Europa hat gewählt: Wer ist bei uns angezählt?

Der Faktencheck zur Sendung vom 27.05.2019

Nach der EU-Wahl die Deutschland-Bilanz: War das ein Vertrauens-Votum oder eine Wutwahl: Für Brüssel und für Berlin? Was sagt dieser Stimmungstest über die Stärke unserer Regierungsparteien und über die der Populisten von rechts und links – gerade vor den wichtigen Landtagswahlen im Osten?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Mike Mohring über Soli und Ostdeutschland

Mike Mohring (CDU) sagt, von den 20 Milliarden Euro, die durch den Solidaritätszuschlag eingenommen werden, fließen in diesem Jahr nur noch 1,5 Milliarden Euro in den Osten – und das zum letzten mal.

Mike Mohring bringt hier zwei Dinge durcheinander. Richtig ist, dass die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in den Bundeshaushalt fließen. 2018 waren dies 18,9 Mrd. Euro. Allerdings sind die Einnahmen, die durch den Solidaritätszuschlag in den Haushalt fließen, nicht zweckgebunden und damit auch nicht explizit für den Aufbau Ost vorgesehen. Hierfür wurde in den neunziger Jahren der Solidarpakt I aus der Taufe gehoben. Es folgte der Solidarpakt II , der den ostdeutschen Bundesländern und Berlin bis einschließlich 2019 Fördergelder für den Ausbau Ost zusichert. Danach läuft der Solidarpakt II aus. Zwischen 2005 und Ende 2019 werden über ihn dann insgesamt 156,5 Milliarden Euro in die neuen Bundesländer sowie nach Berlin geflossen sein. In diesem Jahr werden zum letzten mal die so genannten “Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen“ in Höhe von 2,1 Milliarden bereitgestellt. Der Finanzbedarf, der zu Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland benötigt wird, wird nach Auslaufen des Solidarpaktes II durch eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sichergestellt.

Mike Mohring über Energiekosten

Mike Mohring sagt, Deutschland habe mit die höchsten Energiekosten in Europa.

Betrachtet man lediglich den Strompreis, ist das richtig. Der Durchschnittspreis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom lag in Deutschland im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres bei 30 Cent. Das geht aus den aktuellsten Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervor. Berücksichtigt wurden Privathaushalte, die zwischen 2.500 und 5.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbrauchen. Damit zahlen die Verbraucher in Deutschland gut ein Drittel mehr als Verbraucher im EU-Durchschnitt (21 Cent/kWh). Mehr als wir zahlen nur die Dänen. Für sie wurden im zweiten Halbjahr 2018 31 Cent pro kWh fällig. Innerhalb der EU kommen die Bulgaren am günstigsten davon: Hier kostete eine Kilowattstunde Strom im Schnitt 10 Cent.

Anders sieht es bei den Gaspreisen aus. Hier lag der Preis für deutsche Verbraucher mit 6 Cent pro Kilowattstunde (von Gigajoule umgerechnet) im zweiten Halbjahr 2018 etwas unter dem EU-Durchschnitt. Am teuersten war Gas für schwedische Verbraucher. Sie zahlten mit 12 Cent/kWh doppelt so viel wie deutsche Gaskunden.

Mike Mohring über Wahlergebnisse von AfD und Linken

Nach Ansicht von Mike Mike Mohring hat die AfD ihr Wählerpotenzial in Thüringen ausgeschöpft. Im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl habe sie nicht zulegen können. Außerdem habe die Linkspartei in Ostdeutschland neun Prozent im Vergleich zur letzten Europawahl verloren.

Es stimmt, dass die AfD in Thüringen bei der Europawahl 2019 mit 22,5 Prozent den gleichen Stimmenanteil erhalten hat, wie bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren. Dennoch hat sie den Abstand auf die thüringische CDU in diesem Zeitraum durch die Verluste der Christdemokraten deutlich verkürzt. Lag die AfD bei der Bundestagwahl noch 9,1 Prozentpunkte hinter der CDU, waren es bei der Europawahl nur noch 2,2 Prozentpunkte.

Die Zahl zu den Verlusten der Linkspartei ist nicht richtig. Betrachtet man alle fünf neuen Bundesländer zusammen, so wurden bei der Europawahl 2014 insgesamt rund 5 Millionen Stimmen abgebeben. Etwa 980.000 Ostdeutsche wählten damals die Linke. Das entspricht einem Anteil von 19,5 Prozent. Bei der aktuellen Europawahl konnte die Linke rund 778.000 von insgesamt 6,15 Mio. Stimmen aus Ostdeutschland für sich verbuchen. Das sind 12,6 Prozent der Stimmen. Die Verluste der Linken in allen fünf neuen Ländern liegen also nicht bei neun, sondern bei rund sieben Prozentpunkten. Knapp neun Prozentpunkte Verlust wären richtig, wenn man lediglich das Ergebnis der Linken in Thüringen betrachten würde.

Stand: 28.05.2019, 11:01 Uhr