Sommer, Sonne, Sicherheitsabstand: Was bleibt vom Urlaub 2020?

Der Faktencheck zur Sendung vom 18.05.2020

Das wäre schön: Nach dem Corona-Lockdown ein Sommerurlaub zum Erholen. Aber wohin werden Reisen überhaupt erlaubt sein? Wie sicher ist es im Flieger, am Strand, im Hotel? Und: Wie erholsam kann Urlaub mit Mundschutz, Abstand und Desinfektion sein?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Die Situation von Reisebüros- und Veranstaltern

Meike Mouchtouris sagt, für viele Reisebüros kommt eine mögliche finanzielle Unterstützung zu spät – viele seien bereits in der Insolvenz gelandet. Sie erinnert daran, dass Reisebüros- und Veranstalter in Vorleistung treten und vom Kunden gerade einmal die Anzahlung erhalten. Wie stark trifft die Corona-Krise Reisebüros- und Veranstalter tatsächlich?

“Die Reiseveranstalter und Reisebüros haben bereits mit dem Beginn der Coronakrise die Umsätze für diesen Sommer nicht mehr erhalten“, sagt Prof. Christian Buer. Buer leitet an der Hochschule Heilbronn den Bereich Tourismuswirtschaft. Wenn ab dem 1. Juli die Mittelmeerregionen ihre Reiseziele wieder öffnen, hätten die Reiseveranstalter eine Chance, zumindest einen Teil des Umsatzes zu erzielen, so Buer. Aus den bisherigen Einschätzungen der Reiseveranstalter sei eine solide Jahresprognose allerdings nicht möglich. Sicher ist nach Ansicht von Buer jedoch, dass der Umsatz in 2020 nicht mehr aufzufangen ist. “Die Netto-Rendite der klassischen Reisebüros- und Veranstalter liegt bei rund zwei bis fünf Prozent. Die Reisebüros haben in den letzten Jahren einen steigenden Kostendruck erfahren, der mit steigenden Mieten und rückläufigen Provisionen der Reiseveranstalter zu verbinden ist“, sagt Buer. Und auch die Insolvenz der Thomas Cook Gruppe habe bis heute Auswirkungen auf die Liquidität der Reisebüros. Die Erstattung von Anzahlungen – etwa bei einer begründeten Stornierung aufgrund einer Reisewarnung – vergrößere die Probleme der Reisebüros zusätzlich, so Buer.

Nach Ansicht des Tourismusexperten könnte staatliche Unterstützung durch eine indirekte Umsatzförderung in Form einer Urlaubsprämie erfolgen - ähnlich der “Abwrackprämie“. “Diese müssten dann aber gebunden sein an einen stationären Kauf und nicht über ein Online-Portal. Der Kauf über ein Online-Portal wäre nicht zielführend“, sagt Buer.

“Sowohl Reisebüros wie auch Reiseveranstalter sind von der Pandemie unmittelbar existenzbedrohend betroffen, da sie weit überwiegend ihren Umsatzschwerpunkt im Auslandsreisegeschäft haben“, so die Einschätzung von Prof. Heinz-Dieter Quack. Quack forscht am Institut für Tourismus- und Regionalforschung der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Reisebüros seien nicht nur von Stornierungen bereits getätigter Buchungen betroffen, so der Tourismusexperte. Anhaltende Reisebeschränkungen und Unsicherheiten bei zukünftigen Reisemöglichkeiten führten für die kommenden Monate zwangsläufig zu einer sehr zurückhaltenden Buchungslage für Urlaubsreisen ins Ausland, sagt Quack. “In einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Consult) für den Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) geht man aus, dass die Tourismuswirtschaft mit Umsatzverlusten im Gesamtjahr 2020 zwischen 40 und 60 Prozent gegenüber 2019 zu rechnen hat, wobei hier Reisebüros und Veranstalter stärker als der Branchendurchschnitt betroffen sind“, sagt der Experte. Zudem werde auch das Jahr 2021 voraussichtlich nicht vollständig an das Vorkrisenjahr 2019 anknüpfen können. “Auch das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes weist als Ergebnis seiner Befragung von Branchenexperten darauf hin, dass das internationale Reisegeschäft im Jahr 2020 möglicherweise nur rund 30 Prozent der Vorjahresumsätze erreichen wird.“ Da die Umsätze im Tourismus überwiegend verloren sind, weil sie nicht nachträglich wieder hereingeholt werden können, seien Reiseveranstalter und Reisebüros tatsächlich außerordentlich stark von den pandemiebedingten Reisebeschränkungen betroffen, so das Fazit des Tourismusforschers.

Boom für deutsche Urlaubsziele?

Rolf Seelige-Steinhoff sieht in der Corona-Krise auch eine Chance für die deutschen Touristenziele, da sich viele Urlauber für Ferien im Inland entscheiden werden. Wie wird sich die Krise auf deutsche Urlaubsziele auswirken?

Für viele Deutsche fällt der Urlaub – etwa in der Mittelmeerregion - in diesem Jahr wegen der Coronakrise aus. Aufgrund von Beschränkungen und noch nicht absehbaren Bedingungen vor Ort verzichten zahlreiche Deutsche in diesem Jahr auf eine Reise. Andere entscheiden sich, ihren Urlaub in Deutschland zu verbringen. Sollte nur die Hälfte der Mittelmeerdestinationen nicht besucht werden, ergibt sich ein zusätzliches Potenzial für Reisen innerhalb Deutschlands von rund 13,5 Millionen Urlaubern, die einen Aufenthalt von mindestens fünf Tagen planen, sagt Prof. Christian Buer. Er geht davon aus, dass die beliebtesten deutschen Reiseziele, die ohnehin schon gut besucht werden, eine zusätzliche Nachfrage erwarten können. Der Tourismusforscher glaubt aber nicht, dass diese Nachfrage auch gedeckt werden kann, da Hotels derzeit nur einen Bruchteil ihrer Kapazitäten belegen dürfen. Dennoch sieht Buer Chancen auch in der Krise. Von Ferien im Inland könnten neben den Hauptreisezielen auch Regionen wie Harz, Erzgebirge, Hunsrück, Bodensee, Bayerischer Wald oder auch der Schwarzwald profitieren. Besonders die Hotspots in Deutschland dürften nach Ansicht von Buer in diesem Jahr besonders häufig besucht werden: “Diese Standorte werden weniger aufgrund der Urlaubsgäste als vielmehr von den Kurzreisegästen und Tagesausflügen eine höhere Nachfrage bekommen“, sagt der Experte.

Die Corona-Krise beeinflusst das Urlaubsverhalten nach Ansicht von Buer in diesem Jahr in drei wesentlichen Punkten: “Kurzarbeit führt zu weniger Nettolohn und damit zu einer geringeren Verfügbarkeit von Mitteln für Urlaube. Darüber hinaus werden Mitarbeiter angehalten, Urlaubstage abzubauen, so dass unter Umständen gar keine Urlaubstage in größerem Umfang mehr vorhanden sind“, sagt Buer. Außerdem würden Fernreisen aufgrund von Ängsten und Reisewarnungen erst gar nicht in Erwägung gezogen. “Es ist zu erwarten, dass Urlauber, die den Haupturlaub bisher am Mittelmeer verbracht haben, auch Österreich oder die Schweiz mit einbeziehen werden. Des Weiteren sind Destinationen in Polen (Ostsee), aber auch Slowakei, Tschechien und Kroatien mögliche Ziele, sofern diese mit dem Auto gut erreichbar sind“, sagt der Tourismusexperte.

“Trotz aller Unsicherheit und damit Fehleranfälligkeit von Prognose gehen die meisten Experte davon aus, dass die deutschen Zielgebiete sich früher erholen werden als zahlreiche ausländische Destinationen“, sagt Prof. Heinz-Dieter Quack. Auch er geht davon aus, dass viele Deutsche Urlaub in den besonders stark betroffenen Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien vermeiden und ihre Ferien nun im Inland verbringen werden. "Einer aktuellen Umfrage zufolge planen derzeit 50 Prozent der Deutschen - gegenüber rund 30 Prozent in früheren Jahren - ihren Urlaub im Inland zu verbringen", sagt Quack mit Verweis auf den Reisebranchendienst Destinet. Quack sieht hierin eine Chance für deutsche Destinationen, da sie nun diese “Neukunden“ von der Qualität und Attraktivität ihres Angebotes überzeugen können. “Zielsetzung hierbei ist es dann, zumindest einen Teil dieser Gäste auch dann als Wiederholungsbesucher zu halten, wenn das internationale Reisegeschäft wieder in normalen Bahnen laufen sollte“, sagt Quack. Das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes hält es laut Quack für möglich, dass der Inlandstourismus - je nach konkreter Lockerung in den Zielgebieten - bereits in der Sommerferienzeit 2020 zwischen 50 und bis zu 80 Prozent der Umsätze des Vorjahres erreichen kann. Dagegen werde das Auslandsreisegeschäft deutlich darunterliegen, so Quack

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Stand: 19.05.2020, 08:42 Uhr