Papst Franziskus

Pfarrgemeinderatswahlen in NRW

Wahlmüdigkeit - und trotzdem Zuversicht

Stand: 10.11.2013, 17:25 Uhr

Stell' dir vor, es sind Wahlen - und keiner geht hin. Die katholische Gemeinde Sankt Bruno in Köln hat am Wochenende so etwas in der Art erlebt. Dennoch ist die Stimmung an der Basis gut. Denn der Papst will zu wichtigen Themen die Meinung seiner Gemeindemitglieder hören.

Von Nina Giaramita

Für die Katholische Kirche sind es wichtige Wahlen. Allein im Erzbistum Köln waren am Samstag und Sonntag (9. und 10.11.2013) rund 1,9 Millionen Katholiken dazu aufgerufen, an den Pfarrgemeinderatswahlen teilzunehmen. In den Pfarrgemeinderäten sitzen Laien, die die Kirchen vor allem im Bereich der Seelsorge unterstüzen. Auch in der katholischen Kirchengemeinde Sankt Bruno in Köln-Klettenberg ist vielfach zur Wahl aufgerufen worden. Am Sonntagmittag, kurz vor Schließung des Wahllokals, zählen die Wahlhelfer jedoch lediglich 140 Stimmen - rund 15.000 Gläubige hätten an der Wahl teilnehmen können.

"Sünder gibt es überall"

Liegt es an der Limburger Bischofsaffäre? Kerstin Paulus, Mitglied des Wahlausschusses, winkt ab. "In den Jahren zuvor haben auch nicht mehr Leute gewählt", sagt sie. Paulus hat auch von der Zahl der Kirchenaustritte gehört. Allein in Köln hat sich die Zahl der Kirchenmüden von September auf Oktober mehr als verdoppelt. Den "Tebartz-Effekt" nennen einige Medien das. Die an diesem Sonntag in Köln-Klettenberg Versammelten halten jedoch an ihrer Gemeinde fest. "Es gibt immer schwarze Schafe. Aber das wirft mich nicht aus der Bahn", sagt Ute Paulus. Auch das Ehepaar Kertz, das seit über 40 Jahren der Gemeinde angehört, denkt nicht an einen Kirchenaustritt. "Sünder gibt es überall", sagen sie - und schwärmen im gleichen Atemzug von Papst Franziskus: "Der ist bodenständig und braucht keine Pracht und keinen Prunk."

Päpstliche Umfrage

Von der nun angestoßenen päpstlichen Umfrage haben in Köln-Klettenberg bisher noch die wenigsten gehört. "Nein", sagt Stefanie Sequaris. Davon sei ihr noch nichts zu Ohren gekommen. Dabei gilt der Schritt von Papst Franziskus als geradezu revolutionär: Als Vorbereitung auf eine außerordentliche Bischofssynode, die im Herbst 2014 stattfindet, lädt der Papst seine Gemeinden dazu ein, über das Thema "Ehe und Familie" nachzudenken.

Sperriger Titel, handfeste Themen

Dazu hat der Vatikan einen mehrseitigen Fragebogen zusammenstellen und über die Bischofskonferenz in aller Welt verteilen lassen. Der Titel des Schreibens: "Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung." Was so sperrig klingt, enthält handfeste Themen: Die Haltung der Kirche zu Homo-Ehen, zu Scheidungen, Abtreibungen und Verhütung. Die Bistümer sollen darüber mit ihren Gemeindemitgliedern ins Gespräch kommen - und dem Papst im nächsten Jahr darüber berichten.

"Absolut wichtige" Umfrage

"Ich finde es gut, wenn die Basis befragt wird, und nicht nur Entscheidungen von oben getroffen werden", sagt Stefanie Sequaris. Die junge Mutter kommt oft zur Messe der Gemeinde im Kölner Süden - und hat die "Hoffnung, dass der Papst mit Initiativen wie diesen einen Anstoß gibt". Denn "es braucht ja Anstöße, damit sich irgendwann einmal etwas verändert." Dass sich etwas verändern muss - dieser Meinung sind viele in der Gemeinde. "Gerade die Haltung der katholische Kirche zu Scheidungen ist schon sehr weitab von der Gesellschaft" sagt Maria Sabel. Daher hält die Kölnerin eine solche Umfrage "für absolut wichtig". "Sonst entfernt sich die Kirche zu sehr von der Gesellschaft."

"Kirche muss sich öffnen"

Das selbe Thema treibt auch Ute Kalter um. Die 41-Jährige ist Lehrerin und war unter anderem an einer katholischen Schule tätig: "Es ist interessant zu sehen, wie die Realität dort aussieht. Da sind Leute, die super Arbeit machen, aber dort nicht mehr weiter beschäftigt werden, weil sie geschieden sind. Das macht keinen Sinn." Daher ist ihre Ansicht: "Die Kirche muss sich öffnen." Die zweifache Mutter hat von der Umfrage bisher nur in der Zeitung gelesen. "Das ist ein erster Ansatz", sagt sie. "Ich hoffe, dass die Ergebnisse ernst genommen werden, und dass nicht alles später im Sande verläuft."

"Einzelne Gemeinden weiter als Weltkirche"

Klaus Zimmermann ist Mitglied des Kölner Katholikenausschusses, der Vertretung der katholischen Laien. Er ist an diesem Sonntag auch Messebesucher - und der Ansicht, dass die "einzelnen Gemeinden alle schon ein bisschen weiter als die Weltkiche sind". Die päpstliche Umfrage bewertet Zimmermann als "neuen Stil in der Kirche". "Bisher wurde von oben verordnet. Jetzt ist der Papst ein Hörender. Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung", sagt er. Ein bisschen Skepsis hört man dennoch am Ende aus seinen Worten heraus: "Die katholische Kirche ist eine der ältesten Organisationen der Welt. Da dauern Entwickungen sehr lange."

"Franziskus rückt etwas zurecht"

Noch ein bisschen kritischer sieht es Thorsten Rothmann: "Man muss sich fragen, inwieweit sich solche Meinungsbilder umsetzen lassen. Wenn wir in Deutschland zu Abtreibung eine bestimmte Ansicht haben, dann heißt das nicht, dass die Weltkirche das genauso sieht." Trotzdem ist auch Rothmann angetan von der Initiative des Papstes: "Es geht nicht darum, sich allem anzupassen, aber im Mittelpunkt sollte der Mensch stehen, und da habe ich den Eindruck, dass Franziskus wieder etwas zurecht rückt."