Kranke Wälder, überflutete Täler: Wird jetzt ernst gemacht beim Klimaschutz?

Der Faktencheck zur Sendung vom 01.11.2021

Die Diskussionsrunde mit Frank Plasberg startet diesmal mit einer Reportage: Förster Peter Wohlleben in seinem Wald – ganz nah das von der Flut zerstörte Dorf Schuld im Ahrtal – ein dramatisches Zeichen für den Klimawandel. Wie radikal muss die Klimapolitik jetzt werden? Und geht das ohne harte Umbrüche für ganze Regionen, ohne Verzicht für alle?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Sebastian Lachmann und Anne Spiegel über Klima und Wetterereignisse

Sebastian Lachmann hat Zweifel, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Flutkatastrophe im Ahrtal gibt. Seiner Ansicht nach war es in erster Linie ein Wetterereignis, das zu der verheerenden Flut geführt hat. Anne Spiegel verweist dagegen auf Studien, die einen Zusammenhang zwischen Extremwettern und Klimawandel belegen.

Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einem einzigen Extremwetterereignis wie dem an der Ahr in diesem Sommer herzustellen, vermag auch die Wissenschaft nicht. Das bedeutet aber nicht, dass der Klimawandel nicht für die Häufung solcher extremen Wetterereignisse verantwortlich ist. Das belegen Studien. So kommt etwa die „world weather attribution“ (WWA) in einer Untersuchung zu den starken Regenfällen im Sommer zu dem Schluss, dass sich die Wahrscheinlichkeit für solche Wetterextreme durch den menschengemachten Klimawandel um das 1,2 bis 9-fache erhöht hat. Bei einem weltweiten Temperaturanstieg von zwei Grad nähme zusätzlich auch die Intensität dieser Ereignisse zu. Die WWA, zu denen unter anderem Forscher vom Deutschen Wetterdienst und der Universität Oxford gehören, rechnet vor, dass bei einer Erderwärmung von zwei Grad die Regenstärke um bis zu sechs Prozent zunehmen kann.

Auch eine in diesem Jahr von zahlreichen internationalen Forschern im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Kinder in Zukunft viel stärker von Klimaextremen betroffen sein werden als Erwachsene von heute. An der Untersuchung war auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt. Für die derzeit gesteckten Klimaziele sagt die Studie voraus, dass heute geborene Kinder bis zu siebenmal häufiger mit Hitzewellen zu kämpfen haben und sich bis zu dreimal häufiger auf Dürreperioden einstellen müssen. Außerdem werden sie doppelt so viele Waldbrände und dreimal häufiger Überschwemmungen erleben als heute. “Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Sicherheit der jungen Generation ernsthaft bedroht ist und drastische Emissionsreduzierungen erforderlich sind, um ihre Zukunft zu sichern“, so das Fazit des Hauptautors der Studie, Wim Thiery von der Freien Universitär Brüssel.

Dorothea Siems über Frankreichs CO2-Ausstoß

Dorothea Siems hält die Diskussion über eine Verlängerung der Stromproduktion aus Atomkraft zumindest für legitim und blickt nach Frankreich. Die Franzosen erzeugten 70 Prozent ihres Stroms aus Kernkraft und hätten eine wesentlich bessere CO2-Bilanz als wir.

Frankreich setzt traditionell auf Kernkraft. Tatsächlich werden bei unserem Nachbarn rund 70 Prozent des Stroms aus Atomkraftwerken gewonnen. Kohlekraftwerke decken lediglich etwa 1 Prozent des Energiebedarfs ab. Das schlägt sich auch in der CO2-Bilanz Frankreichs nieder. Im vergangenen Jahr emittierte Frankreich rund 280 Millionen Tonnen CO2. Deutschland lag mit 636 Millionen Tonnen innerhalb der EU weit vorne. Auch der CO2-Ausstoß pro Kopf liegt in Frankreich deutlich niedriger als in Deutschland. Laut aktueller Daten der europäischen Emissionsdatenbank EDGAR liegt er in Frankreich bei 4,2 Tonnen. In Deutschland liegt der CO2-Verbrauch pro Kopf mit 7,7 Tonnen fast doppelt so hoch.

Peter Wohlleben über verfeuertes Holz

Peter Wohlleben sagt, die Hälfte der 120 Millionen Kubikmeter Holz wird in Deutschland “verfeuert“.

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (fnr) berichtet in ihrem “Rohstoffmonitoring Holz“ detailliert, zu welchem Zweck Holz in Deutschland verwendet wird. Im Jahr 2018 betrug der Holzeinschlag in Deutschland 64,5 Millionen Kubikmeter. Berücksichtigt man, dass Holz zu großen Teilen mehrfach verwendet wird – etwa durch die Nutzung von Rest- und Recyclingholz -, ergab sich laut Holzmonitoring für das Jahr 2018 ein Aufkommen an verwendetem Holz von rund 127 Millionen Kubikmeter – also deutlich mehr als der eigentliche Holzeinschlag im gleichen Jahr. Die fnr kommt in ihrem Bericht tatsächlich zu dem Schluss, dass von diesen 127 Millionen Kubikmetern Holz etwa die Hälfte für energetische Zwecke – also zum Verbrennen – genutzt wurde. Die andere Hälfte landete unter anderem in der Säge- oder Holzstoffindustrie.

Dorothea Siems über Opferzahlen im Ahrtal

Dorothea Siems beklagt, dass Unwetterwarnungen kurz vor der Flutkatastrophe nicht weitergeleitet wurden. Die 250 Todesfälle im Ahrtal hätten vermieden werden können.

Der Richtigkeit halber möchten wir die Zahl, die Dorothea Siems für das Ahrtal genannt hat, korrigieren. Die Flutkatastrophe im Ahrtal kostete nicht 250 Menschen das Leben. Offiziell gab die rheinland-pfälzische Landesregierung Ende September die Opferzahl mit 133 an. Drei Personen wurden zu diesem Zeitpunkt noch vermisst. Der SWR berichtet, dass eine der vermissten Personen, deren Leiche in Rotterdam angeschwemmt worden war, inzwischen identifiziert werden konnte. Die Opferzahl für das Ahrtal steigt damit auf 134. Acht weitere geborgene Tote waren keine Flutopfer, sondern bereits vor der Katastrophe verstorben.

Die Flutkatastrophe suchte allerdings nicht nur das Ahrtal heim. Auch in NRW und in Belgien fielen jeweils mehr als 40 Menschen der Katastrophe zum Opfer. Hinzu kommen vereinzelte Tote aus weiteren Bundesländern, in denen es im Sommer ebenfalls zu Starkregen und Überschwemmungen gekommen war. Insgesamt liegt die Zahl der Opfer bei deutlich über 200.

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Stand: 02.11.2021, 11:19 Uhr