Die Fleisch-Frage: Mit hübschen Siegeln gegen schlechtes Gewissen? 

Der Faktencheck zur Sendung vom 15.04.2019

Kaum Platz, stickige Luft, Stress, Krankheiten – immer noch Alltag in der Tiermast. Aber wie sieht man einem Schnitzel an, ob das Schwein gelitten hat? Helfen die neuen Siegel des Handels? Oder hilft nur: Mehr fürs Fleisch zahlen, am Ende ganz darauf verzichten?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Tierwohllabel - schon 2011 angedacht

Seit wann wird in der Bundesregierung über die Einführung eines Tierwohllabels gesprochen? Albert Stegemann (CDU) zweifelte an den Recherchen unserer Redaktion. Der erste “Label-Gedanke“, so Stegemann, sei erst vor vier Jahren unter Christian Schmidt aufgekommen, und nicht bereits vor acht Jahren.

Unsere Redaktion hat Recht. Die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kündigte bereits im Jahr 2011 an, sich innerhalb der EU für ein Tierschutzlabel – ähnlich dem Biosiegel – einsetzen zu wollen. Dieses Ziel fand 2011 auch Eingang in den Tierschutzbericht der Bundesregierung. Vorgesehen war unter anderem die “Kennzeichnung von Produkten, bei deren Erzeugung deutlich höhere als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden.“ Um eine höhere Glaubwürdigkeit beim Verbraucher zu erzielen, sollte der Staat die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, hieß es. Zwar sollte die Zertifizierung privatwirtschaftlich organisiert werden und eine Teilnahme war auch damals auf freiwilliger Basis angedacht, den “Label-Gedanken“ aber gab es bereits im Jahr 2011.

Ihre Forderung nach einem europaweiten Tierschutzlabel äußerte Ilse Aigner im gleichen Jahr auch gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Die Öffentlichkeit ist beim Thema Tierwohl sensibler geworden“, sagte Aigner. Verbraucher seien bereit, für Produkte aus besonders tiergerechten Haltungsformen mehr auszugeben, so die damalige Landwirtschaftsministerin.

Albert Stegemann über Lebensmittelpreise

Albert Stegemann (CDU) sagt, Deutschland habe nicht nur mit die besten, sondern auch die günstigsten Lebensmittel.

In dieser Pauschalität stimmt das nicht. Das zeigt ein Blick auf das Preisniveau für Nahrungsmittel, das die europäische Statistikbehörde Eurostat regelmäßig veröffentlicht. Betrachtet man die durchschnittlichen Lebensmittelpreise innerhalb der Europäischen Union, waren Nahrungsmittel in vielen EU-Ländern preiswerter als in Deutschland. In Rumänien lag das Preisniveau im Jahr 2017 mit 62 Prozent des Durchschnitts am niedrigsten. Auch in Polen lagen die Preise für Nahrungsmittel mit 65 Prozent deutlich unterhalb des EU-Durchschnitts. In Deutschland zahlten Verbraucher 108 Prozent gemessen am EU-Schnitt. Am tiefsten müssen demnach die Dänen für ihre Lebensmittel in die Tasche greifen: Hier lag das Preisniveau bei 150 Prozent. Betrachtet man lediglich die Erzeugerkosten von Fleisch, so produziert beispielsweise Spanien deutlich günstiger als Deutschland. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung kostet die Herstellung einer Tonne Rindfleisch in Deutschland etwa 3300 US-Dollar. In Spanien wird mit etwa 2650 Dollar deutlich günstiger produziert. Noch deutlicher sind die Unterschiede beim Schweinefleisch. Dier Erzeugerkosten für eine Tonne liegen in Deutschland bei rund 1650 Dollar, in Spanien bei gerade einmal 154 Dollar.

Albert Stegemann über EuGH und Tiertransporte

Albert Stegemann sagt, der Europäische Gerichtshof habe entschieden, dass europäische Tierschutzstandards auch bei Tiertransporten gelten müssen, die durch Nicht-EU-Staaten führen.

Das stimmt. Im Jahr 2015 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass bei Transporten von Nutztieren über eine längere Strecke die europäischen Mindestanforderungen auch in Drittstaaten erfüllt werden müssen. Hierzu zählen etwa die Mindeststandards für das Füttern und Tränken der Tiere sowie Transportbedingungen und Ruhezeiten. Konkret ging es in dem Fall um ein Zuchtvieh-Exportunternehmen, dem die Stadt Kempten die Abfertigung verweigerte. Die Stadt verlangte von dem Unternehmen, die Transportplanung so zu ändern, dass die Einhaltung der EU-Tierschutzverordnungen auch in Drittländern eingehalten werden kann. Hiergegen klagte das Unternehmen – ohne Erfolg.

Stand: 16.04.2019, 10:57 Uhr