Flüchtlingspolitik – Wie kriegen wir's geregelt?

Presseclub – Talk Forward

Flüchtlingspolitik – Wie kriegen wir's geregelt?

Faktencheck zur Sendung

Behauptung: Jeden Tag wird eine Frau Opfer eines Tötungsdelikts.

Faktencheck: Richtig. Insgesamt verzeichnete die Polizei 2023 genau 938 weibliche Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, neun mehr als im Jahr zuvor. 360 Frauen und Mädchen wurden dabei Opfer eines vollendeten Tötungsdelikts. Demnach gab es 2023 fast jeden Tag einen sog. Femizid.
(Quelle: Bundeslagebild „geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten” 2023, BKA)

Behauptung: Jedes vierte Opfer von Gewaltkriminalität ist nichtdeutsch.

Faktencheck: 2023 registrierte das BKA in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) rund 1,25 Millionen Personen, die Opfer von Straftaten wurden, nicht nur Gewaltkriminalität. 310.095 Betroffene waren Nichtdeutsche, also Ausländerinnen und Ausländer – das ist ein Anteil von 24,8 Prozent aller Opfer. Von ihnen waren 66.586 Zuwanderer, das sind 5,3 Prozent aller Opfer von Straftaten. Ausländerinnen und Ausländer sind damit gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil von knapp 15 % bei den Opfern überrepräsentiert.
(Quelle: Mediendienst Integration, BMI)

Behauptung: Menschen ohne deutschen Pass sind überproportional von Armut betroffen.

Faktencheck: Richtig. Das Risiko, einkommensarm zu werden und zu sein, ist bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit deutlich größer als bei Deutschen. Ausländerinnen und Ausländer können also häufiger nicht die Güter und Dienstleistungen kaufen, die nötig sind, um das Existenzminimum zu decken. Ihre Armutsquote liegt mit 35,5 % im Jahr 2023 fast dreimal so hoch wie bei der deutschen Bevölkerung mit 13,3 Prozent. Die Ursachen für die hohe Armutsbetroffenheit von Ausländerinnen und Ausländern wie auch von Personen mit Migrationshintergrund sind vielschichtig: unterdurchschnittlicher Verdienst, geringere schulische und berufliche Qualifikation, unzureichende Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, oftmals eine Tätigkeit im Niedriglohnsektor, auch eine im Schnitt höhere Kinderzahl führt zu zusätzlichen Einkommensbelastungen.
(Quelle: Statistisches Bundesamt, sozialpolitik-aktuell.de, IAQ)

Behauptung: Afghanen sind bei Sexualdelikten 15-mal häufiger auffällig als deutsche Tatverdächtige.

Faktencheck: Schaut man in die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), so fällt auf: Bei den Sexualdelikten wie Vergewaltigung sind tatverdächtige Zuwanderer, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, überrepräsentiert. Sie machen mit 7846 Tatverdächtigen in diesem Deliktbereich 8,4 Prozent aller Tatverdächtigen aus, das übersteigt ihren Bevölkerungsanteil um das Dreifache bei einem Geflüchtetenanteil in der deutschen Bevölkerung von 2,8 Prozent.
(Quelle: Statista, Kriminalität im Kontext von Zuwanderung, BKA-Lagebild 2023)

Behauptung: Politisches Asyl bekommen nur 1 Prozent der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen.

Faktencheck: Falsch, es sind weniger. Das BAMF hat 301.350 Asylentscheidungen im Jahr 2024 gefällt. Die Zahl der positiv beschiedenen Asylanträge ausschließlich nach Artikel 16a des Grundgesetzes liegt bei 1964 Fällen. Das entspricht einer Quote von 0,7 Prozent. Die Schutzquote liegt aber ungleich höher, nämlich bei 44,4 Prozent im Jahr 2024. Das bedeutet, dass Menschen überwiegend aus anderen Gründen in Deutschland Schutz gewährt bekommen haben, darunter der sog. subsidiäre Schutz (75.092 Fälle) und der Flüchtlingsschutz nach § 3 des Asylgesetzes (“Genfer Flüchtlingskonvention”, 35.831 Fälle). Außerdem gibt es die Entscheidungen, in denen ein Abschiebeverbot verhängt wurde, weil Menschen in dem Land, in das sie abgeschoben werden sollen, ernsthafter Schaden droht (20.823 Fälle).
(Quelle: BAMF, Mediendienst Integration)

Behauptung: Kontrollen an den deutschen Grenzen sind europarechtswidrig.

Faktencheck: Das ist unter Juristen umstritten: Laut Jannik Luhm von der Universität Hamburg regelt der 2016 neu gefasste Schengener Grenzkodex (SGK) den Grenzübertritt an den Binnen- und Außengrenzen der Schengen-Staaten sowie die Möglichkeit von Personenkontrollen. Schon mit Inkrafttreten des ersten Schengener Abkommens von 1985 seien stationäre Grenzkontrollen innerhalb der Vertragsstaaten grundsätzlich abgeschafft worden. Von diesem Grundsatz lasse der Schengenkodex Ausnahmen zu, wenn etwa die „öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht“ sind. In diesen Fällen sei diesem Mitgliedstaat unter „außergewöhnlichen Umständen die Wiedereinführung von Kontrollen an allen oder bestimmten Abschnitten seiner Binnengrenzen gestattet“. Es bedürfe laut Luhm allerdings tatsächlicher Gefahren und die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt sein. Die CDU/CSU verbindet dauerhafte Grenzkontrollen mit Zurückweisungen an der Grenze und will diese mit einer nationalen Notlage begründen, die durch das dysfunktionale Dublin III-System gegeben sei. Art. 72 der sog. Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besagt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit selbst zuständig blieben. Bisher hat der EuGH Grenzkontrollen, die Nationalstaaten auf der Basis von Art. 72 eingeführt hatten, mit Verweis auf EU-Recht eine Absage erteilt. Ein Bürger hatte gegen Passkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze geklagt. Das Gericht befand sinngemäß, dass der Artikel 72 nicht das Unionsrecht aushebeln könne. Gleichwohl hält der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier das Ansinnen von CDU/CSU, auf Grundlage von Art. 72 nationale Grenzkontrollen einzuführen, für juristisch tragfähig. Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen seien nicht nur möglich, sondern sogar geboten. EU-Recht dürfe das nationale Recht nicht aushöhlen. Auch die europäische Integration habe Grenzen, nämlich dort, wo die nationale Souveränität berührt sei.
(Quelle: verfassungsblog.de 18.09.24, NZZ 09.09.24)

Behauptung: Die Zahl der Asylanträge ist von 350.000 Anträgen 2023 auf 250.000 Anträge 2024 zurückgegangen.

Faktencheck: Richtig. Diese Zahlen beinhalten aber die Erstanträge und sog. Folgeanträge, also solche Anträge, die in einem ersten Verfahren abschlägig beschieden wurden. An Asylanträgen hat es 2024 229.751 gegeben, nach 329.120 im Jahr 2023. Das ist ein Rückgang um 30 Prozent und zugleich die vierthöchste Zahl seit 1995 sowie die höchste Zahl seit 2016. Der Peak lag in den Jahren 2015 und 2016, mit 476.649 und 745.545 Anträgen.
(Quelle: BAMF, Mediendienst Integration)

Behauptung: 400.000 neue Fachkräfte braucht Deutschland jährlich bis 2060.

Faktencheck: Die Zahl der Erwerbspersonen, die dem Arbeitsmarkt potenziell zur Verfügung stehen, sinkt langfristig aufgrund des fortschreitenden demografischen Wandels. Nur mit einer jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Personen bliebe das Arbeitskräfteangebot bis 2060 nahezu konstant. 2021 errechnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) einen solchen Bedarf. In einer aktualisierten Fassung von 2024 für die Bertelsmann-Stiftung gehen dieselben Autoren von einer benötigten jährlichen Nettozuwanderung von 288.000 bis 368.000 Menschen bis 2040 aus, je nachdem, wie sich die Zuwanderung entwickelt und ob Zugewanderte auch hierbleiben. Da die demografische Situation in den EU-Ländern vergleichbar sei, müsse es sich um Menschen aus Drittstaaten handeln.
(Quelle: IAB, Bertelsmann-Stiftung)

Behauptung: Asylbewerber dürfen nach 3 Monaten arbeiten.

Faktencheck: Richtig. Inzwischen ist das so. Aber nur wenn Asylbewerber nicht verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Nach sechs Monaten haben sie einen Arbeitsmarktzugang, selbst wenn sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen. Auch für Geduldete gelten diese Rechte und Fristen, sofern nicht konkrete Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthaltes bevorstehen.
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS)

Behauptung: Die Mehrheit der Menschen aus den Hauptherkunftsländern hat zu 80 oder 90 Prozent keine Ausbildung.

Faktencheck: Richtig. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hatten unter den „im Januar 2025 rein im SGB II (Jobcenter) arbeitslos gemeldeten 256.327 Personen aus den klassischen Asylherkunftsländern 232.383 keinen Berufsabschluss, 8.617 eine abgeschlossene Berufsausbildung und 15.327 eine akademische Ausbildung.“ Das heißt, 90 Prozent aus diesem Personenkreis hatten keinen Berufsabschluss.
(Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Focus online v. 06.03.24)

Behauptung: 50 oder 60 Prozent der Bürgergeldempfänger sind Ausländer.

Faktencheck: Die Bundesagentur hat auch dazu Zahlen ermittelt: „Im Oktober 2024 gab es insgesamt 5.452.430 Regelleistungsberechtigte. Darunter befanden sich 2.612.410 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Aus den acht klassischen Asylherkunftsländern stammten 932.680 Personen und aus der Ukraine 706.330 Personen.” Richtig ist: Knapp 48 Prozent sind Ausländer. Dazu gehören folglich auch Staatsangehörige aus der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Europäischen Freihandelszone, wie der Schweiz und Norwegen, sowie Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine etc. Und zu den Bürgergeldempfängern gehören natürlich auch Kinder, Frauen und langfristig Kranke. Asylbewerber sind nicht unter den Bürgergeldempfängern, denn ihre Leistungen werden aus dem Asylbewerberleistungsgesetz bestritten. Richtig ist auch: Über 60 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher haben einen Migrationshintergrund – laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.
(Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Welt v. 25.11.24)

Behauptung: Asylbewerber kommen nach 36 Monaten in den Bürgergeldbezug.

Faktencheck: Richtig. Vorher bekamen Asylsuchende 18 Monate lang Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sprich: etwas geringere Leistungen als das Bürgergeld. Nach einer Gesetzesänderung 2023 erhalten sie nun erst nach 36 Monaten sog. Analogleistungen, d.h. Leistungen in etwa auf der Höhe des Bürgergelds. Das bedeutet aber auch, dass Asylbewerber formal kein Bürgergeld bekommen, denn sobald sie einen Aufenthaltstitel besitzen, gelten sie nicht mehr als Asylbewerber. Und wenn sie auch nach 36 Monaten noch Asylsuchende sind und keinen Job finden, bekommen sie die Analogleistungen, allerdings dann in Höhe des Bürgergelds. Wenn sie schon vor Ablauf der 36 Monate anerkannt sind und einen Aufenthaltstitel besitzen, sind sie Deutschen gleichgestellt und haben dementsprechend früher auch einen Anspruch auf Bürgergeld.
(Quelle: Bundesagentur für Arbeit, BAMF, Mediendienst Integration)

Behauptung: Jeder dritte Euro des Bürgergeldes geht an Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen.

Faktencheck: Falsch, es ist fast die Hälfte. Auf Anfrage teilt die Bundesagentur für Arbeit mit: „Die gleitende Jahressumme bis September 2024 der Zahlungsansprüche der Regelleistungsberechtigten belief sich bei Menschen mit deutschem Pass auf 24,2 Milliarden Euro und für Menschen mit ausländischem Pass auf 21,8 Milliarden Euro. Bei den Personen aus den acht klassischen Asylherkunftsländern lag der Wert bei 7,2 Milliarden und bei Menschen aus der Ukraine bei 6,2 Milliarden Euro.“ Mit anderen Worten: Von den Leistungen in Höhe von 46 Mrd. Euro erhalten Nichtdeutsche 21,8 Mrd. Euro, das sind 47 Prozent der gesamten Bürgergeldauszahlungen.
(Quelle: Bundesagentur für Arbeit)

Behauptung: 66 Prozent der SPD-Wähler unterstützen ein Abweisen an der Grenze.

Faktencheck: Im aktuellen Deutschlandtrend von Infratest dimap haben die SPD-Wähler auf zwei diesbezügliche Fragen so geantwortet: 69 Prozent finden, dauerhafte Grenzkontrollen gehen in die richtige Richtung, 52 Prozent sehen das auch für die Zurückweisung an den Grenzen so.
(Quelle: infratest dimap, Deutschlandtrend Januar II 2025)

Behauptung: Laut einer Untersuchung der TK zahlen Migranten mehr in die Krankenkassen ein, als sie herausbekommen.

Faktencheck: In einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2020 kam heraus, dass 6,4 Prozent aller Versicherten der Krankenkassen einen ausländischen Pass besitzen und 7,9 Prozent der Beitragseinnahmen tragen. Konkret bedeutet dies, dass zwischen 2013 und 2019 die Zahl der Versicherten um 4,7 Mio. stieg, dank der Zuwanderung. Diese Versicherten zahlten 2019 16,8 Mrd. Euro in den Gesundheitsfonds ein, der die Beitragsgelder an die gesetzlichen Kassen verteilt. Das entspricht 7,9 Prozent der Gesamtbeitragseinnahmen. Auch die These, die Zuwanderer würden die Krankenkassenleistungen übermäßig in Anspruch nehmen, lässt sich laut dieser Untersuchung nicht halten. Zuwanderer nahmen 2019 8,7 Mrd. Euro an Leistungen in Anspruch, das entspricht 3,5 Prozent der Ausgaben für alle Versicherte von gut 245 Mrd. Euro. Diese Befunde stützt auch das Jahresgutachten des Sachverständigenrates für Integration und Migration von 2022, es konstatiert, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Leistungen des Gesundheitssystems weniger in Anspruch nehmen. Gründe könnten Sprachbarrieren sein, ein anderes Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Heilung und eine geringere Kenntnis der Angebote des deutschen Gesundheitssystems. Daten zu Flüchtlingen fehlen in den Berechnungen der TK, das hat einen einfachen Grund: Sie sind nicht Teil des Beitragssystems der Kassen, sie belasten den Etat der Krankenkassen nicht, denn Schutzsuchende haben, solange sie sich im Asylverfahren befinden, einen Anspruch auf Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz.
(Quelle: Tagesspiegel v. 11.02.20, volksverpetzer.de, Sachverständigenrat für Integration und Migration, Jahresgutachten 2022)

Stand: 04.02.2025, 14:03 Uhr