Die Ukraine kämpft, Deutschland zögert: Lähmt uns die Angst vor Putin?

Der Faktencheck zur Sendung vom 25.04.2022

In der Ukraine beginnen Schlachten wie seit dem Weltkrieg nicht mehr. Erdrückt die russische Waffenmacht am Ende doch die Ukraine? Kommt die Hilfe des Westens zu spät? Und was macht Deutschland: handeln oder hadern aus Furcht vor Putins Drohungen?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Jan van Aken über Tempolimit und Überweisungen für Öl

Jan van Aken wäre ein Energieembargo lieber als die Lieferung von Waffen. Seit Kriegsbeginn habe die EU 41,3 Milliarden Euro für Energie nach Russland überwiesen. Deutschland hätte alleine durch ein Tempolimit 300 Millionen Euro weniger nach Russland überweisen müssen.

Bereits Anfang April sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, die EU-Mitglieder hätten seit Beginn des Ukraine-Krieges 35 Milliarden Euro für Öl, Gas und Kohle an Russland überwiesen. Heute, mehr als zwei Wochen später, dürfte dieser Betrag noch einmal gestiegen sein, so dass die Größenordnung, die Jan van Aken nennt, plausibel ist.

Die Rechnung aber, Deutschland hätte alleine durch ein Tempolimit 300 Millionen Euro weniger an Russland für Öl zahlen müssen, darf bezweifelt werden – zumindest dann, wenn van Aken diese Rechnung nur für den Zeitraum aufmacht, den der Ukraine-Krieg inzwischen andauert. Selbst wenn man großzügige Einsparberechnungen wie zum Beispiel die von Greenpeace zugrunde legt und den aktuell hohen Preis für Rohöl sowie den hohen Anteil an Importen von russischem Öl berücksichtigen würde, sind 300 Millionen Euro in zwei Monaten wenig plausibel.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) veröffentlicht in monatlichen amtlichen Berichten Zahlen über Ölimporte. Demnach führte Deutschland im Januar dieses Jahres insgesamt etwa 7 Millionen Tonnen Rohöl ein. 2,7 Millionen Tonnen hiervon kamen aus Russland – das entspricht einem Anteil von 39,5 Prozent. Nach Angaben der BAFA kostete der Import von russischem Öl im Januar insgesamt 1,48 Milliarden Euro.

Setzt man diese Zahlen in Verbindung mit den Berechnungen von Greenpeace, nach denen ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen zu einer Reduzierung von 2,1 Prozent des gesamten Ölimports führen würde und berücksichtigt dabei den Anteil an russischem Import-Öl, so wären im Januar 58.000 Tonnen Öl aus Russland weniger nötig gewesen (147.200 Tonnen bei Betrachtung aller Ölimporte). Bei einem Preis für russisches Öl von 537 Euro pro Tonne, wären im Januar 31,1 Millionen Euro weniger fällig gewesen. Hochgerechnet auf die inzwischen zwei Monate, die der Krieg in der Ukraine andauert, hätten sich die Ausgaben für russisches Öl bei angenommenen gleichen Konditionen rein rechnerisch also um etwa 62 Millionen Euro reduziert.

Die Rechnung von Jan van Aken würde annähernd Sinn ergeben, wenn er die Zahlen auf das gesamte laufende Jahr hochrechnen würde. Bei vergleichbaren Preisen und Einfuhrmengen wie im Januar 2022 würde sich das Einsparpotenzial für russisches Öl bei einem Tempolimit auf Grundlage der Berechnungen von Greenpeace auf 373 Millionen Euro für 2022 aufsummieren.

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Stand: 26.04.2022, 11:20 Uhr