Wahlkampf um Mieten und Bauen – wie bleibt das Wohnen bezahlbar?

Der Faktencheck zur Sendung vom 13.09.2021

Mieten explodieren, Bauen ist kompliziert und teuer. Wer schützt die Mieter am besten? Wie können sich viele wieder ein Eigenheim leisten? Wahlkampf ums Wohnen – „Hart aber fair“ sammelt Meinungen und Fragen der Menschen quer durch Deutschland – die Diskussion dazu im Studio!

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Tilmann Kuban über Sand, Kies und die Grünen

Tilman Kuban sagt, die Grünen hätten auf dem Bielefelder Parteitag beschlossen, den Anteil von Kies und Sand beim Hausbau rationieren zu wollen.

Die Grünen machen in einem Beschluss zur Bauwende, der 2019 auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Bielefeld angenommen wurde, darauf aufmerksam, dass Sand und Kies die am meisten benötigten Baurohstoffe darstellen. Durchschnittlich würden für den Bau eines Einfamilienhauses etwa 200 Tonnen Sand und Kies benötigt. Als meistgeförderte Rohstoffe der Welt gehe der Abbau mit der Zerstörung von Landschaft und Lebensräumen einher. Für die Grünen Grund genug, sich für nachhaltigeres und ressourcenschonendes Bauen einzusetzen. So fordern sie unter anderem, dass der Anteil der Wiederverwertung solcher Baustoffe, die bei Gebäudeabrissen anfallen, deutlich steigen muss. Nach dem Willen der Grünen soll Bauen in Zukunft von der Planung über die Nutzung bis hin zum Abriss Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Hierzu gehört auch die Reduzierung des Rohstoffbedarfs, der unter anderem durch bessere Recycling-Quoten erreicht werden soll. Darüber hinaus fordern sie in dem Beschluss eine CO2-Bepreisung von Baustoffen. Von einer im engsten Sinne staatlich regulierten Rationierung ist in dem Beschluss keine Rede. Sollte Kuban aber gemeint haben, dass die Grünen die Verwendung von Sand und Kies reduzieren wollen, hat er recht.

Julie Kurz über die Wohnraumoffensive

Julie Kurz sagt, das Ziel der “Wohnraumoffensive“ mit der die Bundesregierung 1,5 Millionen neue Wohnungen bauen wollte, sei nicht erreicht worden.

Bundesbauminister Horst Seehofer würde Julie Kurz widersprechen, Zustimmung erhielte sie unter anderem von der Gewerkschaft IG Bau, vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und vom Deutschen Mieterbund. Auf einem gemeinsamen Wohngipfel verabredeten Bund, Länder und Kommunen im September 2018 eine gemeinsame “Wohnraumoffensive“. Ziel war es, bis Ende der Legislaturperiode insgesamt 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Aus dem Bauministerium heißt es, dass bis Ende 2021 1,2 Millionen neue Wohnungen fertig gestellt sein werden. Hinzu kämen aber weitere rund 780.000 Baugenehmigungen, die erteilt worden seien. Das selbst gesteckte Ziel von 1,5 Millionen sei also erreicht worden. Kritik an diesen Zahlen kommt unter anderem von der Gewerkschaft IG Bau, die die Bilanz als einen Griff in die “Trickkiste der Statistik“ bezeichnete. Seehofer rechne die Zahlen schön, so der IG-Bau-Vorsitzende Robert Feiger. Seehofer nehme alle tatsächlich gebauten Wohnungen und addiere dann alle Wohnungen, die gerade im Bau sind oder für die eine Genehmigung vorliegt. In einem Rohbau aber könne man nicht wohnen, so Feiger. Die IG Bau geht ebenso wie der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen bis Ende 2021 bestenfalls von 1,2 Millionen fertigen neuen Wohnungen aus. Kritik kommt auch vom Deutschen Mieterbund. “Das Ziel der 1,5 Millionen Wohnungen wurde schichtweg verfehlt“, sagt sein Präsident Lukas Siebenkotten.

Tilmann Kuban über leere Wohnungen auf dem Land

Tilman Kuban sagt, im ländlichen Raum gebe es einen Wohnungsleerstand von 1,2 Millionen.

Zahlen zu Wohnungsleerständen sind nach Ansicht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit Vorsicht zu genießen. Laut BBSR stellt die unzureichende Datenlage zum Leerstand die Wohnungsforscher immer wieder vor methodische Herausforderungen. Eine regelmäßige bundesweite Erfassung von leestehenden Wohnungen gebe es nicht, so das BBSR. Lediglich im Jahr 2011 wurde im Rahmen des so genannten Zensus eine vollständige Gebäude- und Wohnungszählung durchgeführt. Damals lag die die Zahl der leerstehenden Wohnungen deutschlandweit bei rund 1,8 Millionen. Rund 711.000 hiervon lagen im ländlichen Raum. Das waren 5,5 Prozent aller Wohnungen im ländlichen Raum.

Für den Zeitraum 2012 bis 2018 hat das BBSR Schätzungen veröffentlicht. Demnach standen 2018 in Deutschland 1,7 Millionen Wohnungen leer. Das entspricht 4,2 Prozent aller Wohnungen. Dabei gab es deutliche Unterschiede zwischen Großstädten, städtischen Kreisen und ländlichen Gegenden. Während in boomenden Großstädten der Leerstand bei 1,2 Prozent lag, waren in den ländlichen Kreisen 7,2 Prozent der Wohnungen ungenutzt. Was das in absoluten Zahlen bedeutet, geht aus dem Bericht des BBSR nicht hervor. Das BBSR schließt nicht aus, dass sich der Leerstand bundesweit bis zum Jahr 2030 um 1,5 Millionen erhöhen kann.

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Stand: 14.09.2021, 11:08 Uhr