Wahlkampf mit allen Mitteln: Zerbricht Amerika an Donald Trump?

Der Faktencheck zur Sendung vom 24.08.2020

Endspurt im US-Wahlkampf. Es droht schmutzig zu werden – mit allen Tricks und Fouls. Was, wenn Donald Trump noch einmal vier Jahre schafft? Was, wenn Trump verliert, aber nicht gehen will? Und was bedeutet das für uns, wenn Amerika am Streit um die Wahl zerbricht?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

George Weinberg über die "Spanische Grippe"

Wie Donald Trump bezeichnete auch George Weinberg das Corona-Virus als “China-Virus“, weil es aus China stamme, so Weinberg. Schließlich werde die Grippe der Jahre 1918 und 1919 ja auch “Spanische Grippe“ genannt.

Damit suggeriert George Weinberg, die Spanische Grippe werde so genannt, weil sie ihren Ursprung in Spanien gehabt habe. Der genaue Ursprung des Erregers der “Spanischen Grippe“, das in den Jahren 1918/1919 weltweit Abermillionen Menschen das Leben kostete, ist bis heute nicht abschließend geklärt. In einem aber sind sich die allermeisten Wissenschaftler – darunter Historiker und Medizinhistoriker – einig: Der Ursprung der Pandemie lag nicht in Spanien. Spanien wurde aufgrund der Berichterstattung über die Krankheit Namensgeber der Pandemie. Der Arzt und Historiker Wilfried Witte ist einer von vielen Wissenschaftlern, die sich mit der Geschichte der Spanischen Grippe befasst haben. Als nichtkriegsführendes Land seien die Pressezensurmaßnahmen in Spanien deutlich geringer gewesen, so dass eine ausführlichere Berichterstattung über die damals rätselhafte Krankheit gewährleistet war, so Witte im Deutschlandfunk. So habe es etwa eine Pressekonferenz gegeben, auf der gemeldet wurde, dass die Krankheit inzwischen auch Spanien erreicht habe und sogar der König erkrankt sei, so Witte.

Am weitesten verbreitet ist die Vermutung, das Virus habe seinen Ursprung in einem Rekrutencamp der US-Army in Kansas. Hier seien bereits im März 1918 die ersten Massenerkrankungen verbürgt, schreibt etwa der Historiker Eckhard Michels in „Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte“ (Bd. 58/2010). Mit den Truppentransporten aus den USA gelangte das Virus schließlich nach Frankreich, von wo aus es sich in ganz Europa ausbreiten konnte. In anderen Theorien werden auch China und Frankreich als Ursprungsorte nicht ausgeschlossen. So könnten chinesische Wanderarbeiter, die es wegen des Krieges nach Europa zog, das Virus verbreitet haben, schreibt der Historiker Frieder Nikolaus Christian Bauer mit Verweis auf erste Untersuchungen aus den USA aus dem Jahr 1921. Englische Virologen haben im Jahr 2002 den Fokus auf die Ansammlung zahlreicher Soldaten an der französischen Front, gemeinsam mit Schweinen, Geflügel, Pferden sowie der lungenschädigenden Einflüsse von Giftgasen gelegt. Ihrer Auffassung nach waren dies ideale Voraussetzungen dafür, dass ein Grippevirus von Tier auf Mensch überspringen kann. Nach Ansicht der Wissenschaftler aus Oxford könnte der Ursprung der Pandemie also auch an der Westfront des ersten Weltkrieges gelegen haben.

Ansgar Graw über die US-Demokratie

Ansgar Graw glaubt nicht, dass eine Wiederwahl Donald Trumps die Demokratie in den USA gefährden würde. Dafür seien die Demokratie und ihre Institutionen in den USA einfach zu stark – die könne auch ein Trump nicht ohne weiteres übergehen. Stimmt seine Einschätzung?

“Die Gefahr einer nachhaltigen Schädigung der US-Demokratie wird von Experten kontrovers diskutiert“, sagt JProf. Florian Böller. Der Politikwissenschaftler befasst sich an der TU Kaiserslautern unter anderem mit den anstehenden Wahlen in den USA und der Politik Donald Trumps. “Ein Argument, was für die weiterhin vorhandene Stärke der Institutionen spricht, ist die Gegenmachtbildung, die Trump bei einigen zentralen Projekten seiner Administration durch den Kongress und die Gerichte erfahren musste“, sagt der Experte. Dies gelte zum Beispiel für Teile seiner Einwanderungspolitik oder den Versuch, Obamacare – die Gesundheitsreform seines Vorgängers – abzuschaffen. Auch die Zwischenwahlen von 2018, bei der die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen konnten und damit wichtige Gesetze nicht ohne deren Zustimmung verabschiedet werden können, spricht für die Stärke der bestehenden Institutionen, so der Politikwissenschaftler.

Andererseits sei erkennbar, dass der Präsident mit seiner Politik bestehende demokratische Normen unterwandert oder zumindest in Teilen beschädigt hat. “Beispiele sind seine Angriffe gegen etablierte Medien, die eine zentrale Kontrollinstanz in Demokratien sind, oder sein Versuch die Ermittlungen im Kontext der Kontakte seines Wahlkampfteams zu Russland durch Robert Mueller zu behindern“, sagt Böller. Die Unabhängigkeit des Justizsystems habe auch dadurch Schaden genommen, dass Trump im Zuge dieser Ermittlungen verurteilte Personen, wie seinen früheren Berater Roger Stone, durch präsidentiellen Erlass begnadigte. “Darüber hinaus untergräbt Trump gegenwärtig die für Demokratien zentrale Legitimität des Wahlprozesses indem er ohne Belege behauptet, dass durch die Nutzung von Briefwahlen systematische Wahlfälschung erfolge“, sagt Böller. Der Experte für US-Politik glaubt, dass eine Wiederwahl Trump in seinem Versuch bestärken würde, seinen bereits häufig formulierten umfassenden Machtansprach weiter umzusetzen.

Tamika Campbell über die Politik Trumps

Wie viele andere Trump-Kritiker wirft auch Tamika Campbell dem US-Präsidenten vor, das Land nicht zu vereinen, sondern zu spalten. Trump habe sich besonders für die Reichen eingesetzt und die Armen vernachlässigt. Was ist tatsächlich dran an diesem Vorwurf?

“Der Vorwurf, dass sich Präsident Trump vor allem für Reiche eingesetzt hat, erscheint insbesondere mit Blick auf das zentrale Politikprojekt der Trump-Administration - nämlich die Steuerreform - plausibel“, sagt JProf. Florian Böller. Seiner Ansicht nach profitierten vor allem Unternehmen und ökonomisch besser gestellte Teile der US-Gesellschaft von Trumps Steuerreform ("Tax Cuts and Jobs Act"), während mittlere und untere Einkommensgruppen vergleichsweise geringere Vorteile erhielten.

Gleichzeitig dürfe man aber nicht vergessen, dass eine gesellschaftliche Spaltung in den USA schon vor Trump existierte, so der Experte: “Hier diagnostizieren Politikwissenschaftler insbesondere in den vergangenen 20 Jahren eine zunehmende Polarisierung, das heißt ein Auseinanderdriften der politischen Positionen und eine Schwächung der politischen Mitte.“ Diese Tendenzen hätten sich mit dem Aufkommen der “Tea Party“ - Bewegung und der darauffolgenden Fundamentalopposition gegen Präsident Obama durch die Republikanische Partei nach den Zwischenwahlen von 2010 nochmals verstärkt, sagt Böller.

Allerdings heize Donald Trump durch eine Vielzahl falscher Behauptungen die politische Spaltung des Landes weiter an, sagt der Politikwissenschaftler. “Dazu zählte bereits die Verbreitung der Verschwörungstheorie, nach der Barack Obama nicht in den USA geboren und damit kein legitimer Präsident sei. Auch als Präsident hat Trump immer wieder nachweisbar gelogen. Hinzu kommt, dass Trump in Krisensituationen keine erkennbaren Versuche unternommen hat, gesellschaftliche Gräben zu überwinden“, sagt Böller. Beispiele hierfür seien Trumps Reaktion auf die Proteste nach dem Tod von George Floyd, als der Präsident mit dem Einsatz des Militärs drohte, statt die zugrundeliegende Problematik rassistisch motivierter Polizeigewalt oder andere Aspekte des strukturellen Rassismus in den USA zu thematisieren, so der USA-Experte. Auch Trumps Reaktion auf die Corona-Pandemie ist nach Auffassung von Böller durch den Versuch geprägt, die Krise parteipolitisch zu instrumentalisieren. “So kritisierte der Präsident etwa demokratische Gouverneure für ihr Krisenmanagement, hinterfragte Experten überparteilicher Institutionen wie den führenden Epidemiologen Anthony Fauci und unternahm insgesamt keinen Versuch, die Nation angesichts einer massiven Zahl an Toten durch das Virus zu trösten bzw. zu versöhnen.“

George Weinberg über Sterberate in den USA

George Weinberg will in einem unserer Einspielfilme einen Fehler entdeckt haben. Es stimme nicht, dass es in den USA – bezogen auf die Einwohnerzahl - die meisten Sterbefälle gibt.

Das aber hat unser Einspielfilm nie behauptet. In unserem Einspielfilm zeigen wir Donald Trump, der sagt: “And we have just about the lowest mortality rate.” (“Wir haben nahezu die niedrigste Sterberate.“) Dann sagt die Sprecherin in unserem Film: „Das ist falsch! Die USA zählen zu den Ländern, in denen es im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Corona-Sterbefälle gibt – sagt die Johns-Hopkins-Universität.“ Betrachtet man nämlich die Todesfälle im Zusammenhang mit Corona im Verhältnis zu 100.000 Einwohnern, so lagen die USA zum Zeitpunkt der Rede von Donald Trump (14.7.2020) nach Angaben der Forscher weltweit an neunter Stelle von mehr als 150 aufgelisteten Ländern. Auf 100.000 Einwohner entfielen statistisch betrachtet am 14.07.2020 41,45 Todesfälle. Zum Vergleich: Deutschland beklagte zu diesem Zeitpunkt 10,94 Corona-Tote pro 100.000 Einwohner.

Nach aktuellstem Stand (25.08.20) liegen die USA auf dieser Liste auf Rang elf. Laut Johns Hopkins - Universität sind inzwischen 54,18 Menschen pro 100.000 Einwohnern im Zusammenhang mit Corona verstorben. In Deutschland stieg die Zahl auf 11,19 pro 100.000 Einwohner.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben diesen Faktencheck um Zahlen vom 14.07.20 ergänzt, weil Trump sich in seiner Rede am 14.07.20, die wir in unserem Einspielfilm in Auszügen zeigen, auf die damals aktuellen Zahlen bezogen hatte.

George Weinberg über Arbeitslose in schwarzer Bevölkerung

George Weinberg sagt, noch nie in den vergangenen 60 Jahren sei die Arbeitslosigkeit unter den Afroamerikanern so niedrig gewesen, wie unter Donald Trump. Hat er Recht?

“Statistische Daten zum Erwerbsstatus schwarzer Amerikaner führt das Bureau of Labor Statistics erst seit 1972“, sagt JProf. Florian Böller. Demnach habe die Arbeitslosenquote unter dieser Bevölkerungsgruppe im August 2019, also unter Trumps Präsidentschaft, ihren bisherigen Tiefststand mit 5,4 Prozent erreicht. “Aktuell liegt die Zahl in der Folge der Corona-Pandemie mit 14,6 Prozent im Juli 2020 allerdings wesentlich höher“, sagt Böller, Für den Kontext erscheint Böller wichtig, dass die Arbeitslosigkeit unter Schwarzen seit dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2010 (März 2010: 16,8 Prozent) stetig gesunken sei und sich bereits am Ende der Amtszeit Obamas mehr als halbiert habe (Januar 2017: 7,5 Prozent).

Christiane Meier über Waffenverkäufe in den USA

Christiane Meier sagt, im letzten Jahr seien in den USA 1,2 Millionen Handfeuerwaffen mehr verkauft worden als noch im Jahr zuvor. Dies sei ein Anstieg um 150 Prozent.

Genau genommen vergleicht Christiane Meier das Jahr 2019 mit dem Jahr 2018. In diesem Zeitraum wurde kein solch großer Anstieg beim Verkauf von Handfeuerwaffen erfasst. Wenn die USA-Korrespondentin allerdings die Verkäufe von 2020 im Vergleich zu 2019 gemeint haben sollte, so wurde tatsächlich eine dramatische Steigerung festgestellt. Die nach eigenen Angaben unabhängige US-Forschungsgesellschaft “Small Arms Analytics & Forecasting“ (SAAF) veröffentlicht monatliche Verkaufszahlen von Waffen in den USA. Die SAAF geht davon aus, dass im Juli vergangenen Jahres insgesamt rund 490.000 Handfeuerwaffen verkauft worden sind. Im Juli dieses Jahres stieg die Zahl auf 1,2 Millionen an. Das ist zwar kein absolutes Plus von 1,2 Millionen Handfeuerwaffen, wie Christiane Meier sagt, allerdings liegt sie mit der Steigerungsrate richtig. Im Vergleich zum Juli 2019 wurden im Juli 2020 etwa 150 Prozent mehr Handfeuerwaffen verkauft. Die Anstiege in den Monaten des Jahres 2018 im Vergleich zu denen im Jahr 2019 waren weitaus geringer und lagen bei Handfeuerwaffen im einstelligen Prozentbereich.

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Stand: 25.08.2020, 10:09 Uhr