Sexueller Missbrauch, Kirche

Zweiter Anlauf für Forschungsprojekt

Bischöfe wollen sexuellen Missbrauch wissenschaftlich aufklären lassen

Stand: 24.03.2014, 16:41 Uhr

Die katholischen Bischöfe wollen in einem zweiten Anlauf den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlicher im kirchlichen Umfeld wissenschaftlich aufarbeiten lassen. Sie wollten Klarheit über diese dunkle Seite in ihrer Kirche, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann.

Von Birgit Becker

Dieses Mal will der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischöfe, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, alles richtig machen mit dem Forschungsprojekt zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in seiner Kirche. Er erinnerte an die erschütternden Fälle sexuellen Missbrauchs, die im Jahr 2010 bekannt wurden und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die katholische Kirche zutiefst beschädigt hätten. Als die Fälle bekannt wurden, haben sich die Bischöfe entschlossen, die Missbrauchsfälle wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen.

"Wir wollen ehrliche Aufklärung"

Die Bischöfe wollten eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn nun Vorfälle gemeldet würden, die schon lange zurücklägen. Die Opfer hätten ein Recht darauf. Ackermann sagte, die Bischöfe wollten Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in ihrer Kirche – um der Opfer willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen zu sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen.

Daher haben die Bischöfe nun ein ganzes Forschungskonsortium eingekauft: Neben dem Leiter der Forensischen Psychiatrie aus Mannheim Prof. Harald Dreßing arbeiten in dem Forschungsverbund außerdem Kriminologen und Sozialwissenschaftler mit. Die Wissenschaftler wollen in mehreren Stufen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufarbeiten. Dabei müssen sie sich zuerst einen Überblick darüber verschaffen, welche Personalakten überhaupt noch existieren, sagt der Mannheimer Forscher Harald Dreßing.

Lücken in Personalakten

Priester, Kinder, Symbolbild sexueller Missbrauch von Jugendlichen durch Geistliche

Sie könnten nicht davon ausgehen, dass es lückenlose Bestände bis 1945 gebe. Nach kirchenrechtlichen sollten bestimmte Akten nach zehn Jahren vernichtet werden. Das sei auch häufig in Kliniken oder der Forschung der Fall.

In diesem Zusammenhang wollen die Forscher auch wissen: Gab es administrative Anweisungen zu Umgang und Dokumentation von sexuellem Missbrauch in den Bistümern? Und hat sich das im Laufe der Jahre verändert?

Den Wissenschaftlern ist bewusst, dass sie dabei auch von einer hohen Dunkelziffer ausgehen müssen, weil sich Opfer aus Scham nie gemeldet haben. Sie suchen für ihre Analyse einhundert Opfer und 70 Täter, mit denen sie ausführliche Interviews führen wollen. Zusätzlich wollen die Forscher Akten von Staatsanwaltschaften und auch ältere Studien zum Thema einfliessen lassen. Aus diesen Daten wollen sie einerseits Zahlen für die Bundesrepublik hochrechnen.

Wie läuft sexueller Missbrauch in Institutionen ab?

Andererseits wollen die Wissenschaftler zum ersten Mal überhaupt untersuchen, wie sexueller Missbrauch in Institutionen abläuft. Denn bis heute hat das niemand systematisch für Schulen, Kinderheime oder Sportvereine untersucht. Das sei wichtiger Baustein für Prävention, so die Forscher.

Alle Ergebnisse sind frei zur Veröffentlichung

Die beteiligten Wissenschaftler haben klar gestellt, dass sie bei diesem Forschungsauftrag völlige Freiheit haben, was die Studienergebnisse angeht: Harald Dreßing sagte, sie würden bei diesem Projekt keine andere Vereinbarung treffen als mit anderen Drittmittelförderern, sie seien frei in der Veröffentlichung aller Daten. Und der Trierer Bischof Stephan Ackermann ergänze, das Forschungskosortium veröffentliche nicht unter dem Label Bischofskonferenz.

Das war einer der strittigen Punkte, an denen das erste Forschungsprojekt der Bischöfe mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer im vergangenen Jahr gescheitert war. Die neue Studie ist auf dreieinhalb Jahre angelegt und wird nach Angaben der Beteiligten knapp eine Million Euro kosten.