Erdogan und auch über die Türkei insgesamt berichtet. Das ist auch schon das zweite Lied über Herrn Erdogan. Also, er war schon oft Thema und wird, sofern sich das nicht ändert, auch weiterhin Thema bei "extra 3" bleiben.

Aktuelle Stunde: Sie nehmen auch deutsche Politiker ins Visier in Ihren Songs: Sigmar Gabriel oder Angela Merkel. Wie reagieren die auf Ihre Satire?

Lange: Die Kollegen erzählen uns, wenn sie von Drehs wiederkommen, wie die Reaktionen waren. Und da sind dann durchaus auch schon kritische oder genervte Reaktionen dabei. Es gab auch schon mal Anrufe beim NDR, die aber nicht die Redaktion erreichten. Da ist bisher alles an der Hierarchie des NDR abgeprallt. Da konnten wir immer das machen, was wir aus journalistischen Gesichtspunkten für richtig erachtet haben. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern - wie eben der Türkei - ein traumhafter Zustand für eine Redaktion, so arbeiten zu können.

Aktuelle Stunde: Sehen Sie denn eine neue Eskalationsstufe erreicht, in der Türkei im Umgang mit der Pressefreiheit?

Lange: Naja, das hat ja noch eine Vorgeschichte. Es geht auch um die Journalisten in der Türkei. Es gibt da Prozesse. Nach meinen Informationen gab es auch Ärger von höchster Stelle. Ich bin jetzt nicht so ganz firm auf dem diplomatischen Parkett, aber ich glaube, wenn man einen Botschafter einbestellt, dann ist das auf der Skala von eins bis zehn schon eher Richtung zehn. Insofern scheint es den ja richtig geärgert zu haben. Da sind wir sehr gespannt, wie das weiter geht.

So bewerten Sie den Satire-Song

Viel Zustimmung für den Song bekommt "extra 3" im Netz. Auf unser Posting bei Facebook schreibt Maria Stephany: "Wer die Sendung kennt, der weiß, dass gerne mal überspitzt über brisante Themen berichtet wird und das ist auch gut so." Und Anke Ha vermutet, dass der Song erst durch die Kritik Erdogans richtig populär wurde: "Der Schuss ist dann wohl nach hinten losgegangen, vielleicht hätte er besser geschwiegen." Fra Wi Bu legt Wert auf mehr Differenzierung: "Nicht 'die Türken' sind beleidigt, sondern ein selbstherrlicher, selbsternannter 'Sultan', der weder die Pressefreiheit kennt , noch irgendeine Art von satirischer Reflexion seines Tuns zulässt!" Warum der türkische Präsident so kleinlich reagiert hat, fragt sich Dieter Gruner: "Ein Souverän, der alles andere als souverän ist." Doch es gibt auch Kritik an dem Song und dem Umgang mit Erdogan. Einzelne Kritiker, wie @Adem_K_2023, werten den Song als "Verleumdung". Auch bei Twitter überwiegt die Zustimmung zum Song, wie bei @linnartz11: "Lasst euch nicht den Schneid abkaufen, es war richtig was gesagt wurde, macht weiter so."