MONITOR vom 15.10.2015
Tod in der Polizeizelle - Warum starb Oury Jalloh?
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Kommentieren [8]Bericht: Naima El Moussaoui, Pagonis Pagonakis, Margot Overath
Tod in der Polizeizelle - Warum starb Oury Jalloh?
Monitor. 15.10.2015. 07:01 Min.. Verfügbar bis 15.10.2099. Das Erste.
Georg Restle: „Vielleicht haben Sie ja am Sonntag den Tatort gesehen. Eine fast unglaubliche Geschichte über einen afrikanischen Flüchtling, der in einer Polizeizelle verbrannte. Nur, so unglaublich ist diese Geschichte gar nicht. Sie beruht nämlich auf einem wahren Fall, über den wir bei Monitor schon mehrfach berichtet haben. Der Fall Oury Jalloh, der vor über zehn Jahren in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben kam. Genauso wie im Tatort stellt sich hier bis heute die Frage: Hat sich Oury Jalloh wirklich selbst in Brand gesetzt oder war es womöglich Mord? Über Fiktion und Wirklichkeit eines nicht enden wollenden Ermittlungsskandals Naima El Moussaoui.“
Tatort Polizeiwache - ein Asylbewerber wird festgenommen. Er verbrennt in einer Zelle.
Dienststellenleiter Werl: „Ja, wir wissen nicht genau wie, aber er hat es irgendwie geschafft, die Matratze in Brand zu setzen.“
Falke: „Er hat sich selbst angezündet? Wie soll das gehen?“
Wie soll das gehen? Eine Frage, die im wahren Fall „Oury Jalloh“ bis heute nicht beantwortet ist. Am 7. Januar 2005 wird der 36-jährige Asylbewerber aus Sierra Leone festgenommen. Er ist stark alkoholisiert. Die Polizeibeamten durchsuchen ihn und fesseln ihn in dieser Ausnüchterungszelle - an Händen und Füßen, auf einer feuerfest ummantelten Matratze. Wenige Stunden später ist er tot - verbrannt. Was ist passiert? Schon bei der ersten Spurensicherung legen sich die Ermittler fest - wie dieses Polizeivideo vom Tatort beweist:
Videograf LKA Sachsen-Anhalt:„Ich bewege mich jetzt in den Keller, wo sich ein schwarzafrikanischer Bürger in einer Arrestzelle angezündet hat.“
Sich angezündet hat - auch die Staatsanwaltschaft in Dessau übernimmt diese Tatversion von Anfang an. Vor Gericht wird der Polizei nur vorgeworfen, Oury Jalloh nicht rechtzeitig gerettet zu haben. Nach zwei Prozessen wird der Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch es bleiben große Zweifel an den Aussagen der Polizisten. Schon im ersten Prozess hatte der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff beklagt:
Zitat: „Polizeizeugen haben systematisch gelogen.“
Das Ganze habe
Zitat: „mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun“.
Auch im Tatort mauern die Beamten:
Falke: „Also?“
Beamtin Sombert:„Der Feueralarm ist angesprungen, Mehmet ist runtergegangen, dann kam er wieder hoch und ich hab die Feuerwehr gerufen. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Darf ich?“
Falke: „Das ist doch abgesprochen.“
Absprachen unter Polizisten? Wir versuchen, mit den Beamten von damals zu reden. Doch alle blocken ab. Nur er will nicht länger schweigen: Swen Ennullat war früher Polizist in Dessau, in einer anderen Abteilung, beim Staatsschutz. Als er vor Jahren auf Ermittlungsfehler und Widersprüche seiner Kollegen hinwies, wurde er mit einem Disziplinarverfahren abgestraft.
Swen Ennullat: „Widersprüche wurden nicht zugelassen. Es gab nur die Version, Oury Jalloh hat sich selbst angezündet, ja. Und jeder, der etwas anderes sagte, wurde geschnitten, wurde schikaniert, galt als Nestbeschmutzer.“
Und so mauert die Polizei bis heute. Und die Staatsanwaltschaft?
Folker Bittmann, Leitender Oberstaatsanwalt: „Ja, wenn es keine anderen Anhaltspunkte für Fremdverschulden gibt, dann liegt es natürlich nahe anzunehmen, dass das Feuer von eigener Hand gelegt wurde.“
Keine Anhaltspunkte? Im Tatort liefert ein Feuerzeug den entscheidenden Hinweis.
Tatortszene:
Falke: „Und die Brandursache?“
Lorenz: „Aber er ist durchsucht worden?!“
Hat sich Oury Jalloh wirklich mit diesem Feuerzeug angezündet? Daran gibt es große Zweifel. Niemand hat es in der Zelle gesehen. Erst drei Tage nach dem Brand taucht es in der Asservatenliste der Ermittler auf. Und erst sieben Jahre später wird es untersucht - mit erstaunlichen Ergebnissen: Das Feuerzeug weist weder Spuren von Oury Jalloh, noch Reste seiner Kleidung oder der Matratze auf. Dafür aber andere eingeschmolzene Textilfasern und Tierhaare, die nicht aus der Zelle stammen.
Gabriele Heinecke, Anwältin Familie Jalloh: „Das ist für mich der Beweis dafür, dass dieses Feuerzeug nicht in der Zelle, sondern woanders in diesen Zustand gebracht worden ist. Und dabei die Faserbüschel eingeschmolzen sind.“
Reporter: „Was schlussfolgern Sie daraus?“
Gabriele Heinecke, Anwältin Familie Jalloh: „Wenn es kein Feuerzeug in der Zelle gegeben hat, dann kann Oury Jalloh nicht - so wie die Staatsanwaltschaft nicht müde wird, es zu behaupten - das Feuer selber gelegt haben. Es muss also eine dritte Person gewesen sein. Nach dieser dritten Person muss man suchen.“
Doch dafür sieht die Staatsanwaltschaft keinen Anlass. Und auch einer zweiten Frage geht sie jahrelang nicht nach: Wie konnte Oury Jalloh binnen Minuten so stark verbrennen? Antworten sucht eine private Initiative. Freunde von Oury Jalloh geben 2013 bei einem Experten ein Brandgutachten in Auftrag: In einem aufwendigen Versuch stellt er fest, so starke Verbrennungen sind nur mit Brandbeschleuniger möglich. Aufgrund der Hautähnlichkeit zündet er einen Schweinekadaver an. Das Ergebnis: ein ähnliches Brandbild wie bei Oury Jalloh. Die Staatsanwaltschaft gerät unter Druck. Sie lässt den inzwischen neun Jahre alten Brandschutt aus der Zelle erneut auf Brandbeschleuniger untersuchen. Ergebnis: negativ.
Folker Bittmann, Leitender Oberstaatsanwalt: „Wir haben keinen gefunden und dementsprechend auch keine Bestätigung für einen Anschlag. Der Gutachter in Hannover hat uns gesagt, er hätte welchen gefunden, wenn er denn zum Einsatz gekommen wäre.“
Eine falsche Schlussfolgerung, sagt der Schweizer Toxikologe Peter Iten. Brandbeschleuniger seien nicht immer nachweisbar. Die starken Verbrennungen von Oury Jalloh ließen sich ohne Brandbeschleuniger gar nicht erklären.
Peter Iten, Toxikologe:„Es muss ja ganz schnell brennen. Sonst stimmt die Toxikologie dann nicht mehr mit dem Ablauf überein. Dann würde eine Fremdhandlung eigentlich ein solches Bild schon lückenlos erklären können.“
Ist hier also ein Mensch angezündet worden? Im Tatort ist die Frage kein Tabu. Der Täter - ein Polizist.
Polizist Kohler:„Ich wusste, dass die Matratze nicht brennt. Deswegen habe ich Benzin drüber gegossen, hab das angezündet, hat er gebrannt, hat er geschrien, dann bin ich raus.“
Im Fall von Oury Jalloh sieht die Staatsanwaltschaft nur Unklarheiten. Sie will nicht einmal einem Anfangsverdacht auf Fremdverschulden nachgehen.
Georg Restle: „Das ist dann doch der Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Der Fall Ouri Jalloh wird vielleicht nie aufgeklärt werden.“
Stand: 13.10.2015, 14:40 Uhr
8 Kommentare
Kommentar 8: Sag deine Meinung schreibt am 30.10.2015, 15:40 Uhr :
...hört endlich auf uns zu verarschen!
Kommentar 7: Horst Müller schreibt am 24.10.2015, 17:08 Uhr :
Diese Kommentare hier schreien ja förmlich nach Pegida Anhänger*Innen! Es geht um eine Straftat, deren Bedeutung für die Gesellschaft genauso wichtig ist, wie die Verschwörung um den NSU! Es wurde Systematisch gefälscht, vernichtet, dazugedichtet(ein Feuerzeug, welches erst Tage später ''gefunden'' wurde, als Beispiel) und wehement eine Aufklärung verhindert! Es geht hier nicht um Muslime oder Gewalt an Menschen mit Deutschem Pass! Menschen mit Dunkler Hautfarbe erfahren Tagtäglich Rassismus! Von ''Weißen'' Menschen, von Behörden.... und das nicht nur in Deutschland, sondern Weltweit! Aber aus einer Prviligiert ''weißen'' Position, die den Kolonialismus vergisst, lässt sich ja leicht darüber schwadronieren! Wenn es die Initiative nicht geben würde, würde dieser Fall, wie hunderte Andere unter den Tisch fallen. In der gleichen Zelle (Revier) sind schon zwei andere Menschen ums Leben gekommen....auch diese ?Taten? wurden nicht aufgeklärt. Diese Wutbürger hier sind einfach nur ...
Kommentar 6: Resignierter schreibt am 21.10.2015, 19:33 Uhr :
"Monitor berichtete mehrfach darüber". Na, wenn man um jeden ungeklärten Tod von Drogendealern so ein Aufhebens machen würde, da käme sich der schlichte Steuerzahler noch verars... vor! Denn wir haben durchaus viele andere Gewaltopfer zu betrauern in diesem Land, sowie auch deren Angehörige zu bedauern! Doch nur Minderheiten haben eine Lobby bei Medien und Politik. Wo sind wir nur hingekommen?
Kommentar 5: Walross schreibt am 20.10.2015, 13:43 Uhr :
Schade, Monitor stand mal für knallharte Recherche und Veröffentlichung von auch unangenehmen FAKTEN. In der letzten Sendung hatte ich das Gefühl, dass Fakten gegen Mutmaßungen ausgetauscht wurden, um dem (von oben verordnetem?) Mainstream gerecht zu werden. Das Gefühl kenne ich aus den Jahren 1986 bis 1989.
Kommentar 4: Alfons Z. schreibt am 17.10.2015, 00:00 Uhr :
Es ist einfach zu lange her - wer will sich noch mit diesem Desaster auseinandersetzen? Schlimm genug, dass man den Tatort-Liebhabern damit einen Sonntagabend vergällt hat, wo schon samstags "tote Hose" im Öffentlich-Rechtlichen ist, sowie die Sommerpause jedes Jahr mit ihren ewigen Wiederholungen immer länger wird. Der Gedenkverein für diesen afrikanischen Dealer sollte sich den Lebenden zuwenden, da gibt es momentan genug zu tun. Außerdem: Ich will gar nicht wissen, wie viele Christen man in Afrika in den vergangenen Jahren massakriert hat, die dort in Hilfsorganisationen tätig und wirklich gute Menschen waren. Wo bleibt da der mediale Aufschrei?
Kommentar 3: Mediennutzer schreibt am 16.10.2015, 19:12 Uhr :
Der erste Tatort, den ich mir nicht angesehen habe. Denn dieses Machwerk setzte der Flüchtlingspropaganda der letzten Monate noch die Krone auf. Es gibt nahezu keinen Bereich, der nicht genutzt wird dafür - sogar ein unterhaltsamer Tatort-Fernsehsonntag muss noch damit verschandelt werden passend zum Zeitgeist, einen Schwarzen im Nachhinein zum Helden zu machen, der nachweislich eine kriminelle Vergangenheit hatte und nicht, wie gern dargestellt, ein armes unschuldiges Opfer böser rassistischer Polizeibeamte. Wer dreht denn Filme über die hunderte Opfer brutaler Gewalt durch Muslime in diesem Land oder deren verzweifelte Angehörige?
Kommentar 2: Entrüsteter schreibt am 15.10.2015, 22:16 Uhr :
Wer redet eigentlich von den deutschen Mordopfern der letzten Jahre? Wer hält denn für die Gedenkfeiern ab? Und ehrlich - dieser Mann war nachweisbar kriminell, aber es sind viele Toten zu beklagen, die tatsächlich einen unfassbar grausamen Tod fanden als unschuldige Opfer perverser Verbrecher! Dieses Land verkommt immer mehr zu einer zweiten DDR - es werden politisch motivierte Taten neuerdings strenger betraft, sowie auch noch andere. Und dieser Fall wird einfach hochstilisiert zu einer rassistischen Tat. Dabei kam genauso ein Obdachloser in einem Krankenhaus ums Leben - er brachte es ebenfalls fertig in einer Psychiatrie sich selbst anzuzünden, obwohl man ihm vorher seine Sachen weggenommen hatte. Dieses Hochpuschen eines Unglücksfalls ist für die Minderheiten anbetende Gutmenschenlaste kennzeichnend, die keinerlei Empathie für hunderte Mordopfer zeigt, die es ebenfalls gibt, aber einen Afrikaner zum Märtyrer erheben will - nach 10(!)Jahren. Wohl, weil er schwarz war. Und man m ...
Kommentar 1: Bernhard Thiesing schreibt am 13.10.2015, 21:59 Uhr :
Vgl. https://initiativeouryjalloh.wordpress.com www.spartacist.org/deutsch/spartakist/201/jalloh/html