Nach den Wahlen: Wie zerrissen ist die Republik?
Die Wahlen im Osten diskutiert das ganze Land: Warum ist die AfD so stark? Geht Regieren in Ostdeutschland nur noch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht? Warum haben so viele die Nase voll von der Ampel? Was kann gegen den Frust der Bevölkerung getan werden?
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
In der Sendung wirft Katharina Warda, Soziologin und Autorin, dem BSW vor, ebenso wie die AfD rassistische und rechte Narrative zu bedienen. Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende des BSW, entgegnet dem, dass das BSW bei der Europawahl überdurchschnittlich von Migrantinnen und Migranten gewählt wurde.
Infratest dimap veröffentlicht keine Zahlen zum Wahlverhalten von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Auf Rückfrage der Redaktion gab Sahra Wagenknecht eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung an, für die im November 2023 Wahlabsichten abgefragt wurden. Dass sie künftig auf jeden Fall oder wahrscheinlich das BSW wählen würden, sagten im November 2023 von den Wählerinnen und Wählern 21,1 Prozent mit Migrationshintergrund. Zu diesem Zeitpunkt war die Parteigründung des BSW aber noch nicht offiziell vollzogen und die Umfrage bezieht sich auch nicht spezifisch auf das Wahlverhalten bei der Europawahl 2024. Eine weitere von Frau Wagenknecht angeführte Studie zeigt nicht das Wahlverhalten von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund, sondern von muslimischen Bürgerinnen und Bürgern in den westdeutschen Bundesländern und West-Berlin. Bei der Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen gaben 17 Prozent von Ihnen an, das BSW bei der Europawahl 2024 gewählt zu haben. Damit lag das BSW vor der Union, der SPD, der Linken, den Grünen, der FDP und der AfD.
Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, fordert dazu auf, kein “Schwarz-Weiß-Zerrbild” zu zeichnen und dabei zu unterschlagen, dass die Politik Probleme aktiv angehe. Dabei reagiert er in der Sendung auf Kritik von Sahra Wagenknecht. Als Beispiel führt Kühnert an, dass der Niedriglohnsektor geschrumpft sei.
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist der Niedriglohnsektor bereits von 2017 bis 2022 geschrumpft und auch die Bruttostundenlöhne sind bereits zwischen 1995 und 2021 inflationsbereinigt um 16,5 Prozent gestiegen. Neuere Zahlen des statistischen Bundesamtes zeigen, dass sich dieser Trend fortsetzt: Der Anteil von Jobs im Niedriglohnsektor an allen Beschäftigungsverhältnissen sank bundesweit zwischen April 2022 und April 2023 von 19 auf 16 Prozent.
Quellen: